Ein halbes Jahr wurde Borussia Dortmund in der letzten Saison von einem Kamerateam begleitet. Ein halbes Jahr lang verrieten BVB-Spieler und Manager Persönliches und teilten Privates. Amazon machte daraus unter der Regie des Filmemachers Aljoscha Pause eine vierteilige Dokumentation. Der erste Teil startet am Freitag.
Die Dokumentation beginnt mit einer Beschreibung von BVB-Trainer Lucien Favre, er erklärt seine "Wir müssen das Spiel beherrschen"-Philosophie. Dann springt die Doku sofort ins Trainingslager nach Marbella. Zu einem Zeitpunkt, an dem der BVB die Bundesliga-Tabelle mit sechs Punkten Vorsprung anführte.
Die ersten Gänsehaut-Bilder folgen schnell: Untermalt von dramatischer Musik und emotionalen Aufnahmen von jubelnden Fans, Trainern und Spielern werden Spielausschnitte aus der Bundesliga aneinandergereiht. Einzelne Tore werden gezeigt und von Protagonisten und Journalisten kommentiert.
Die Doku blickt dann in die Vergangenheit zurück, die erhebliche Auswirkungen auf das Team und die derzeitige Gegenwart des BVB hat. "Am Ende war die Erkenntnis, dass wir zu sehr auf spielerische Elemente in der Zusammenstellung der Mannschaft geachtet haben und zu wenig auf den Rest", erklärt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Doku. "Und auch dieser Anschlag auf den Mannschaftsbus hat die Nachfolgesaison viel negativer geprägt hat, als wir uns das selbst in Albträumen hätten vorstellen können."
Die Doku bietet einen tiefen Einblick in die Ereignisse des Anschlags auf den Mannschaftsbus am 11. April 2017. Torwart Roman Bürki und BVB-Busfahrer Christian Schulz erzählen von dem Tag. "Wir waren nicht mal hundert Meter gefahren und plötzlich gibt es einen großen Knall, kurz darauf den zweiten und ich sehe Marc Bartra schreien", erzählt Torwart Bürki. "Das waren die schrecklichsten Minuten meines Lebens."
Drei Splitterbomben waren damals von einem Attentäter in einer Hecke positioniert worden. Die Mannschaft saß gesammelt im Fahrzeug, um zum Champions-League-Viertelfinale gegen die AS Monaco zu fahren, als die Bomben hochgingen.
Diese Erfahrung prägt einige Spieler bis heute, berichtet Marcel Schmelzer: "Wenn irgendwo etwas runterfällt oder es ein lautes Geräusch gibt, ist es leider immer noch so, dass man etwas mehr zusammenschreckt als früher." Während die Spieler die erschütternden Momente schildern, zeigt Filmemacher Pause immer wieder Schnittbilder aus dem Mannschaftsbus der Gegenwart. Die Doku schafft über zwei Jahre nach dem Anschlag etwas Besonderes: So nah war der Fan noch nie an den Ereignissen des 11. April 2017 dran.
BVB-Boss Watzke beschäftigt sich anschließend mit den Folgen der Ereignisse: "Es hatten uns schon einige vor posttraumatischen Problemen gewarnt, die sich sechs bis acht Monate später einstellen sollten. Und so war es auch". Weiter spricht er von personellen Wechseln, die wegen des Anschlags vorgenommen werden mussten.
Dortmunds Trainer Thomas Tuchel musste trotz des DFB-Pokal-Sieges nur wenige Wochen nach dem Anschlag gehen. Die Presse spekulierte damals, dass der Streit der Vereinsführung mit dem damaligen Trainer eskalierte. Tuchel prangerte öffentlich die Entscheidung der Uefa an, schon am kommenden Tag das Viertelfinale gegen die AS Monaco nachholen zu müssen. "Unmenschlich", nannte er die Entscheidung, der die BVB-Bosse aus Mangel an Alternativen zugestimmt hatten.
Innenverteidiger Marc Bartra, der sich bei dem Anschlag am schlimmsten verletzt hatte und wegen eines Handgelenkbruchs ins Krankenhaus musste, konnte durch das Trauma nie wieder zu alter Form finden und wechselte fast ein Jahr später zurück in seine Heimat Spanien.
"Du hast dann gemerkt, bei welchen Spielern es ging und bei welchen es vielleicht auch besser war, das Umfeld zu tauschen", erklärt Watzke die Situation in der Doku und gesteht Fehler ein. "Deswegen haben wir dann auch einen sehr großen Schnitt gemacht. Vielleicht hätte man das auch ein Jahr früher machen können."
Auf diesen emotionalen Höhepunkt der Dokumentation folgen ein geschichtlicher Exkurs in Dortmunds Fußballgeschichte – damit auch die weltweiten Amazon-Zuschauer nachvollziehen können, wie groß dieser BVB in der Region und in Europa tatsächlich ist.
Dazu gibt es spannende Einblicke in eine Spielanalyse der Elefantenrunde mit Watzke, dem externen Berater Matthias Sammer, Sportdirektor Michael Zorc und dem Leiter der Lizenzspielerabteilung Sebastian Kehl. Obendrauf gibt es noch die Transferanalyse des Neuzugangs Leonardo Balerdi, der aus Argentinien zum BVB wechselte. Für Nicht-Fans des BVB könnten die Szenen ziemlich langatmig wirken.
Neben ausgiebigen Lobgesängen auf Spieler wie Axel Witsel und Jadon Sancho nimmt die Folge zum Ende hin noch mal Fahrt auf. Reus tritt vor die Kamera, erzählt von seinen Verletzungsrückschlägen und dem Weg zurück an die Spitze. "Die Verletzungen waren ein schwieriges Unterfangen für mich, auch vom Kopf her", sagt Reus, während er zur intensiven Knie-Massage beim Physiotherapeuten des BVB auf der Liege sitzt. "Trotzdem sind es nur Verletzungen, manchen geht es noch schlechter." Und Reus betont, dass die Blessuren sehr lehrreich für ihn waren: "Ich bin fest im Leben angekommen." Er meint damit seine private Situation: Reus wurde Ende März Vater.
Der erste Teil der Dokumentation endet mit der spielerischen und emotionalen Aufarbeitung der Niederlage im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Werder Bremen. Aufnahmen, die bei Fans zu einem erhöhten Puls führen. Die richtig großen Überraschungen und beeindruckenden Bilder bleiben allerdings aus. Dafür dürften jedoch die kommenden Folgen sorgen.
Wer den ersten Teil der vierteiligen Doku "Inside Borussia Dortmund" mit allen Details schauen will, kann dies ab Freitag, dem 16. August, bei Amazon Prime tun. Jeden Freitag wird eine Folge veröffentlicht.