
Max Eberl suchte am Deadline-Day nach Lösungen – gefunden hat er nur Nicolas Jackson.foto: imago images / Eibner-Pressefoto
Analyse
Der FC Bayern wollte im Sommer mit Florian Wirtz und Nick Woltemade zwei Top-Transfers landen – und bekam beide nicht. Am Ende bleiben 70 Millionen für Luiz Díaz und ein fragwürdiger Jackson-Deal – Sinn und Plan sucht man vergeblich.
02.09.2025, 07:3502.09.2025, 07:35
Es gab Zeiten, in denen die Sache klar war: Wenn das Telefon klingelte, war das Ergebnis absehbar. Ein Anruf aus der bayerischen Landeshauptstadt München bedeutete für Spieler: Bayern will dich – und Bayern bekommt dich. Der Rekordmeister stand ganz oben in der Nahrungskette. Jäger, Alpha, der Klub, an dem es kein Vorbeikommen gab.
Heute sieht das anders aus. Der FC Bayern ist nicht mehr der Haifisch im Becken, sondern ein Angler am Rand – mit dem Kescher in der Hand, in der Hoffnung, dass die großen Haie etwas übrig lassen. Der Transfersommer 2025 hat das schonungslos offengelegt.
Bayerns verpasste Chancen: Wirtz, Woltemade, Nkunku etc.
Die Liste der geplatzten Deals ist lang – und sie tut weh. Allen voran der gescheiterte Transfer von Florian Wirtz. Wochenlang schien es so, als hätte Uli Hoeneß höchstpersönlich den Deal eingefädelt, die Familie überzeugt, die Bühne bereitet.
100 Millionen Euro wollten die Bayern in die Hand nehmen, am Ende wechselte Wirtz für ein Paket von bis zu 150 Millionen Euro zum FC Liverpool. Statt Königstransfer also Königstribüne: Die Münchner blieben Zuschauer.
Ähnlich lief es bei Nick Woltemade. Mit dem Spieler war man sich längst einig, doch an der Ablöse biss sich Bayern die Zähne aus. Ein Wechsel 2026 schien möglich – nun aber kam die Wende: Der deutsche Nationalspieler ging für 90 Millionen Euro nach Newcastle. Ein Klub, der für Bayern sportlich kein Maßstab ist, kauft heute Spieler weg, die früher selbstverständlich in München gelandet wären. Bitterer lässt sich der neue Status kaum beschreiben.

Nick Woltemade ist jetzt Teil der "Magpies".Bild: PA / Nigel French
Und dann war da noch Christopher Nkunku. Zwar nie die oberste Priorität, aber ein Name, der Bayern vor ein paar Jahren nicht durch die Finger geglitten wäre. Chelsea bot ihn zum Verkauf an, Bayern wollte nur leihen – und am Ende zog der Franzose weiter nach Mailand. Dreifach-Ohrfeige für den Rekordmeister: Wirtz weg, Woltemade weg, Nkunku weg.
Was bleibt: Luis Díaz und ein Kader mit Lücken
Natürlich: Mit Luis Díaz kam ein prominenter Name. Ein Top-Spieler, zweifellos. Aber 70 Millionen Euro für einen 28-Jährigen, dem man den letzten großen Vertrag ermöglicht, wirkt nicht wie ein Masterplan. Díaz bringt Qualität – aber er bringt keine Breite. Und genau die fehlt.
Denn: Mit Kingsley Coman hat man einen Spieler ziehen lassen, der, auch wenn er nicht mehr der große Unterschiedsspieler war, in Normalform für Breite und Verlässlichkeit gesorgt hatte. Mit Paul Wanner verlor man zudem ein Talent, das in Eindhoven die nächsten Schritte gehen wird. Das Ergebnis: Hinter Harry Kane stehen in der Offensive Díaz, Serge Gnabry und Michael Olise. Fällt einer aus, herrscht Notbetrieb. Fällt mehr als einer aus, brennt es lichterloh.
