Mit Pál Dárdai als Trainer qualifizierte sich Hertha BSC letztmals für den Europapokal. Nach viereinhalb Jahren machte der Ungar 2019 Platz für einen anderen Trainer. Die Trennung damals kam einvernehmlich.
Anderthalb Jahre später übernahm er nochmal die erste Mannschaft und verhalf der taumelnden Alten Dame zum Klassenerhalt, ehe ihn Geschäftsführer Fredi Bobic noch im selben Jahr wieder beurlaubte.
Nun ist Dárdai nur noch Zuschauer und um die Hertha steht es schlimmer denn ja: Im Vorfeld des schweren Spiels gegen Borussia Mönchengladbach (Sonntag, 15.30 Uhr) rangieren die Berliner auf einem direkten Abstiegsplatz und haben bereits fünf Punkte Rückstand auf das rettende Ufer.
Im Interview mit "wettbasis.com" erklärt Dárdai was seinem Herzensklub aktuell fehlt und warum Hertha im Abstiegskampf trotzdem hoffen darf.
"Ich sollte eigentlich nicht über Hertha BSC reden", leitet der 46-Jährige ein. Nach vierzehn Jahren als Spieler und neun Jahren als Funktionär liegt ihm der Verein noch immer am Herzen und Dárdai will durch sein Interview keine Unruhe schüren. Doch dass sich Hertha gerade in einer "schwierigen Situation" befindet, ist offensichtlich – damit verrät Dárdai keine Geheimnisse.
Gerade für die Psyche sei der Fehlstart ins neue Jahr (vier Niederlagen aus vier Spielen) belastend. "Es wurde gesagt, dass sie eine überragende Vorbereitung gemacht haben. Die Spieler haben gedacht, dass es läuft", erklärt Dárdai. "Dann kommen sie zur Rückrunde und es gibt erstmal eine böse Niederlage und nicht nur eine, sondern mehrere", kann sich der einstige Nationalspieler in die demoralisierten Profis hineinversetzen.
Daher gelte es nun in erster Linie "die Mannschaft psychologisch [zu] stabilisieren. Sie müssen erstmal an die eigene Stärke glauben", weiß Dárdai.
Sportlich sieht der einstige "Wadenbeißer" die Defizite überraschender Weise in der Offensive. "Viele Leute sagen, du gewinnst die Spiele mit defensiver Arbeit, aber das stimmt nicht", erklärt Dárdai, der auch als Trainer eher für defensive Stabilität als für ein Offensiv-Feuerwerk stand.
"Wenn man keine Spieler hat, die da vorne Tore machen, dann wird es schwierig. Und ich glaube, bei der Hertha ist das eine Schwierigkeit, Tore vorzubereiten und Tore zu machen", kommentiert Dárdai die miese Tor-Bilanz (1:13) des laufenden Kalenderjahrs.
Trotzdem traut er den Berlinern den Klassenerhalt zu, wenn sie "eng zusammenrücken". Gegen Gladbach würde Dárdai sogar auf einen Hertha-Sieg wetten.
"Sie haben Glück", beurteilt er Herthas Chancen im Abstiegskampf. Denn: "Da gibt es genug Mannschaften, die ähnliche Probleme haben, die nicht gut aussehen, die nicht gut gestartet sind, die wenige Tore erzielen", verweist er auf die schwächelnde Konkurrenz.
Davon, dass Dárdai selbst im Falle eines sich fortsetzenden Abwärtstrends als Trainer einspringen könnte, will er nichts hören. "Mit der Sache beschäftige ich nicht [...] Die sollen am Wochenende gewinnen und dann ist alles schön", wiegelt er ab. In erster Linie, weil er hofft – wie auch das Hertha-Präsidium um Kay Bernstein – dass auch mit dem aktuellen Trainer Sandro Schwarz der Klassenerhalt noch gelingt.
Dabei ist eine Dárdai-Rückkehr zu Hertha gar nicht mehr so utopisch wie noch vor ein Paar Monaten. Immerhin sind sowohl Investor Lars Windhorst, der die hohen Ansprüche einst mitbrachte, als auch Fredi Bobic, der am Ende gar nicht mehr gut auf Vereinslegende Dárdai zu sprechen war, inzwischen weg.
Auch Dárdais Co-Trainer Andreas "Zecke" Neuendorf musste unter Fredi Bobic' Geschäftsführung den Verein verlassen. Nach dem Bobic-Aus holte Präsident Bernstein die Hertha-Legende jedoch umgehend zurück. In Zukunft soll Neuendorf als Bindeglied zwischen Mannschaft und Geschäftsführung fungieren. Ähnlich dürfte auch Pál Dárdai inzwischen wieder eine Option sein – wenn auch nur als letzte Rettung, falls alle Stränge reißen.