Buhrufe, Pfiffe und sogar lautstarke "Hainer raus"-Rufe sorgen für ein beispielloses Ende der Mitgliederversammlung des FC Bayern. Das Thema Katar spaltet – insbesondere den Rekordmeister. Am Ende kam Ehrenpräsident Uli Hoeneß noch nicht einmal zu Wort.
Er stand schon am Rednerpult. Doch Hoeneß, der die in einem beispiellosen Chaos endende Jahreshauptversammlung des FC Bayern München über Stunden wenige Sitzplätze neben dem ebenfalls ausharrenden Trainer Julian Nagelsmann schweigend verfolgt hatte, verließ das Podium nach kurzer Zeit – ohne etwas gesagt zu haben. Der Aufstand einer Fan-Opposition mit Pfiffen und Buhrufen gegen die Bayern-Bosse mit Präsident Herbert Hainer als zentraler Reizfigur war beim Streitthema Katar-Sponsoring eskaliert.
Schon vor der Versammlung hatte Alexander Salzweger, Sprecher der übergeordneten Fan-Vereinigung "Club Nr. 12" erklärt, dass das Katar-Sponsoring aus vielen Gründen problematisch sei.
"Nicht nur hat sich Katar eine WM gekauft, auch hat der Staat in den letzten Jahren gezeigt, dass offenbar trotz vieler Appelle kaum Wille zur Besserung der Situation der Arbeiter vor Ort, aber auch der Menschenrechtslage im Speziellen zu erkennbar ist", sagte er gegenüber watson. Und weiter: "Dass man rein formal nicht mit dem Staat einen Vertrag hat, sondern mit der staatseigenen Fluggesellschaft, macht es natürlich nicht besser."
Lautstarke "Hainer raus, Hainer raus"-Rufe hallten um Mitternacht durch den Audi Dome, weil der Präsident am Donnerstagabend nach fünf Stunden Versammlung um Mitternacht die Wortbeiträge abrupt stoppte. Ein ausgebremstes Mitglied stellte sich prompt auf einen Stuhl und hielt seine Rede einfach ohne Mikrofon. Es waren bizarre Szenen, die sich in der Spielstätte der Münchner Basketballer abspielten.
"Wir sind Bayern – und ihr nicht", riefen die empörten Mitglieder – und auch: "Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt." Der verstörte und fassungslose Hoeneß sagte dem "Kicker" bei seinem Abgang vom Versammlungsort: "Darüber muss ich erst einmal schlafen. Das war die schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe."
Auch Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland, hatte schon vor der Versammlung gegenüber watson seine Kritik geäußert: "Es wäre schön, wenn der FC Bayern auf seine Fans achten würde. Die Verantwortlichen machen es sich zu leicht mit dem Sponsoring durch Qatar Airways. Das ist ein Staatsunternehmen. Dadurch machen die Münchner Werbung für den Staat und sorgen dafür, dass sich die Missstände in dem Land nicht verändern."
Grundsätzlich fände er es gut, wenn es für die Reputation der Vereine schlecht wäre, Sponsorendeals mit "solchen Staaten" einzugehen. Sollte das eintreten, würden die Vereine dann aus Eigeninteresse nicht mehr mit Staatsfirmen Deals eingehen, deren Heimatländer beispielsweise die Menschenrechte missachten.
Dabei lief die Versammlung lange Zeit durchaus harmonisch, auch wenn Corona den Rekordmeister gerade sportlich in der vierten Welle und seit dem Frühjahr 2020 ausdauernd finanziell belastet. Oliver Kahn hielt seine erste Rede als Vorstandschef und Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge. Er warnte vor "unbegrenzten" Investoren-Geldern bei einigen Clubs in Europa und sprach von dem "fundamentalsten Wandel", den der Fußball gerade erlebe.
Spätestens beim Tagesordnungspunkt Anträge kochte die Stimmung hoch. Ein Spontanantrag des Mitglieds Michael Ott, über die Beendigung der Partnerschaft mit Qatar Airways nach Vertragsende 2023 abzustimmen, wurde von Vizepräsident Dieter Mayer mit Verweis auf eine am selben Tag vom Münchner Landgericht getroffene Entscheidung abgeschmettert.
Auch Otts Antrag, dass der Verein weiter 75 Prozent der Anteile an der FC Bayern AG halten soll und nicht noch fünf Prozent veräußern könnte, verfehlte die erforderliche Dreiviertelmehrheit.
Wegen der verschärften Corona-Regeln waren nur knapp 800 Mitglieder anwesend, darunter augenscheinlich viele Hardliner. Das Plenum repräsentierte vermutlich nicht die mehr als 290.000 Mitglieder. Es gebe noch keine Entscheidung zur Zukunft des Katar-Sponsorings, sagte Hainer. "Wir werden den Vertrag erfüllen", sagte er aber zur laufenden Geschäftsbeziehung mit Katars Fluglinie.
Man habe "klare Kriterien, an denen wir Partnerschaften ausrichten", sagte Kahn ruhig. Der Vorstandschef warb bei der Menschenrechtsfrage im Gastgeberland der Fußball-WM 2022 für den Dialog. Das sei besser als ausgrenzen und ausschließen.
Kahn bekam für seinen ersten Auftritt als Rummenigge-Nachfolger von den Fans in den sozialen Medien zumindest etwas Lob. Ein User lobte seine empathische und ruhige Art im Vergleich zu Präsident Hainer und den weiteren Vorstandsmitgleidern.
So fand ein User ihr Verhalten "arrogant, patzig, unverschämt, unsouverän, herablassend."
Dennoch waren auch nicht anwesenden Mitglieder "Selten so stolz auf die Fans/Mitglieder vom FC Bayern gewesen". Gleichzeitig erklärte ein User aber auch, dass er noch nie so enttäuscht vom Präsidium gewesen sei.
(Mit Material von dpa)