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Tuğba Tekkal beim 1. FC Köln: Eine Möglichmacherin stellt sich zur Wahl

In Köln hat Tuğba Tekkal Heimat gefunden.
In Köln hat Tuğba Tekkal Heimat gefunden.bild: Annika Guthke
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Der 1. FC Köln wählt – und mit Tuğba Tekkal vielleicht zum ersten Mal eine Frau

Tuğba Tekkal war Profifußballerin, ist Aktivistin und kandidiert nun für den Vorstand des 1. FC Köln. Gemeinsam mit Team Stroman will sie gestalten statt verwalten. Ihr Ziel: Vielfalt, Teilhabe und irgendwann Europa.
04.08.2025, 20:0305.08.2025, 08:19
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Fragt man Tuğba Tekkal, ob sich dieser Sommer nach Wahlkampf anfühlt, erzählt sie von ihrer Arbeit als Aktivistin. Gegen Ungerechtigkeit kämpfen, für Demokratie werben, Menschen für die gute Sache gewinnen, das sei schon immer Teil ihres Lebens gewesen. Reden, zuhören, Begegnung schaffen. Nichts Neues für sie, sondern Alltag.

Und trotzdem ist dieser Sommer anders. Tuğba Tekkal kandidiert für den Vorstand des 1. FC Köln. Aber nicht allein.

Der Anstoß dazu kam von außen. Carsten Wettich, langjähriges Gremienmitglied beim FC, sprach sie an. Die beiden kennen sich seit Jahren, trafen sich auf Veranstaltungen, im Stadion, am Geißbockheim. Einmal, erinnert sich Tekkal, habe er sie als Stadionsprecherin vorgeschlagen. Sie zögerte, sagte aber zu, für ein einziges Spiel bei den Frauen, dem FC zuliebe.

Später dann die größere Frage: Ob sie gemeinsam mit ihm und Wilke Stroman für den Vorstand kandidieren wolle. Erneut sagte Tekkal zu, diesmal ohne zu zögern, ohne eine Nacht darüber zu schlafen. "Er war überzeugt davon, dass jemand wie ich dem FC guttun könnte", sagt Tekkal heute. Was sie damit meint, wird innerhalb einer dreiviertel Stunde klar.

Tuğba Tekkal: Als "Minderheit in der Minderheit"

Ein Mittwochmorgen im Juli, Punkt zehn, Video-Schalte zwischen Berlin-Mitte und Köln-Sülz. Tuğba Tekkal, 40, schwarzes Haar, breites Grinsen, sitzt in ihrer Wohnung, der Hintergrund verschwommen. Sie hält ihr linkes Handgelenk in die Kamera, daran ein weißes Bändchen.

Gestern Abend habe es Grund zum Feiern gegeben, sagt Tekkal und wird sentimental. Sie erzählt von Sektgläsern, tollen Menschen und Tränen. Von zehn Jahren "Hawar Help". Eine Menschenrechtsorganisation, gegründet 2015, nach dem Völkermord an den Jesid:innen im Nordirak. Ins Leben gerufen von den Tekkal-Schwestern – Düzen, Tuna, Tezcan und Tuğba.

"Ich muss nicht die Erste sein."

Seither bauen sie Bildungsprogramme auf, leisten Aufklärungsarbeit, entwickeln Projekte – in Deutschland, Afghanistan, im Iran und im Irak. Eines davon heißt Scoring Girls. Fußball als Schlüssel zu Teilhabe. Ein Projekt, das Integration spielerisch gelingen lässt. Für Mädchen, viele aus Flüchtlingsfamilien, Menschen in der Minderheit.

Als Frau, als Jesidin, als Tochter kurdischer Eltern, sagt Tuğba Tekkal, sei sie in Deutschland "immer eine Minderheit in der Minderheit" gewesen. Sie kennt das Gefühl, nicht dazuzugehören. Freiheit und Anerkennung waren ihr fremd, bis sie gegen einen Fußball trat. Erst heimlich, später als Profi.

watson: Deinen ersten Profivertrag hast du beim HSV unterschrieben. Wie blickst du auf die Zeit zurück?

Tuğba Tekkal: Es war die schönste Zeit meines Lebens. Weil ich endlich das tun konnte, wovon ich immer geträumt hatte: Profifußball spielen. Erst zweite, dann erste Bundesliga.

Aber zugleich war es auch die schlimmste Zeit deines Lebens, hast du mal gesagt.

