Zuerst wollte sich Joshua Kimmich nicht impfen lassen, dann vielleicht doch – aber bevor er soweit war, hat er sich nun also mit Corona infiziert. Mediziner würden wohl sagen, dass es eine Frage der Zeit gewesen sei.
Jetzt fehlt der 26-Jährige Mittelfeldspieler für 14 Tage, wird wohl erst am 9. Dezember wieder einsatzbereit sein, wenn er dann symptomfrei und negativ getestet ist. Das heißt: Der Nationalspieler wird auch im Bundesliga-Top-Spiel gegen Dortmund (4. Dezember, 18.30 Uhr) fehlen.
Dadurch fehlt Kimmich auch in einem der wichtigsten Spiele der Saison und könnte die Saisonziele der Bayern gefährden. Fördert das eine Spaltung im Bayern-Kader? Könnte Kimmich dadurch an Ansehen innerhalb der Mannschaft verlieren, weil er die Team-Ziele gefährdet?
Sportpsychologe René Paasch ist zwiegespalten, ob die Infektion von Kimmich eine Auswirkung auf das Team haben könnte: "Ich glaube, dass sie damit umgehen können. Zumindest bewusst. Unterbewusst ist es etwas anderes, weil man nicht weiß, was der positive Fall von Kimmich mit den Profis macht und welche Einstellung sie zu dem Thema entwickeln. Es kann natürlich dafür sorgen, dass das Team wacklig wird."
Er ist Dozent für "Life Coaching" an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Unna und begleitete unter anderen deutsche Athleten bei Olympischen Spielen oder Spieler von Schalke 04 und Juventus Turin.
Gleichzeitig fügt er an: "Ich glaube, dass die Spieler mental sehr stark aufgestellt sind, weil sie viel in der Karriere erlebt haben und damit umgehen können." In diesem Punkt ist er der gleichen Meinung wie Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Vor dem Spiel gegen Dynamo Kiew hatte der 34-Jährige betont: "Am Ende glaube ich nicht, dass das Team daran zerbricht, sondern es wird an der Situation wachsen."
Sollte es dennoch zu Uneinigkeiten im Bayern-Kader kommen, hat Paasch einen speziellen Rat: Offene Kommunikation. Er sagt: "Es ist jetzt wichtig, dass sich das Team offen an einen Tisch setzt und Kimmich über seine Entscheidung und Beweggründe spricht. Dann können die Mitspieler vielleicht auch Verständnis aufbringen, warum er sich nicht geimpft hat und jetzt infiziert ist. Ob sie es akzeptieren, ist eine andere Sache."
Gleichzeitig fordert Paasch auch die Spieler auf, die gegenüber Kimmichs Entscheidung skeptisch sind, offen zu reden: "Auch die Spieler, die Bedenken gegenüber Kimmich haben, sollten sich ganz offen äußern, damit es keine negative Wirkung auf das Team gibt." Ein Schlüssel sei von beiden Seiten Transparenz: "Kimmich muss erklären, warum er sich nicht impfen ließ. Dadurch kann er Vertrauen zum Team aufbauen."
Aber nicht nur die Meinung innerhalb des Bayern-Kaders könnte gespalten sein. Auch auf die Impfkampagne könnte das lange Zögern von Kimmich einen negativen Aspekt gehabt haben. Paasch erklärt: "Impfgegner könnten das lange Zögern von Kimmich für ihre Zwecke missbrauchen. Das hätte ihm vorher bewusst sein müssen, dass diese Menschen auf den Zug aufspringen werden."
Gleichzeitig sieht Paasch, dass die Meinungsänderung von Kimmich zur Impfung, die kurz vor seiner Infektion schon bekannt wurde, auch positiv ist. Paasch führt aus: "Eine Meinungsänderung von Kimmich wäre ein klares und gutes Signal der Gesellschaft gegenüber, dass man
Dinge hinterfragen kann und trotzdem offen sein kann, wenn man von Dingen überzeugt wird."
Ob Kimmich vollends überzeugt ist, wird sich nun nach der Corona-Erkrankung zeigen und besonders daran messen lassen, ob sich der Mittelfeldspieler mit dem richtigen zeitlichen Abstand auch als Genesener impfen lässt.