Bis zum Schluss bangte die Welt um den Ausgang der Weltklimakonferenz COP27. Als niemand mehr an eine Einigung glaubte, kam sie doch noch – die Abschlusserklärung in letzter Minute. Am frühen Sonntagmorgen, 40 Stunden nach dem eigentlichen Ende des Klimagipfels.
Von vielen wurde sie als historische Einigung gefeiert – wurde den armen Ländern doch erstmals finanzielle Unterstützung für ihre Verluste und Schäden durch die Folgen der Klimakrise zugesagt. 30 Jahre, nachdem sie diese Forderung zum ersten Mal gestellt hatten.
Klimaexpert:innen und Aktivist:innen aber warnen, dass die Welt auch nach dieser Einigung am Rande einer Klimakatastrophe stehe. Die größten Volkswirtschaften müssten in die Verpflichtung genommen werden. Und zwar jetzt, nicht erst auf der nächsten Weltklimakonferenz.
Welche Beschlüsse erzielt wurden, welche Erfolge und Niederlagen es gab, fasst watson für euch zusammen.
Schon in der Abschlusserklärung des G20-Gipfels auf Bali hatten die Staats- und Regierungschefs das 1,5-Grad-Ziel erneut bekräftigt. Das verlieh auch den zäh laufenden Verhandlungen der UN-Klimakonferenz neuen Schwung. Insbesondere Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) drängte auf ehrgeizigere politische Maßnahmen, um das Ziel, das vermutlich noch in diesem Jahrzehnt überschritten wird, doch noch zu erreichen.
Doch dann kämpften einige Länder mithilfe der ägyptischen Präsidentschaft dafür, die Zahl doch noch aus der Abschlusserklärung zu streichen. Ohne Erfolg: Die EU und westliche Staaten brachten das 1,5-Grad-Ziel wieder in der Erklärung unter, allerdings in dem Abschnitt "Wissenschaft", was einem Downgrading der Wichtigkeit des Ziels gleichkommt. Noch bei der COP26 in Glasgow hatte die Bekräftigung des Pariser Ziels an zentraler und prominenter Stelle gestanden.
In dem finalen Abschlussdokument werden die Staaten nun dazu aufgefordert, ihre größtenteils nicht ausreichenden Klimaschutzpläne bis zur COP28 im Jahr 2023 nachzubessern. Allerdings bleiben diese Nachbesserungen freiwillig. Eine Verpflichtung oder Strafe, sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, gibt es nicht.
Insbesondere mit Blick auf die Renaissance der fossilen Energien aufgrund Putins Angriffskrieg in der Ukraine hätten der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas sowie die Beendigung ihrer Subventionierungen Thema auf der COP27 sein müssen. Stattdessen wurde der Abschnitt aus der Abschlusserklärung der COP26 einfach kopiert und eingefügt.
Dabei hatte sogar Indien – zur Überraschung aller – einen schrittweisen Ausstieg gefordert. Auch die EU, Großbritannien sowie Länder des globalen Südens wollten diesen Vorschlag durchbringen. Doch die arabischen Staaten blockierten das Vorhaben – um einen solchen Punkt aber durchzusetzen, ist eine einstimmige Entscheidung aller knapp 200 Länder notwendig. Immerhin: Erstmals wurde auch auf erneuerbare Energien verwiesen.
Seit knapp drei Jahrzehnten kämpfen die am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffenen Länder um finanzielle Unterstützung. Für Schäden und Verluste durch Unwetter, Überschwemmungen, Brände, Dürre. Geld, das die Länder dringend für den Wiederaufbau ihrer Infrastrukturen benötigen.
Dass man sich auf der COP27 auf einen Fond geeinigt hat, gilt als wichtiger Meilenstein. Aber: So wichtig die Einigung auch ist, wo genau das Geld herkommen soll, wer es zahlen muss und wer nicht, darüber wurde noch keine Einigung erzielt. Denn das käme einem Schuldgeständnis darüber gleich, wer – mit Blick auf die Klimakrise – Täter und wer Opfer ist.
