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Frauen-WM: Experte warnt nach DFB-Aus vor zwiespältiger Entwicklung

WWC23 KOREA GERMANY, Svenja Huth and Chantal Hagel of Germany react following their 1 all draw eliminating Germany from the Womens World Cup during the FIFA Women s World Cup 2023 soccer match between ...
Svenja Huth (l.) und Chantal Hagel sind nach dem WM-Aus in der Gruppe bitter enttäuscht.Bild: imago images/AAP
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DFB-Aus bei Frauen-WM: Experte blickt zwiespältig in die Zukunft

04.08.2023, 12:17
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Die Tränen waren zwar getrocknet, die Enttäuschung bei den DFB-Frauen auch eine Nacht nach dem ersten WM-Aus in der Gruppenphase war trotzdem noch immer riesig. Innerhalb von einer Nacht könne laut Kapitänin Alexandra Popp keine Spielerin "von heute auf morgen sagen: 'Hey, mir geht es wieder gut.'"

Trotzdem richtete sich der Blick nach dem 1:1 gegen Südkorea, das wie eine Niederlage wirkte, auch schon in die Zukunft. In dieser Zukunft wird es zwei Themen geben, die den deutschen Frauen-Fußball beschäftigen.

Nach DFB-Aus: Wie geht es mit Voss-Tecklenburg weiter?

Eine große Frage lautet: Wie geht es mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg weiter? Direkt nach dem Abpfiff hatte sie im ZDF gesagt, dass sie "nicht vorschnell etwas sagen" wolle. Gleichzeitig hatte sie verkündet: "Wir haben zweimal ein Ergebnis erzielt, das nicht ausreicht. Dem müssen wir uns stellen – und das bin in erster Linie ich in meiner Person!"

In der Zwischenzeit haben sich nun auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Verbandsmanager Joti Chatzialexiou zur Zukunft der Bundestrainerin geäußert. Neuendorf stärkte ihr den Rücken, sagte: "Jetzt sind wir leider historisch ausgeschieden, da gilt es, gemeinsam aus diesem Weg rauszukommen."

Das hört sich zunächst so an, als dürfe Voss-Tecklenburg weiter im Amt bleiben. Gänzlich geklärt ist es aber noch nicht. Überhaupt ist diese Frage die kurzfristigere. Spätestens bei den Länderspielen im Herbst gegen Dänemark und Island wird klar sein, wer an der Seitenlinie stehen wird.

Die noch viel wichtigere und auch vermutlich langfristig interessantere Frage lautet: Wie geht es nun mit dem Interesse und dem Hype rund um den Fußball der Frauen weiter? Seit der Final-Teilnahme bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr hatten die DFB-Frauen einen großen Zuspruch erfahren. In der Bundesliga gab es mehrere Zuschauer-Rekorde und auch die deutschen WM-Spiele sahen teilweise über zehn Millionen Zuschauer:innen.

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In Brisbane hofft deshalb Nationalmannschafts-Kapitänin Alexandra Popp weiter auf die Unterstützung der deutschen Fans: "Ich hoffe, dass die Leute uns weiter den Rücken stärken, dass sie gesehen haben, was wir grundsätzlich in der Lage sind zu leisten." Sie habe außerdem "den Wunsch, dass nach dem einen Mal nicht das Ganze wieder den Bach runtergeht".

"In erster Linie ist es eine verpasste Chance, weil aktuell ein Aufmerksamkeits-Vakuum im deutschen Fußball herrscht."
Markenexperte Christopher Spall über das frühe WM-Aus der DFB-Frauen.

Diese Angst kann ihr Markenexperte Christopher Spall nicht ganz nehmen. Im Gespräch mit watson sagt der Image- und Marketing-Experte, der unter anderem auch schon Rewe beriet: "In erster Linie ist es eine verpasste Chance, weil aktuell ein Aufmerksamkeits-Vakuum im deutschen Fußball herrscht."

