
Der Blick geht nach vorn: Für Maximilian Senft gab es als Plan A nur den Weg in den Profifußball. Bild: www.imago-images.de / imago images
Interview
Als Pokerspieler verdiente Maximilian Senft fast 900.000 Euro, jetzt ist er mit 35 Jahren Aufstiegstrainer des österreichischen Traditionsklubs SV Ried. Ein Interview über die Bedeutung von Vieraugengesprächen, was es heißt, All in zu gehen, und das Bewusstsein für gute Leistungen bei schlechten Ergebnissen.
15.07.2025, 19:4615.07.2025, 19:46
Auf die Mannschaftsfahrt nach Mallorca verzichtete Maximilian Senft freiwillig. Stattdessen wählte sich der 35-jährige Trainer des SV Ried überpünktlich zum Videocall mit watson ein.
Watson: Max, wirst du bei Mannschaftsabenden zum Pokern eingeladen?
Maximilian Senft: Ja, das kommt schon immer wieder mal vor. Ich versuche, den Einladungen jedoch meist charmant aus dem Weg zu gehen.
Warum?
Mit meinem Background als Pokerspieler habe ich einen anderen Zugang zum Spiel und wäre dort dann natürlich unter besonderer Beobachtung. Die Nachrede, jedem sein Geld aus der Tasche zu ziehen, möchte ich nicht haben. Und verlieren schon gar nicht … (lacht)
"Ich hatte schon immer eine Begeisterung für tiefergehende Gespräche. Smalltalk war noch nie meine große Stärke."
Sagst du komplett ab?
Mal so, mal so. Wenn es gerade gut passt, bin ich gerne als Gast dabei und rufe ein paar blöde Kommentare von der Seite rein, damit die Jungs was zu lachen haben. In der Regel bleibe ich den Kartenabenden aber fern.
Wieso?
Ich will die Balance und eine gewisse Distanz wahren, weil ich am Ende des Tages die Entscheidung treffe, wer spielt und wer nicht. Als Co-Trainer war das noch anders, da habe ich aber alles mitgemacht und ging oft als Sieger vom Tisch.

Daumen hoch! Max Senft führte den SV Ried wieder in die Bundesliga. Bild: imago images / Daniel Scharinger
Wird bei euch viel Karten gespielt?
Ja und das ist in vielen Fußballmannschaften nicht mehr alltäglich, weil das Handy sehr präsent ist. Die Älteren spielen Poker, die Jüngeren vor allem Wizard.
Du sollst fast 900.000 Euro durch Poker verdient haben, hast dann deine Karriere beendet und alles dem Fußball untergeordnet.
Stimmt. Damals haben mich die Leute aus der Pokerszene schief angeguckt, warum ich diesen Schritt gehe. Ich war an meinem Peak beim Pokerspielen und kannte niemanden im Profifußball. Ein Trainerlehrgang für Kinderfußball hat mir eine völlig neue Perspektive auf den Fußball gegeben und dann habe ich klassisch mit einer U8-Mannschaft angefangen.
War dir Poker nicht stressig genug?
Ich glaube, das Interesse an Wettkampf und Strategie war bei mir schon immer sehr ausgeprägt. Ich habe schon als Kind sehr gern gespielt und vor allem um etwas gespielt. Dieser Stress und dieses Adrenalin ist das, was es für mich ausmacht – egal, ob im Poker oder Fußball. Wenn man in diesen Situationen Erfolg hat, ist es für mich das Coolste.
War Profifußball von Beginn an dein Ziel?
Es war das Ziel, einmal vom Fußballtrainerjob leben zu können. Ich habe nebenbei noch Sport studiert, weil es gut gepasst hat. Im Endeffekt habe ich für den Fußball alles andere stehen und liegen gelassen. Um in der Pokersprache zu bleiben: Ich bin All in gegangen.
Kannst du Vergleiche zwischen Poker und Fußball noch hören?
Das stört mich eigentlich gar nicht, denn im Gespräch komme ich oft auf neue Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Klar ist: Poker ist kein Teamsport und das hat mir immer gefehlt. Gemeinsam Erfolge feiern, ist einfach schöner. Aber ich sehe auch viele Parallelen.
Welche?
Zum Beispiel, dass sich gute Leistung nicht immer in Ergebnissen widerspiegelt.
Das klingt frustrierend.
Du kannst im Poker wie im Fußball die richtigen Entscheidungen treffen, aber das kurzfristige Ergebnis kann trotzdem nicht passen. Du kannst nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, um den gewünschten Ergebnissen näherzukommen. Daher ist es wichtig, aus Misserfolg keine falschen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es geht darum, den sachlich-analytischen Blick beibehalten zu können. Aber ich bin auch nicht naiv: Die Ergebnisse müssen im Fußballgeschäft passen.
