Von außen wird häufig der Eindruck erweckt, Uli Hoeneß stehe beim FC Bayern über allem. Die "dpa" bezeichnete ihn einst als "Bayern-Patron vom Tegernsee". Die Vereinsgeschichte des deutschen Rekordmeisters ist mit keiner anderen Biografie so eng verwoben wie mit der von Uli Hoeneß. Das lässt er mitunter auch gern durchblicken.
Die Rolle von Hoeneß gleicht also in etwa der des fiktiven Medienmoguls Logan Roy aus der HBO-Serie "Succession". Roy macht darin seinen Kindern Hoffnungen, eines Tages sein Imperium zu übernehmen, schnell wird aber klar, wessen alleiniges Wort im Unternehmen von Bedeutung ist: nur sein eigenes. Uli Hoeneß ist der in der bayerischen Vereinshymne besungene Stern des Südens. Und seine Gravitation lässt alles um ihn herumkreisen.
Entsprechend schwierig ist es für andere Vereinsoffizielle stets gewesen, ihre eigenen Vorstellungen durchzubringen – selbst wenn sie eigens von Hoeneß, zumindest aber mit seinem Segen installiert wurden. Das mussten Hasan Salihamidžić und Oliver Kahn erst in diesem Sommer am eigenen Leib erfahren.
Auch der Trainer der Bayern, Thomas Tuchel, ist jemand, der sich selbst einiges an Mitspracherecht einräumt. Das hat bei seinen vergangenen Stationen in Dortmund, Paris und Chelsea bereits zu seinem Abgang geführt. Bei allen Klubs soll er sich mit den jeweiligen Sportdirektoren verkracht haben.
In München genießt Tuchel für einen Trainer weitreichende Vollmachten, war beispielsweise Teil der "Transfer-Taskforce" und durfte – zumindest nominell – bei der Entscheidungsfindung mitwirken, welche Spieler verpflichtet werden sollten.
Allerdings erzielte eben jene Taskforce nicht die Ziele, die sich Thomas Tuchel erwünscht hatte. Kyle Walker und João Palhinha sollten auf Wunsch des Bayern-Trainers kommen – beides scheiterte. Tuchel zeigte sich nach Ablauf des Transferfensters unzufrieden und äußerte sich auch öffentlich über den insgesamt dünn besetzten Kader.
Das wiederum gefiel Uli Hoeneß nicht, der Tuchel dafür rügte und sogar einräumte, dass er es bereue, Julian Nagelsmann entlassen zu haben. Nun soll ein klärendes Gespräch zwischen den beiden stattgefunden haben.
Der "Sport Bild" zufolge habe Hoeneß Tuchel darin gebeten, die Aussagen im Kontext zu verstehen. Er habe in einem längeren Gespräch verschiedene Themen adressiert, ihn als Trainer wollte er nicht angreifen. Außerdem sei, wie bereits zuvor vereinbart, erneut darüber geredet worden, dass Tuchel keine öffentlichen Forderungen nach Transfers stellen soll. Auch dürfte er den Kader nicht schlechter reden, als er ist.
Dem ist Tuchel seitdem nachgekommen. Vor der Champions-League-Partie der Bayern gegen Galatasaray Istanbul sagte er darauf angesprochen, wie sein Kader im Vergleich mit anderen Titelanwärtern aussehe: "Da ordne ich gar nichts ein, weil es nichts bringt."
Seine tatsächliche Meinung dürfte sich unterdessen nicht geändert haben, die Personallage der Münchner ist weiterhin angespannt. Hoeneß selbst ist mittlerweile einen Schritt auf Tuchel zugegangen: "Wenn gute Argumente dafür auf uns zukommen, sind wir grundsätzlich nicht dagegen", sagte er am Montag über mögliche weitere Transfers. Auch diese Aussage lässt keine Fragen darüber offen, wer beim FC Bayern den Ton angibt.