Laut Spall hätten die DFB-Frauen vor der WM die Tür einen Spalt geöffnet, um mehr Interesse für sich zu ergattern, weil die Männer-Nationalmannschaft katastrophale Leistungen zeigte und der FC Bayern München schwächelt. "Diese Entwicklung wird jetzt durch das peinliche Ausscheiden in einer durchschnittlichen WM-Gruppe unterbrochen", ordnet Spall ein und fügt an: "Kurzfristig geht die Aufmerksamkeit zurück."

DFB-Frauen: Markenexperte sieht langfristige Entwicklung

Dennoch bedeute das nicht das Ende für die Entwicklung des Fußballs der Frauen in Deutschland. Strategisch und langfristig sehe er eine "gesteigerte Aufmerksamkeit über die aktuelle Situation hinaus". Das hänge damit zusammen, dass es eine "gesteigerte Bedeutung des Frauen-Fußballs in den deutschen Profi-Vereinen" gebe.

Immer mehr Klubs haben in den vergangenen Jahren eine Frauen-Mannschaft gegründet und tragen damit zur Professionalisierung des Sports bei. Laut Spall kann dieser Aspekt über das WM-Aus hinweg positiv wirken und weiter für steigendes Interesse sorgen.

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Markenexperte Christopher Spall sieht im frühen Ausscheiden der DFB-Frauen in erster Linie eine verpasste Chance.Bild: spall.macht.marke

Um jedoch dem kurzfristigen Aufmerksamkeits-Abfall entgegenzuwirken, schlägt Spall beispielsweise eine Charity-Mixed-Partie aus Bundesliga-Spielern und -Spielerinnen vor. Da es ein neues Format sei, würde das die Aufmerksamkeit kurzfristig oben halten.

Langfristig führe der Weg zum hohen öffentlichen Interesse am Fußball der Frauen aber nur über sportliche Erfolge: "Am Ende entsteht eine Marke nur durch Leistung. Wenn die Leistungen der Frauen bei den nächsten beiden Turnieren aber ähnlich schlecht sind, wie die der Männer, dann wird es auch nichts mit der Begeisterung rund um den Fußball der Frauen in Deutschland werden", stellt Spall fest.

Dieses Interesse am Fußball der Frauen wird im Vergleich zu dem der Männer oft damit begründet, dass die Frauen noch nahbar seien und der Sport nicht so durchkommerzialisiert sei, wie bei den Männern.

Doch bereits vor dem Turnier hatte Alina Ruprecht, Expertin für Frauen-Fußball und Buch-Herausgeberin, im Gespräch mit watson gewarnt, dass sich die Frauen nicht zu sehr den Männern annähern dürften.

Während des Turniers machten die Spielerinnen auf ihren Social-Media-Accounts fleißig Werbung für das neue Google-Handy, erschienen davor regelmäßig in Tiktok-Videos der "Vogue" und waren in zahlreichen Youtube-Formaten auf dem Account des DFB zu sehen. Zusätzlich veröffentlichte Kapitänin Alexandra Popp kurz vor dem entscheidenden Spiel ihre Biografie.

Sind diese Aktionen bereits zu viel? Markenexperte Spall findet das nicht. Gegenüber watson sagte er klar: "Die Kommerzialisierung bei den Frauen sehe ich völlig unproblematisch." Vielmehr glaubt er, dass die Spielerinnen noch präsenter in der Gesellschaft werden müssen, damit sich noch mehr Menschen für den Fußball der Frauen interessieren.

"Ich glaube immer noch, dass ein Großteil der Menschen in Deutschland nur mit den Namen Lena Oberdorf oder Alexandra Popp etwas anfangen kann, aber andere Namen weitestgehend unbekannt sind", erklärt er.

Die WM mit einem sportlich starken Abschneiden wäre die große Möglichkeit gewesen, das zu ändern. Nun müssen die Frauen einen steinigeren Weg gehen, um weiter das Interesse am Frauenfußball zu steigern.

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