So sträubte sich China, das Land mit dem höchsten Emissionsausstoß der Welt, vehement dagegen, ebenfalls in diesen Fond einzuzahlen. Und damit einzugestehen, kein Entwicklungsland mehr zu sein. Bereits seit Jahren verwässern und blockieren die Chinesen alles, was dazu beitragen könnte, dass sie diesen Status verlieren – und sie so vom Nehmer zum Geber würden.
Ebenfalls unklar ist, wie viel Geld in den Topf fließen soll und welche Staaten wann auf diese Gelder Zugriff haben sollen. Die Details dafür sollen in Arbeitsgruppen bis 2023 geklärt werden. Spätestens bei der COP28, die in Dubai stattfinden soll, wird der Fonds wieder Thema werden.
Erstmals wird in einer Abschlusserklärung einer Weltklimakonferenz eine Reform der Entwicklungsbanken sowie der Weltbank thematisiert. Dies hatte eine wachsende Zahl von Industrie- und Entwicklungsländern gefordert. Der Grund: Arme Länder müssten bei der Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen mit einem vereinfachten Zugang zu Krediten unterstützt werden, um angemessen auf die Folgen der Katastrophen reagieren zu können. Genauso wie bei ihren Anpassungsmaßnahmen.
Eine entsprechende Reform, um den Entwicklungsländern schneller helfen zu können, wurde auf der COP27 ausführlich diskutiert. Den Anstoß dazu hatte die Premierministerin von Barbados gegeben, Mia Mottley. Bis Februar soll sie einen konkreten Vorschlag ausarbeiten, der auf den Frühjahrstagungen der Weltbank und des IWF präsentiert werden soll.
2009 sicherten die Industrieländer den armen Staaten zu, ihnen ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar Klimahilfen zu zahlen. Damit soll(te) ihnen der Bau von Hochwasserschutzanlagen, die Wiederaufforstung von Wäldern oder etwa die Wiedervernässung von Mooren und Feuchtgebieten ermöglicht werden. Gezahlt wurden bislang aber nur rund 80 Milliarden Dollar. Nach einigem Ringen wurde dieses Versprechen erneut in die Abschlusserklärung aufgenommen und bekräftigt.
Nichtsdestotrotz verhandelten die Länder auch darüber, wie die Klimahilfen nach 2025 aufgestockt werden könnten. Denn auch das wurde bereits in der Abschlusserklärung der COP26 in Glasgow festgehalten. Auf konkrete Fortschritte einigen konnte man sich allerdings nicht.
Laut Klimawissenschaftler:innen und Aktivist:innen fehlt in der Abschlusserklärung eine Menge. Gegenüber dem "ZDF" erklärte der bekannte Klimaforscher Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-Forschung, dass ein Scheitern der Konferenz zwar verhindert wurde, die Ergebnisse aber nur ein "sehr, sehr mäßiger Erfolg für das Klima" seien.
So gehe das nicht weiter. Die Zeit, um noch zu handeln, sei knapp. Er erklärte:
Zwar wurde mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel anerkannt, dass "sofortige und nachhaltige" Senkungen der CO2-Emissionen erforderlich sind. Ein genauer Fahrplan blieb allerdings vage. Genauso wie Forderungen nach einer Abkehr von den fossilen Energieträgern sowie dem Ausbau der erneuerbaren Energien.
Ebenfalls nicht aufgegriffen wurde die Forderung der EU, dass der Höchststand der Treibhausgasemissionen weltweit bis 2025 erreicht sein muss – danach müssten die Emissionen deutlich zurückgehen, um das 1,5-Grad-Ziel noch einhalten zu können.
Einige Entwicklungsländer weigerten sich zudem, in dem Dokument auf die Biodiversitätskonferenz in Montreal zu verweisen. Auf der im Dezember stattfindenden Konferenz soll erstmals ein Abkommen unterzeichnet werden, das vorsieht, ein Drittel der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen. Damit soll das Artensterben, eine weitere Krise neben der Klimakatastrophe, gestoppt werden.