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FC Bayern: Robert Lewandowski verletzt – ein Dilemma, aber auch eine große Chance

In Schieflage geraten: Stürmer Robert Lewandowski (r.) fällt knapp einen Monat aus, der FC Bayern steht vor der kniffligen Aufgabe, ihn zu ersetzen.
In Schieflage geraten: Stürmer Robert Lewandowski (r.) fällt knapp einen Monat aus, der FC Bayern steht vor der kniffligen Aufgabe, ihn zu ersetzen.Bild: imago images/ActionPictures
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Ausfall von Lewandowski zeigt Dilemma auf – kann aber auch große Chance sein

29.02.2020, 10:46
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Robert Lewandowski spielt immer, er trifft immer und er ist nie verletzt.

Das, was nicht passieren sollte, und eigentlich auch nicht passieren darf, ist nun eingetreten: Der Topstürmer des FC Bayern München, der in 33 Pflichtspielen schon 39-mal traf, fällt knapp vier Wochen aus. Der 31-jährige Pole hatte sich im Achtefinalhinspiel der Champions League gegen Chelsea FC einen Anbruch der Schienbeinkante am linken Kniegelenk zugezogen, verpasst laut Vereinsangaben mindestens die kommenden fünf Spiele. Unter anderem das Pokalviertelfinalspiel gegen den FC Schalke 04 und auch das Rückspiel gegen Chelsea in München.

Es sind nur fünf Spiele – geht es nach der Prognose des FC Bayern. Der Berliner Sport-Orthopäden Dr. Thorsten Dolla warnte in der "Bild" hingegen, dass eine solche Verletzung sechs bis acht Wochen bis zur kompletten Heilung und damit zur Vollbelastung benötige.

Doch wer soll jetzt in diesen wichtigen Spielen die Tore schießen? Es zeigt sich nun wieder deutlich das Dilemma des FC Bayern: Der Klub ist sehr vom Torschützenkönig der vergangenen beiden Spielzeiten abhängig, und hinter Lewandowski hat der FCB keinen weiteren Mittelstürmer im Kader, der qualitativ mit dem Polen mithalten kann.

The football boot of Robert Lewandowski of Bayern Munich displaying LEWY & Poland flag during the UEFA Champions League round of 16 1st leg match between Chelsea and Bayern Munich at Stamford Brid ...
Diese Füße können fünf Wochen keine Tore schießen. Bild: imago images/PRiME Media Images/andy rowland

Das Lewandowski-Dilemma des FC Bayern: Große Abhängigkeit, kein Backup

Es gibt seit Sandro Wagner oder Claudio Pizarro, die in den vergangenen Jahren Backup-Angreifer waren, keinen Stürmer mehr im Team des FCB, der Lewandowski ersetzen könnte. Kein Wunder: Lewandowski gilt eigentlich als stets gesund, einen Ersatzstürmer auf Topniveau muss sich der Rekordmeister daher eigentlich nicht auf die Gehaltsliste setzen. Außerdem sorgt das im Zweifelsfall nur für Unzufriedenheit auf allen Seiten: Lewy spielt nämlich nur immer, er will auch immer spielen, und die wenigsten Stürmer wollen die Bank wärmen, um den Polen im Notfall zu ersetzen.

Sandro Wagner wollte irgendwann nicht mehr auf der Bank schmoren.
Sandro Wagner wollte irgendwann nicht mehr auf der Bank schmoren.Bild: imago sportfotodienst/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Das belegen die Flucht Wagners im Januar 2019 nach China und auch folgende Transferanekdote aus dem vergangenen Sommer: Die Verantwortlichen beim FC Bayern sollen damals intensiv über eine Lösung nachgedacht haben, einen Mittelstürmer zu kaufen, der den ehemaligen Dortmunder entlasten könnte – immerhin spielen die Bayern in drei Wettbewerben, in denen sie jeweils den maximalen Erfolg anpeilen. Der Rekordmeister hatte zum Beispiel seine Fühler in Richtung des Ex-Frankfurters Sébastien Haller ausgestreckt. Es habe sogar Gespräche mit den Beratern des Stürmers gegeben. Das berichtete damals die "Frankfurter Rundschau".

Haller wäre von der Physis, der Spielweise und seiner Torquote an Lewandowski herangekommen, – doch er sei als Ersatzspieler schlicht zu teuer gewesen. Außerdem wäre es für den erst 25-jährigen Franzosen der falsche Karriereschritt gewesen. Auch aus dem Werben um Dortmunds neuen Wunderstürmer Erling Haaland soll Bayern ausgestiegen sein, weil es schlicht für keine Partie Sinn ergeben hätte, den 19-jährigen Norweger zu verpflichten, weil man ihm, anders als der BVB, nur eine Perspektive bieten konnte: Lewandowski-Backup zu sein. Diese Situation dürfte einen Kauf von Nationalstürmer Timo Werner, der immer wieder mit Bayern München in Verbindung gebracht wird, nicht gerade begünstigt haben.