Es war das erste Mal, dass ich von zu Hause ausgezogen bin. Ich komme aus einer Großfamilie, habe zehn Geschwister – plötzlich war ich allein. Klar, ich habe mich mit ein paar Mitspielerinnen angefreundet, aber es war leise um mich herum. Vorher war immer Trubel. Jetzt fuhr ich zum Training, kam zurück und saß oft allein in meinem Zimmer. Auch der Umgangston war rauer. Jede kämpfte um ihren Platz. Es war nicht mehr wie in der vierten Liga, wo man sich kannte, vertraute, gemeinsam wuchs. Jetzt war es Leistungssport, Ellenbogen raus. Damit musste ich erst klarkommen.

Heute lebst du in Köln, hast dort deine Karriere beendet. Fiel das Ankommen dort leichter?

Ich habe hier ein Zuhause gefunden, vor allem durch den 1. FC Köln. Ich habe acht Jahre lang für den Verein gespielt, bin in dieser Zeit erwachsen geworden. Und ich habe in einer meiner schwierigsten Lebensphasen erfahren, was es heißt, echten Rückhalt zu bekommen. Als ich begonnen habe, mich für Menschenrechte zu engagieren, war ich noch aktive Spielerin. Und der FC hat mich einfach machen lassen. Mehr noch: Sie haben meinen Vertrag verlängert, obwohl klar war, dass ich seltener trainieren und spielen konnte. Weil sie gesagt haben: Wir wissen, was du machst und wir wollen dich unterstützen. Für mich kam danach kein anderer Klub mehr infrage.

Tuğba Tekkal sagt, sie habe Glück gehabt. Und dem Verein vieles zu verdanken. "Ich hatte Menschen um mich herum, die an mich geglaubt haben." Heute ist sie selbst diese Person für andere.

1. FC Köln: Mit Team Stroman von Europa träumen

Tuğba Tekkal verschwindet kurz aus dem Bild, huscht Richtung Balkon und kehrt mit leeren Händen wieder. Eigentlich wollte sie ihr Stück "Meisterrasen" zeigen. Ein Andenken an den 34. Spieltag der Zweitligasaison: Köln gegen Kaiserslautern, vier Tore, Meisterschaft, Aufstieg. Ein Tag, den sie nie vergessen wird.

Das bisschen Grün liegt seitdem in einer Espressotasse auf ihrem Balkon, auf einer Fensterbank in ihrem Garten, wenn es stürmt. So wie heute. Einen grünen Daumen habe Tekkal zwar nicht, trotzdem kümmere sie sich liebevoll darum. Vielleicht, sagt sie, sei es langsam an der Zeit umzutopfen.

Pflegen, was bereits gewachsen ist. So versteht sie auch ihr Vorhaben mit Team Stroman. Die drei wollen den Laden nicht umkrempeln, sagt Tekkal, dafür den FC "auf das nächste Level heben".

"Wir wollen gestalten, nicht verwalten", sagt Tekkal. Auch nicht an der Seitenlinie stehen und hineinrufen wie ein Trainer. "Wir wollen Möglichmacher sein." Wirtschaft, Vielfalt, Kommunikation, Fußball, Strategie. Expertise verteilt auf sechs Schultern. Wettich stehe für Kontinuität, Stroman und Tekkal für Aufbruch.

Tuğba Tekkal (v.l.n.r.), Wilke Stroman, Carsten Wettich kandidieren für den FC-Vorstand.
Tuğba Tekkal (v.l.n.r.), Wilke Stroman, Carsten Wettich kandidieren für den FC-Vorstand.bild: Annika Guthke

Dazu ein Elf-Punkte-Plan: Investitionen in den Frauenfußball, Ausbau des Nachwuchszentrums, 200.000 Mitglieder als Zielmarke, und, und, und. "Man muss realistisch groß träumen dürfen", sagt sie. Man wolle die Klasse halten, klar, sich im Mittelfeld etablieren. Und irgendwann: Europa. Das sei kein Hirngespinst, sondern ein Ziel, wenn man es langfristig vorbereite.

Der 1. FC Köln wählt: Tuğba Tekkal wäre die erste Frau im Vorstand

Der Wahlkampf, der für Tekkal keiner ist, geht in die heiße Phase. Am 27. September stimmen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Mitglieder:innen über den Vorstand demokratisch ab. Drei Teams, etwa 150.000 Wahlberechtigte, ein Novum.

Wenn Team Stroman gewählt wird, wäre Tekkal die erste Frau an der Führungsspitze und zugleich das jüngste Präsidiumsmitglied seit Gründung im Jahr 1948.

Ob sie das antreibt? "Überhaupt nicht", sagt Tekkal. "Ich muss nicht die Erste sein. Aber wenn es hilft, dass mir andere nachfolgen, gehe ich gerne voran." Der Klub hat fast 40 Prozent weibliche Mitglieder, viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Viele, die in der Kurve, auf dem Platz, in dieser Stadt Heimat gefunden haben. So wie sie. "Das sollte sich auch da oben widerspiegeln", sagt Tekkal. "Es ist an der Zeit."

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