Ein Gang zum Friseur-Salon ist für viele ein intimes Erlebnis. Denn Haare sind wichtig. Durch sie kann man zum Ausdruck bringen, wer man ist, an ihnen erkennt man in den meisten Fällen, welchem Geschlecht sich eine Person zuordnet und auch, wie krank oder gesund jemand ist.
Wie alles Äußerliche sind auch Haare von bestimmten Schönheitsidealen geprägt. Lange glänzende Haare sollte man als Frau haben, am besten von Natur aus blond sein, keinen Spliss haben, vielleicht ein paar leichte Wellen, aber eigentlich gilt: umso glatter, desto besser.
Der Schönheits-Anspruch an Haare macht den Gang zum Friseur-Salon auch zu etwas Politischem. Denn dort wird man durch die Wahl der Frisur entweder zur Reproduktion des Schönheitsstandards, oder man rebelliert bewusst durch eine ungewöhnliche Farbe oder einen radikalen Schnitt.
Aber nicht alle Menschen können in Deutschland so frei entscheiden, welche Frisur sie gerade gerne hätten. Denn in vielen Salons herrscht Mangel an Fachkräften, die mit Haarstrukturen jenseits von glatt und leicht wellig umgehen können.
Das bemängelt auch Star-Friseur Dominik Wieland, auf Instagram unter dem Namen dominiktjumen zu finden. In einem Video reagiert er auf die Aussage einer Schwarzen Frau, die darüber berichtet, dass sie sich die Haare immer selbst schneiden müsse und noch nie beim Friseur war.
Dominik Wieland kann das aus seiner Perspektive als Friseur bestätigen: "Es ist 2024 und wir haben es immer noch nicht geschafft, People of Color in den Salon-Alltag zu integrieren." Der Grund dafür sei laut ihm, dass diverse Haarstrukturen nicht Teil der Ausbildung seien – was wiederum durch die Wirtschaftlichkeit begründet wird.
Dass es sich nicht lohnen würde, die Skills zum Stylen verschiedener Haarstrukturen zu lernen, sei aber einer der größten Trugschlüsse in diesem Handwerk, erklärt Wieland. Denn wenn es Personal geben würde, dass lockiges Haar schneiden und pflegen kann, würden auch Kund:innen mit solchen Haaren in die Salons kommen.
Watson hat deswegen beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks nachgefragt, ob diverse Haarstrukturen tatsächlich nicht Teil der Ausbildung sind. Darauf antwortete der Verband, dass in der "Ausbildungsordnung keine Haarstrukturen ausgeschlossen werden. Alle möglichen Haarstrukturen sind Bestandteil des theoretischen Unterrichts."
An welchen Kund:innen die Inhalte umgesetzt würden, liege dann jedoch an den Ausbildungsbetrieben sowie der Modellauswahl der Auszubildenden, führt der Verband weiter aus.
Wieland selbst habe bisher nur in Salons gearbeitet, in denen es selbstverständlich sei, in der Ausbildung auch die Arbeit mit anderen Haarstrukturen zu lehren. Aber trotzdem gibt es aktuell zu wenig Fachpersonal für das Schneiden und Stylen verschiedener Locken, das sei "leider Realität auf dem Markt."