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Antarktis: Freeriderin Mila de Le Rue zwischen Klimakrise und Todesangst

Mila de Le Rue hat die Antarktis bereist.
Mila de Le Rue hat die Antarktis bereist.bild: The North Face
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Freeriden in der Antarktis: Ihr 18. Geburtstag veränderte Mila de Le Rues Leben

Mila de Le Rue ist Freeriderin. Mit ihrem Vater und ihrem Onkel hat sie die Antarktis bereist, um dort bei atemberaubenden Ausblicken schneebedeckte Steilhänge herunterzusausen. Dabei ist nicht nur ein 45-minütiger Film herausgekommen, sondern auch ein lebensverändernder Trip.
05.04.2025, 13:3405.04.2025, 13:34
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Der 18. Geburtstag markiert einen besonderen Punkt im Leben, signalisiert er in vielen Kulturen doch die Volljährigkeit und die Unabhängigkeit von den Eltern. Entsprechend bunt und pompös wird dieser Tag gerne gefeiert.

Mit möglichst vielen Freunden in einem Park trinken, die Tanzfläche des Lieblingsclubs belegen oder gleich den Protagonisten des Films "Project X" nacheifern und eine exorbitante Homeparty schmeißen – an stereotypen Bildern mangelt es nicht.

Mila de Le Rue: stiller Ozean statt lauter Tanzfläche

Als junge Heranwachsende hatte auch Mila de Le Rue derartige Bilder im Kopf. Ihren 18. Geburtstag wollte sie ursprünglich mit ihren Freund:innen feiern, berichtet sie im Gespräch mit watson. Es kam aber ganz anders.

"Am Ende habe ich mit meinem Vater und meinem Onkel gefeiert." Und zwar in der Antarktis.

Mila ist Freeriderin, auf Skiern schießt sie steile Hänge herunter. Das liegt gewissermaßen in der Familie. Xavier de Le Rue, ihr Vater, ist als Freerider auf einem Snowboard unterwegs, hat WM-Titel gewonnen und ist bei Olympia angetreten. Milas Onkel ist ebenfalls Freerider.

Familie de Le Rue erkundet die Antarktis.
Familie de Le Rue erkundet die Antarktis.bild: The North Face

"Es ist etwas Besonderes, eine gemeinsame Passion zu teilen", erzählt Mila über den Lieblingssport der Familie. Für gewöhnlich sind die Extremsportler:innen dafür in diversen Gebirgen unterwegs, etwa in ihrer französischen Heimat. 2024 aber, als Mila 18 wird, plant Vater Xavier eine einzigartige Expedition in die Antarktis.

"Es war nicht schwer, mich zu überzeugen. In der Antarktis zu sein, ist viel besser, als mit Freunden betrunken rumzuhängen. Das ist keine Chance, die man zweimal bekommt."

"Jedes Mal, wenn ich aufgestanden bin, musste ich mich übergeben – achtmal in fünf Tagen."
Mila de Le Rue über die beschwerliche Anreise

In Begleitung eines Kamerateams segelte die Familie in den arktischen Süden, in Kooperation mit The North Face entstand dabei der Film "Of a Lifetime". Das Abenteuer ihres noch so jungen Lebens.

Abenteuerlich war dabei allein schon die Anreise. "Jedes Mal, wenn ich aufgestanden bin, musste ich mich übergeben – achtmal in fünf Tagen", erinnert sich Mila an die beschwerliche Anreise auf dem kleinen Segelschiff, das sie nutzten, um möglichst klimafreundlich anzureisen.

Einzigartige Anblicke entschädigen Mila für die qualvolle Anreise

Noch vor der Ankunft führte die raue See dazu, dass sich die junge Freeriderin hinterfragte. "Warum nur habe ich zugesagt? In dem Moment, in dem du ankommst, vergisst du aber plötzlich alles."

Als Belohnung gab es atemberaubende Schneelandschaften, die Mila noch Wochen später tief beeindrucken. "Eine derartige Ruhe, unglaubliches Licht, tolle Tiere – es ist magisch", berichtet sie.

Aufnahmen hat sie so viele gemacht, dass sie irgendwann nicht mehr mitzählen konnte. Davon aber zehrt sie heute noch: "Ich schaue mir die Bilder gerne an und weiß die Gelegenheit, die ich da hatte, wertzuschätzen."

Gleichwohl ist sich Mila aber auch bewusst, wie "bizarr die Situation ist". Einerseits kann sie von ihren Impressionen aus der Antarktis schwärmen, die im begleitenden Film mit eindrucksvollen Aufnahmen untermalt werden. Andererseits steht kaum ein Ort auf dieser Erde so sehr für die Klimakrise.

"Entwicklung ist beängstigend": Antarktis als Symbol der Klimakrise

"Man möchte die Gelegenheit natürlich genießen, auf der anderen Seite hat man die Klimakrise, die man in der Antarktis voll und ganz verstehen kann. Es ist dort so viel deutlicher als hier in Europa", sagt Mila. Seit Jahrzehnten schmelzen die Polkappen.

