"Es gibt einen Zeitraum im Monat", sagt Lena Oberdorf, "da hasse ich es, eine Frau zu sein". Oberdorf meint ihre Periode. Oder Regelblutung. Oder wie auch immer man die Phase des Menstruationszyklus nennen möchte, in der die Gebärmutter ihre Schleimhaut abstößt.
Die Fußballerin ist nicht die einzige, die offen anspricht, was die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft. Immer mehr Sportlerinnen reden über ihre Periode. Golferin Lydia Ko oder Skirennläuferin Mikaela Shiffrin brachen bereits das Tabu, sprachen davon, dass die Regelblutung ihre Leistungsfähigkeit einschränke. Und die Öffentlichkeit? Wie reagiert die darauf?
Im Fall von Lydia Ko verschlug es einem Journalisten die Sprache, während der Übersetzer im Fall von Shiffrin den Menstruationszyklus (englisch "Cycle"), der ihr zu schaffen machte, mit dem "Cycling", also Radfahren, verwechselte. Ein vermeintlich witziger Übersetzungsfehler, der zeigt: Wir sind noch lange nicht da, wo wir sein müssten.
Auch wenn in den vergangenen Jahren offener über den Umgang mit der Periode geredet wurde, ist die Reaktion darauf keine angemessene. Umso erfreulicher ist dafür die Nachricht, dass die Fußballerinnen von Manchester City den Menstruationszyklus aus der Tabuzone holen wollen.
Gemeinsam mit Snuggs, einem in Berlin ansässigen Unternehmen für Periodenwäsche, hat der Klub eine Kampagne ins Leben gerufen. Die Botschaft: Frauen brauchen Zugang zu zeitgemäßen Menstruationsprodukten. Deshalb stattet Snuggs alle Spielerinnen der Girls' Academy mit ihrer Periodenunterwäsche aus. Darüber hinaus wollen sie die nächste Generation von Spielerinnen nachhaltig über die Periode aufklären. Ein Programm dafür sei noch in der Entwicklung.
Aber inwiefern ist damit Sportlerinnen wirklich geholfen?
Der Zugang zu Menstruationsprodukten ist ein globales Problem. Weil Tampons, Menstruationstassen oder Periodenunterwäsche nicht kostenlos sind. Snuggs wirkt dem entgegen, stattet junge Fußballerinnen mit Periodenunterwäsche aus.
Das ist löblich, verkennt aber die Tatsache, dass Mädchen und Frauen selbst entscheiden sollten, mit welchem Menstruationsprodukt sie sich am wohlsten fühlen. Nicht jede mag den Komfort von Periodenunterwäsche, das Gefühl von viel Stoff zwischen den Beinen, während man zum Sprint ansetzt oder in den Zweikampf geht.
Auch wenn die Kampagne, wohl wissend, dass es das Image des Unternehmens verbessert, gute Absichten verfolgt, bleibt ein Problem bestehen: Noch immer müssen Sportlerinnen Geld für Periodenprodukte ausgeben, um sich zu schützen. Und um zu verhindern, dass auf ihren Hosen Blut ist, das niemand sehen will.
Die Periode hat nicht nur finanzielle Auswirkungen auf menstruierende Personen, Scham und Angst sind ein ständiger Begleiter. Allein der Gedanke an einen sichtbaren Blutfleck löst in den Köpfen vieler Sportlerinnen Angst aus. Angst, die unterschwellig die Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen beeinträchtigen kann. Das zeigen Studienergebnisse, zum Glück!
Die englischen Fußballerinnen dürfen also hoffen, dass sie ihren Ausrüster Nike nicht darum bitten müssen, in weißen Hosen zu spielen. Nicht schon wieder, wohlgemerkt. Denn bei der EM 2022 wehrten sich die "Lionesses", die Löwinnen, wie man das englische Team auch nennt, gegen den Dresscode, ganz in Weiß zu spielen. Sie forderten blaue Hosen. Die bekamen sie, aber nicht für das Finale, das gewannen sie in Weiß. Sondern für die WM 2023, ein Jahr später.
Es ist endlich an der Zeit, dass Sportlerinnen selbstbestimmt entscheiden dürfen. Und dass sie keinen Dresscode auferlegt bekommen. Egal ob es die Farbe ihrer Hose betrifft oder die Wahl ihres Menstruationsprodukts. Schließlich geht es darum, dass sie sich wohlfühlen. Und zu Höchstleistungen imstande sind. Für viele Sportlerinnen ist das jedoch ein logistisches Hindernis.
