Christian Warlich zählt zu den Pionieren der Tattoo-Szene in Deutschland. Vor mehr als 100 Jahren setzte er 1921 auf St. Pauli mit seinen lebendigen und künstlerisch anspruchsvollen Tätowierungen neue Maßstäbe und würde zum "König der Tätowierer".
Hergestellt in Hamburgs ältester Spirituosenmanufaktur und von Hand abgefüllt, schuf der Kunsthistoriker Ole Wittmann 2019 eine Spirituosenmarke in seinem Andenken. Auf die Etiketten ließ Wittmann Originalmotive von Warlich drucken oder solche, die ihnen nachempfunden sind. "Man kann einen Tätowierer am besten ehren, indem man seine Werke zeigt", erklärt Wittmann gegenüber der "Zeit".
Die Marke hat sich international bereits einen Namen gemacht. Unter anderem wurde der "Warlich Rum Jamaika" bei den World Rum Awards als Bester seiner Klasse ausgezeichnet.
2023 folgte dann die überraschende Markterweiterung: ein Likör ohne Ei. Ein Produkt, das mit seiner kreativen Namensgebung für reichlich Gesprächsstoff sorgt und von der Tierschutzorganisation PETA ausgezeichnet wurde. Der Eierlikör – beziehungsweise, wie auf dem Etikett steht, "Likör ohne Ei" – zeigt einen Hahn, der nach Warlichs Zeichnungen gestaltet wurde.
Nun richtete sich Wittmann mit einem Unterstützungsaufruf an seine Community, bei TikTok wurde das Video bereits mehr als 100.000 Mal geklickt. Der Hintergrund: Dem Hahn soll der Garaus gemacht werden.
Denn Wittmann wird vom Schutzverband der Spirituosenindustrie e.V. für seinen "Likör ohne Ei" verklagt. Der Prozessbevollmächtigte des Verbands verwies gegenüber der "Zeit" auf einen "absoluten Bezeichnungs- und Anspielungsschutz" laut EU-Recht und erklärt, dass auch Anspielungen verboten seien.
Der Vorstandsvorsitzende des klagenden Verbandes ist niemand geringeres als William Verpoorten. Er ist Chef des führenden Anbieters im Eierlikörsegment, mit einem Jahresumsatz von rund 50 Millionen.
Die bisherigen juristischen Erfolge des Verbands sprechen für sich. Bereits 2023 musste die Firma Grote & Co. Spirits ihren veganen "Eyy Likör" vom Markt nehmen, und auch gegen das Start-up Veggly setzte sich der Verband durch – das Landgericht Hamburg untersagte dort jede Bezugnahme auf den Begriff Eierlikör.
Der Verband ist überzeugt, dass auch Warlichs "Likör ohne Ei" bald eingekassiert wird, wie Rechtsanwalt Christofer Eggers gegenüber "Stern" bestärkt: "Veganen Eierlikör gibt es nicht".
Sebastian Joy, Vorsitzender der internationalen Ernährungsorganisation ProVeg, kritisiert laut "About Drinks" Spielchen wie diese von etablierten Herstellern: "Dabei geht es kein bisschen um Verbraucherschutz, sondern um Marktmacht".
Als "hanebüchen" bezeichnet Wittmann die Klage. Um die teuren Gerichtskosten zu stemmen, hat er ein Crowdfunding gestartet – unter www.ohneei.info ist ein limitierter Likör ohne Ei als Sonderedition erhältlich. Ein besonderes Detail: Eine Schwanzfeder des abgebildeten Hahns zensiert das Wörtchen "Ei".
Wer nicht auf Likör steht, kann sich stattdessen die Sonderedition "Harte Nuss" sichern – eine Rum-basierte Spirituose mit Macadamianuss-Aroma, limitiert auf 999 Flaschen.
Alle Einnahmen sollen den Prozesskosten zugutekommen. Wittmann verspricht in seinem Aufruf: "Wenn wir gewinnen, spenden wir alles, was nach Abzug der Kosten übrigbleibt, an den Deutschen Tierschutzbund".