Der Jackson-Deal: Quatsch mit Soße
Und jetzt also Nicolas Jackson. Ausgerechnet. Ein Stürmer, den Chelsea mehr oder weniger aussortiert hat, soll die Münchner Offensive retten – für eine Leihgebühr laut "Sky" von 16,5 Millionen Euro, dazu ein Gehaltspaket von bis zu 14 Millionen und eine Kaufpflicht über 65 Millionen Euro, wenn er auf genügend Einsatzzeit kommt. Macht im Worst Case fast 100 Millionen.

Der neue Mann beim deutschen Rekordmeister: Nicolas Jackson.Bild: FR170982 AP / Chris Szagola
Das Problem: Bayern braucht keinen reinen Stürmer für das Geld. Mit Harry Kane ist die Neun perfekt besetzt. Mit Jonah Kusi-Asare hätte man zudem ein junges, entwicklungsfähiges Talent als Backup im Kader.
Gebraucht wird Verstärkung auf den Flügeln oder im offensiven Zentrum – genau dort, wo Jackson nichts anbietet. Er ist ein Stürmer. Dazu steht bereits jetzt fest, dass er mindestens zwei Monate fehlen wird. Mit dem Senegal wird er vom 21. Dezember bis spätestens 18. Januar beim Afrika-Cup spielen.
Kurz gesagt: Ein Transfer, der weder sportlich sinnvoll noch finanziell vernünftig ist.
Die Premier League enteilt der Bundesliga
Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort liegt auf der Insel. Christoph Freund brachte es auf der Pressekonferenz vergangene Woche auf den Punkt:
"Sie haben brutale Möglichkeiten in der Premier League, nicht nur ein oder zwei Vereine. Newcastle ist ein gutes Beispiel. Sie waren in den letzten Jahren nicht absolute Spitze – und können jetzt trotzdem Summen bezahlen, die für uns unmöglich sind."
Vincent Kompany ergänzte aus eigener Erfahrung:
"Als ich mit Burnley aufgestiegen bin, kam plötzlich TV-Geld in Höhe von 100 Millionen. Damit konnten wir mit Frankfurt oder Wolfsburg um Spieler konkurrieren. Das ist die Realität: Jeder Klub in England spielt in einer finanziellen Liga, die wir in Deutschland nicht erreichen können."
Das Ergebnis: Die Bundesliga wird immer stärker zur Ausbildungsliga. Spieler müssen gar nicht mehr jahrelang dominieren – ein, zwei gute Saisons reichen, um den Sprung nach England zu schaffen. Und Bayern, einst das Nonplusultra der Karrieren, verliert diesen Status zusehends.
FC Bayern: Sportvorstand Max Eberl wirkt planlos
Doch so leicht darf man es sich nicht machen. Ja, die Premier League ist enteilt. Aber auch innerhalb dieser neuen Realität muss man sich fragen: Wo bleibt der Plan? Max Eberl trat mit dem Anspruch an, Breite und Qualität zu sichern. Das Ergebnis: 70 Millionen für Diaz, ein aussortierter Jackson, Abgänge auf dem Flügel und eine dünne Kaderdecke.
Während Newcastle und Liverpool Bayern die Wunschspieler wegschnappen, wirkt München planlos. Statt frühzeitig auf Alternativen zu setzen, verrannte man sich wochenlang in Pokern, die nie zu gewinnen waren. Statt Talente wie Wanner zu halten, lässt man sie ziehen – und holt gleichzeitig Spieler, die nicht ins Profil passen.
Unterm Strich bleibt ein Transfersommer, der Bayern die Realität brutal vor Augen führt. Die Zeiten, in denen der Klub mit einem Anruf alles klarmachte, sind vorbei. Diesen Sommer angelte man am Rand, hoffte auf Resterampe-Deals und zahlte Mondpreise für Spieler, die man eigentlich nicht braucht.
Die Diagnose ist klar: Die Premier League ist finanziell enteilt. Doch das entbindet die Bayern nicht von Verantwortung. Die Kaderplanung ist misslungen, die Strategie unklar, die Schlagkraft geschwächt.
Und Max Eberl? Muss sich fragen lassen, ob er der Richtige ist, um für den Rekordmeister nur mit dem Kescher am Rand zu stehen.
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