Der Menstruationszyklus ist nicht auf den Wettkampfkalender ausgerichtet. Das weibliche Organ träumt nicht von Medaillen, es folgt den Gesetzmäßigkeiten eines etwa 26- bis 34-tägigen Zyklus. Ob nun das Endspiel der Champions League vor der Tür steht oder die Chance ereilt, einen Triathlon zu gewinnen, der Gebärmutter ist das egal.
Die Erfahrung machte auch Emma Pallant-Browne. Die britische Ausdauerathletin lief beim 100-Kilometer-Triathlon im Juni 2023 auf Ibiza als Vierte ins Ziel. Auf ihrem rosafarbenen Badeanzug war ein Blutfleck zu sehen. Pallant-Browne hatte während des Rennens ihre Periode bekommen.
Später landete ein Foto davon auf Instagram, jemand kommentierte: "Nicht das schmeichelhafteste Bild – sicherlich kann man es etwas besser zuschneiden." Auch Jahre später pinnt das Foto ganz weit oben auf dem Instagram-Kanal von Pallant-Browne. Peinlich sei ihr der Moment nie gewesen. Schließlich habe es lange gedauert, bis sie ihre Periode wiederbekam.
Was viele Sportlerinnen in den Erdboden versinken lässt, habe Pallant-Browne mit Stolz erfüllt. Sie versteht ihre Menstruation als Indikator für ihre Gesundheit, auch wenn viele das anders sehen.
Denn viele Sportlerinnen wollen ihre Tage während der Wettkämpfe erst gar nicht kriegen. Darum nehmen sie die Pille häufig durch oder lassen sich von Ärzt:innen hormonell behandeln. Sie setzen freiwillig auf ein Medikament mit zahlreichen Nebenwirkungen wie Libido-Veränderung, depressive Verstimmung oder Thrombose. Vorsorge, die eigentlich ein Skandal sein sollte.
Sich jedoch über die Sportlerinnen zu empören, wäre angesichts der Schmerzen, die übrigens nicht weniger weh tun können als eine leichte Zerrung, vermessen. Vielmehr sollte man sich über ein System echauffieren, dass die Gesundheit von Frauen nicht ernst nimmt. Und woran auch keine Kampagne etwas ändern kann.
Der Bericht "The Female Athlet Health Report" verdeutlicht, wie ernst Menstruationsbeschwerden von Patientinnen genommen werden. Aus einer Umfrage unter 769 britischen Sportlerinnen geht hervor, dass 30 Prozent der Frauen schon einmal von ihren Ärzt:innen gesagt bekommen haben, dass das Ausbleiben der Periode "normal" sei. Weitere Untersuchungen blieben aus, die hohen Trainingsumfänge seien der Grund dafür.
Was häufig außer Acht gelassen wird: Wenn der Ursache für das Ausbleiben der Periode nicht nachgegangen wird, laufen Sportlerinnen Gefahr, an dem Relativen Energiedefizit-Syndroms zu erkranken.
Das Relative Energiedefizit-Syndrom, kurz RED-S genannt, kann zu hormonellen Störungen, Ermüdungsbrüchen und Leistungseinbußen führen und entsteht, wenn die körpereigenen Fettreserven über einen längeren Zeitraum erschöpft werden, die Energiezufuhr durch die Nahrung aber nicht ausreicht. Ein Defizit, das unbeabsichtigt eintreten kann, wovon Frauen aber häufiger betroffen sind als Männer.
Dass das Ausbleiben der Periode ein Symptom von RED-S ist, wissen oft nur Sportlerinnen, die selbst davon betroffen sind. In der Trainerausbildung wird darüber kaum geredet. In der Sportwissenschaft wurde der Menstruationszyklus lange ignoriert. Viele Trainingsansätze basieren auf der Biologie von Männern.
Auch wenn das zyklusbasierte Training inzwischen Anklang findet, ist nicht ausreichend belegt, in welcher Phase des Zyklus, wie am besten trainiert werden soll. Das zeigen Überblicksstudien.
Fest steht dafür: Die sogenannte "Gender Data Gap", die Datenlücke zwischen Sportlern und Sportlerinnen, muss geschlossen werden. Die Menstruation ist keine Privatsache, sie gehört ernst genommen. Genauso wie Sportlerinnen, die keine weißen Hosen tragen wollen. Oder die, die für eine Kampagne posieren. Weil sie sich in Unterwäsche zeigen, die niemand sehen will.