Lewandowski-Dilemma kann für FC Bayern eine Chance werden

Aber aus der Theorie zurück in die Praxis: Für die kommenden Spiele muss Bayern-Trainer Hansi Flick nun umdisponieren. Vor dem Spiel gegen Hoffenheim am Samstag wollte Flick noch nicht so viel verraten: "Es gibt viele Überlegungen. Aber ist immer gut, wenn der Gegner rätselt. Wir haben die eine oder andere Option."

Es kann vor allem eine Chance für ein großes Talent der Bayern sein: Joshua Zirkzee. Von Flick im November zu den Profis befördert, hat der 18-jährige Nachwuchsstürmer aus den Niederlanden bereits bei seinen ersten Einsätzen im Dezember seine Tauglichkeit unter Beweis gestellt. Bei seinen Einwechslungen gegen Freiburg und Wolfsburg hat er jeweils mit einem Tor das Spiel entschieden.

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Wann, wenn nicht jetzt? Hansi Flick (r.) könnte zumindest in den kommenden Bundesligaspielen auf Joshua Zirkzee setzen.Bild: imago images/Sven Simon/frank hoermann

In den anstehenden Bundesligaspielen gegen Hoffenheim, Augsburg und Union Berlin könnte der 1,93-Meter-Mann seine nächsten Schritte machen – eventuell sogar im kalten Wasser der Startelf. Hat bei einem Alphonso Davies ja ebenfalls geklappt. Trainer Flick hielt sich einen Tag vor dem Hoffenheim-Spiel noch sehr bedeckt: "Auch Joshua Zirkzee wird als Spieler des Kaders in die Überlegungen mit einbezogen."

Mit seiner Körpergröße und von seiner Position her kommt Zirkzee Lewandowski außerdem am ehesten nahe. Und wenn Zirkzee jetzt weiter behutsam aufgebaut wird und dies mit Leistung zurückzahlt, kann nicht nur er selbst davon profitieren, sondern am Ende das ganze Team. Dann hätte man einen Lewandowski-Backup aus den eigenen Reihen, der sich sicher auch wieder hinter dem Polen einordnen würde, wenn der wieder fit ist.

FC Bayern: Wer kann Lewandowski noch ersetzen? Flick hat mehrere Optionen

Doch es gibt für Flick natürlich auch einige weitere Möglichkeiten, das Loch, das der verletzte Pole ins Sturmzentrum gerissen hat, anderweitig zu stopfen – auch wenn erschwerend hinzukommt, dass die Außenstürmer Kingsley Coman und Ivan Perisic derzeit ebenfalls verletzt sind.

Serge Gnabry und Thomas Müller sind zwar andere Stürmertypen als Lewandowski, können aber im Notfall auch ganz vorne in der Spitze spielen. Leon Dajaku und Fiete Arp hingegen kommen eher nicht für einen Startplatz im Bayern-Sturm infrage. Zweiterer spielt derzeit nicht mal eine Rolle in der zweiten Mannschaft der Bayern.

v.li:David ALABA Bayern Muenchen, Alphonso DAVIES Bayern Muenchen, Lucas HERNANDEZ Bayern Muenchen, Aktion. Fussball 1. Bundesliga,23.Spieltag,Spieltag23, FC Bayern Muenchen M - SC Paderborn PB 3-2, a ...
Per Positionsrochade könnte auch Verteidiger Lucas Hernández (r.) Stürmer Robert Lewandowski ersetzen. David Alaba (l.) und Alphonso Davies (M.) müssten dafür auf andere Positionen rücken.Bild: imago images/Sven Simon/frank hoermann

Auch vorstellbar ist, dass Bayern wieder auf Dreierkette umstellt, auch wenn das gegen den SC Paderborn nicht optimal geklappt hat. Dann könnten zum Beispiel auch Müller und Gnabry einen Doppelsturm im 3-5-2-System bilden, mit Philippe Coutinho hinter den Spitzen.

Flick könnte auch ein 4-3-3 mit Müller als Stürmer spielen lassen und dabei das System so umstellen, dass Davies und Gnabry über die offensiven Außenpositionen wirbeln. Dann würde auch Rekordneuzugang Lucas Hernández mal wieder spielen, der dann für Davies auf die Linksverteidigerposition oder für Alaba in die Innenverteidigung rücken könnte. Alaba wiederum könnte wieder auf seiner angestammten Position hinten links spielen.

Fazit: Lewandowski ist nicht eins zu eins zu ersetzen, aber der Bayern-Kader gibt viele Möglichkeiten her

Fazit: Bayern kann Lewandowski nicht eins zu eins ersetzen, aber der Kader bietet genügend Optionen, um eine schlagkräftige Offensive zu formen – wie auch immer sie am Ende aussehen wird. Und es sind ja voraussichtlich auch nur fünf Wochen, bis Bayerns Topstürmer zurück ist.

Vielleicht kommt der Rekordmeister ja zukünftig auch gar nicht mehr ins Lewandowski-Dilemma, wenn die anderen Spieler im Kader in den nächsten Wochen beweisen, dass sie auch ohne Lewy-Tore Spiele gewinnen können.

(as)

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