Am Montagnachmittag durften sich die Spielerinnen der englischen Nationalmannschaft in London feiern lassen. Schon am Flughafen Southend nahmen zahlreiche Fans die neuen, alten Europameisterinnen in Empfang. Denn am Sonntagabend hatten die Lionesses im Finale der EM 2025 ihren Titel verteidigt.
Und das auf denkbar dramatische Art und Weise. Nach 90 sowie 120 Minuten hatte es gegen die favorisierten Spanierinnen, immerhin amtierende Weltmeisterinnen, 1:1 gestanden. Im Elfmeterschießen bewiesen die Engländerinnen dann mehr Nervenstärke, setzten sich mit 3:1 durch.
Dass England überhaupt wieder ins Finale einziehen würde, war trotz Seriensiegerin Sarina Wiegman durchaus überraschend. Die Mannschaft spielte keinen berauschenden Fußball, befindet sich im Umbruch. Das zeigt sich auch daran, dass am Sonntag nur fünf Spielerinnen in der Startelf standen, die auch beim EM-Finale vor drei Jahren begonnen hatten.
Eine davon ist Lucy Bronze. Die Rechtsverteidigerin war damals wie heute eine unverzichtbare Stütze im englischen Team. Sie stand in der Schweiz bei jedem Spiel der Lionesses auf dem Feld, insgesamt 598 Minuten. Im Nachgang wurde bekannt: Sie spielte dabei mit einem gebrochenen Schienbein.
"Es ist sehr schmerzhaft, aber ich werde feiern", sagte sie nach dem gewonnenen Endspiel. Eine "wahnsinnige Mentalität" attestierte ihr Trainerin Wiegman. Aber wie konnte das überhaupt reichen, um trotz eines Bruchs vier Wochen lang professionell Fußball zu spielen?
"Bruch ist nicht gleich Bruch", ordnet Unfallchirurg Ulrich Stöckle im Gespräch mit der "Zeit" ein. Die genaue Art der Verletzung ist nicht öffentlich bekannt, der Mediziner aber geht von einem Ermüdungsbruch aus. "Es handelt sich um eine feine Bruchlinie ohne Verschiebung der Knochen. Das tut weh, vor allem bei Belastung – aber man kann damit tatsächlich Fußball spielen", erklärt er.
Wirklich ratsam sei das laut Stöckle aber nicht. "Mit einer Stressfraktur sollte man keinen Sport machen, auch nicht als Leistungssportler", sagt er. Es bremse "auf jeden Fall die Heilung".
Anhaltende Belastung könnte gar weitreichende Folgen haben: "Eine Stressfraktur kann sich mit der Zeit verschlimmern und zu einem kompletten Bruch werden."
Genau deswegen zieht der Unfallchirurg auch ein negatives Fazit. "An Breitensportler sendet ein solches Verhalten natürlich ein fatales Signal", sagt er. Das gilt umso mehr, wenn die Auftritte von Bronze bei der EM rückblickend als übermenschlich oder heroisch abgetan werden, eben weil sie trotz einer Verletzung gespielt hat.
Im Sinne ihrer Gesundheit bleibt zu hoffen, dass sich der Bruch während des Turniers nicht ausgedehnt hat. In den kommenden Wochen gilt für Bronze dann ganz wortwörtlich: Beine hochlegen.