Sie und ihr Onkel hätten das extreme Ausmaß zunächst gar nicht realisiert, weil sie zum ersten Mal dort waren. Milas Vater aber war vor über zehn Jahren schon einmal in der Antarktis, sei von den Entwicklungen regelrecht schockiert gewesen:

"Wir konnten etwa in eine Bucht fahren, die vor zehn Jahren noch komplett mit Eis bedeckt war. Da konntest du nicht durch. Jetzt ist alles geschmolzen, das ist bedrückend. Und die Gespräche mit den Forschern der Vernadsky-Station waren ebenfalls sehr betrübend. Sie haben von den Veränderungen berichtet. Die Entwicklung ist beängstigend."

Es war nicht die einzige Art der Angst, mit der sich Mila auf der Reise konfrontiert sah. Denn auch die eisigen, oftmals nahezu vertikalen Steilhänge, die sie zunächst mithilfe von Eispickeln hochkletterte und anschließend auf Skiern herunter düste, stellten eine extreme mentale Herausforderung dar.

Mila kämpfte in der Antarktis mit der Todesangst

"Der ganze Trip war hart für mich. Es war der erste Filmtrip für mich, meine erste Expedition. Und das in einem Gebiet, in dem du keine medizinische Notfallversorgung erwarten kannst", berichtet Mila. Das nächste Krankenhaus sei fünf Tage entfernt gewesen, ein Sturz hätte jederzeit fatale Folgen haben können. "Wenn etwas passiert, hast du also nur geringe Chancen, zu überleben. Das hatte ich immer im Hinterkopf."

Einer der Steilhänge, den Xavier de Le Rue in der Antarktis hochgeklettert ist.
Einer der Steilhänge, den Xavier de Le Rue in der Antarktis hochgeklettert ist.bild: The North Face

Aus ihrer Todesangst macht Mila keinen Hehl. Im Film ist in einer Szene zu hören, wie sie ob des enormen psychischen Drucks weint. "Es ist mir schwergefallen, diese Angst zu überwinden. In einem Moment kamen mir daher die Tränen. Das ist mir vorher beim Skifahren noch nie passiert."

Es ist eine Mischung aus Angst und Frustration. Denn Mila fühlte sich blockiert, konnte ihr eigentliches Level nicht abrufen. Dabei wollte sie, so kurz vor der Volljährigkeit, doch genau das ihrem Vater beweisen. Dass sie mithalten und in schwerem Terrain abliefern kann.

Von Tag zu Tag aber kam sie besser zurecht. "Während des Trips habe ich eine Entwicklung bei mir festgestellt. Von Line zu Line wurde ich besser", blickt sie zurück. Schließlich bewältigte sie einzelne Strecken alleine.

Das Abenteuer hat Mila auf vielen Ebenen verändert

Ihr Highlight, neben dem 18. Geburtstag kurz vorm Ende des Trips, ist die allerletzte Line in der Antarktis:

"Es war 22 Uhr, die Sonne ist spät untergegangen und es war der Schlussakt der Reise. Vorher war ich nicht viel mit meinem Vater unterwegs. Da konnte ich ihm zum Abschluss meine Entwicklung zeigen – zeigen, dass ich dasselbe wie er leisten kann."

Ein echtes Erfolgsgeheimnis gebe es dabei nicht. "Ich habe mich einfach durchgebissen", sagt Mila, verweist dabei aber auf die besonderen Umstände. "Du willst dort nicht den ganzen Tag über nichts machen. Also musst du dich irgendwann überwinden. So habe ich meine Angst in den Griff bekommen."

Am Ende hat ihr das nicht nur einzigartige Eindrücke ermöglicht, sondern auch ihre Beziehung zu ihrem Vater und ihrem Onkel gestärkt.

Vor allem aber hat die Reise in die Antarktis die 18-Jährige persönlich vorangebracht. "Ich habe gelernt, mehr Vertrauen in mich selbst zu haben", erzählt sie. Das sei enorm wichtig im Leben, aber auch speziell beim Freeriden.

Und genau darin sieht Mila nun ihre Zukunft. Eigentlich hatte sie nicht unbedingt eine Karriere im Skisport angepeilt, jetzt will die 18-Jährige es aber versuchen. "Der Trip in die Antarktis war so etwas wie die Geburtsstunde meiner Karriere", sagt sie.

Mit dem Zug ist Mila während des watson-Interviews gerade auf dem Weg zu einem Turnier. Fürs Erste ist ihr die stabile Fortbewegung auf der Schiene lieber als die ruckelige auf den Wellen. "In Zukunft aber", blickt sie mit strahlenden Augen voraus, "möchte ich noch einmal in die Antarktis reisen. Dann würde ich wirklich gern meine wahren Skills zeigen".

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