In der vergangenen Saison passten bei euch zwischen Oktober und November die Ergebnisse nicht.
Genau. In dieser Zeit habe ich erlebt, wie es ist, wenn man richtig in der Kritik steht und an einem von außen gezweifelt wird. Mein größtes Learning war, genau in diesen Phasen an unseren Prinzipien festzuhalten, um aus dem Tal wieder rauszukommen. Das machte unseren Erfolg dann umso süßer. Um ehrlich zu sein, bin ich froh, diese Erfahrung schon früh in meiner Karriere als Cheftrainer gemacht zu haben.

Einzelgespräche sind sein Ding: Max Senft (l.) und Lukas Bradl, Technischer Direktor in RiedBild: imago images
Zwischen dem ersten Trainerjob und deinem ersten Posten als Cheftrainer im Profibereich liegen gerade einmal zehn Jahre.
Mein Ziel war es immer, auf die Karrierechancen vorbereitet zu sein, die sich mir eröffnet haben. Natürlich brauchst du auch mal Glück und mir ist bewusst, dass ich das an den richtigen Stellen in meiner Trainerkarriere hatte. Ich habe in Österreich nur auf Amateurniveau Fußball gespielt und musste zunächst den Fuß in die Tür des Profifußballs bekommen.
Du hast eine Pokervergangenheit. Euer Technischer Direktor, Lukas Bradl, ist erst 28 Jahre alt und hat zuvor Bildungswissenschaften studiert und in der Automobilbranche gearbeitet. Lässt euch das Prozesse unkonventioneller angehen?
Wir erfinden das Rad nicht neu, versuchen Dinge jedoch anders anzugehen und neu zu denken – dabei machen wir natürlich auch Fehler. So sind wir wahrscheinlich zügiger einer Kritik ausgesetzt als Leute, die früher Profis waren. Aber diese Skepsis finde ich auch berechtigt. Das Konzept, das sich bei uns ab der U15 durchzieht, habe ich so bei anderen Vereinen noch nicht gesehen.
Du sagst, dass eine deiner großen Stärken die Kommunikation unter vier Augen ist. Konntest du schon immer gut mit Menschen umgehen?
Ich hatte schon immer eine Begeisterung für tiefergehende Gespräche. Smalltalk war noch nie meine große Stärke.
Was macht diese Begeisterung für dich aus?
Durch das Hören und Reden unter vier Augen entstehen ganz neue Dinge, die du vorher nicht planen kannst. Das geht aber nur, wenn es in einem Rahmen stattfindet, in dem eine gewisse Intimität und Verletzlichkeit möglich ist. Als Trainer ist es enorm wichtig, seine Entscheidungen nachvollziehbar und kohärent mitteilen zu können.
Hilft es, dass du vom Alter von deinen Spielern nicht so weit entfernt bist?
Das kann helfen, ist aber nicht der entscheidende Faktor. Wichtig ist es, sich auf sein Gegenüber einzulassen und die Offenheit mitzubringen, ernsthaft zuzuhören. Rein jugendsprachlich und in Sachen Musikgeschmack könnte ich von den heute 18-Jährigen nicht weiter weg sein (lacht).
Wie viel Input lässt du von den Spielern zu?
Es ist essenziell, eine Umwelt zu schaffen, in der Spieler auch zum Trainer kommunizieren können. Daher ist es mir wichtig, dass vor allem Führungsspieler ihre kritischen Gedanken äußern können.
In den vergangenen zwei Jahren haben 15 Spieler aus eurer Akademie ihr Profidebüt gegeben. Hören junge Spieler dir noch anders zu?
Ich versuche immer, eine Beziehung zu allen Spielern aufzubauen, die es uns ermöglicht, gute Gespräche zu führen. Dabei ist es nicht wichtig, ob der Spieler jung oder alt ist. Was ich aber über unsere Akademiespieler sagen kann, ist, dass sie mit viel Hunger und Neugierde zur ersten Mannschaft kommen.
Sind Österreich und der SV Ried der perfekte Ort für dich, um dich als Trainer weiterzuentwickeln?
Ja. Es ist ein hochemotionaler Klub und gerade mit meiner Vergangenheit ist es das richtige Umfeld, um diesen Bereich des Fußballs zu atmen. Die Emotionalität des Vereins zu spüren und zu begleiten, aber trotzdem strategisch gute Entscheidungen zu treffen, ist nicht immer leicht. Aber das macht den Reiz für mich aus.
Bevor du kürzlich deinen Vertrag verlängert hast, gab es Gerüchte, dass Greuther Fürth und Preußen Münster ein Auge auf dich geworfen haben sollen.
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich große Ambitionen im Fußball habe. Aber solche Schritte sind nicht planbar. Ich tue gut daran, mich auf die Aufgabe in der Bundesliga beim SV Ried zu konzentrieren. Dort wollen wir unseren Weg weitergehen.