1,34 Millionen Menschen sahen durchschnittlich im vergangenen Sommer die Sendungen des ZDF zu den Olympischen Sommerspielen in Tokio. Wenn nun die Winterspiele beginnen, wird der Sender aus Mainz die Hoffnung auf ähnliche Quoten haben. Immerhin wurde dadurch ein Marktanteil von über 20 Prozent erreicht.
Ein Moderator und Reporter, der nun auch aus Peking berichtet, ist Sven Voss. Seit 2004 ist er Mitglied der Sportredaktion des ZDF, feierte 2006 in Turin seine Premiere bei den Olympischen Spielen.
Watson sprach mit ihm darüber, wie sich ein TV-Sender auf die Übertragung eines solchen Sportereignisses vorbereitet? Welche Rolle die politische Berichterstattung über die Missstände in China während der Olympischen Spiele einnehmen wird und welche Vorgaben die ZDF-Reporter und Reporterinnen wegen Corona beachten mussten?
Die Vorbereitung auf Olympia gestaltete sich dabei kurz. Auch wegen Corona sei die finale Besetzung der Reporterstellen in China erst im November entschieden worden. "Das ist für das Fernsehen sehr knapp, weil dann erst geplant werden kann, wer tatsächlich vor Ort ist und wer die Sendungen aus Mainz maßgeblich mitgestaltet", sagt Voss.
Allerdings spielte nicht nur bei der langfristigen Planung Corona eine Rolle, sondern besonders in den letzten Wochen vor dem Abflug am 31. Januar. Diese Zeit sei für Voss geprägt gewesen von Auflagen und Vorgaben, die wegen des Virus zu erfüllen waren. "Die Regeln waren knallhart. Zweimal innerhalb von 96 Stunden vor dem Abflug musste ich negative PCR-Tests nachweisen. 14 Tage vor dem Abflug musste ich täglich alles ausfüllen, was mit meiner Gesundheit zu tun hat."
Darunter sei auch gefallen, dass er ankreuzen musste, ob er Husten, Schnupfen oder Fieber habe. Dazu kam tägliches Fieber messen, verbunden mit dem Eintragen in einer App. "Die Formalitäten sind für uns genauso wie für die Sportler. Ich habe mir sehr gut überlegt, was ich in den letzten Tagen mache", erklärt Voss.
Voss kam mittlerweile gut in Peking an und hatte nun die erste Woche im Februar dafür Zeit, Abläufe vor Ort kennenzulernen: Die Wege zu den Sportstätten und zum Studio, genauso wie die Kommunikation mit der Zentrale in Mainz.
Neben den sportlichen Erfolgen ist bei den aktuellen Winterspielen aber auch immer die Menschenrechtslage in China ein Thema. Die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren oder die schwierige Lage um die Presse- und Meinungsfreiheit werden beispielsweise von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International immer wieder angesprochen und kritisiert.
Das sind Themen, die auch das ZDF nicht verschweigen will. Voss stellt klar: "Wir fahren nicht als Sportfans hin, sondern als Journalisten, die über die Themen berichten, die dort eine Rolle spielen. Das ist in erster Linie der Sport, aber natürlich auch alles, was mit dem Organisatorischen rund um Corona zusammenhängt oder die Themen, die das Land und die Politik betreffen."
Es gibt allerdings ein großes Problem: Voss und die anderen Reporter und Reporterinnen dürfen sich nur zwischen den Pressehotels, dem TV-Studio, dem Pressezentrum und den Sportstätten bewegen – dadurch soll eine abgeschirmte Blase entstehen als Schutz vor dem Corona-Virus. Sollten die Journalisten den geschützten Raum verlassen, müssten sie sich zunächst in Quarantäne begeben, ehe sie sich außerhalb der Blase in China bewegen dürften.
Damit das ZDF dennoch von den Lebensumständen der Chinesen berichten kann, teilt sich das Team auf.
"Wir haben für das ZDF ein Korrespondenten-Büro in Peking. Die Kollegen und Kolleginnen sind außerhalb der Olympischen Blase. Sie werden die Berichterstattung im Land abdecken. Sie sind schon seit Jahren unsere Augen und Ohren in China. Durch dieses Team kann man davon ausgehen, dass unsere Berichterstattung auch kritisch sein wird."
Wegen dieser zwei voneinander unabhängigen Teams lasse sich auch vergleichen, wie verschiedene Sachverhalte in der Olympia-Blase wahrgenommen werden und wie im Rest des Landes.
Im Zuge der Spiele und der Menschenrechtssituation tauchen außerdem immer wieder Diskussionen um einen möglichen Boykott auf. Voss findet dabei die Präsenz der europäischen Medien vor Ort wichtig.
"Ich bin davon überzeugt, dass die mediale Aufmerksamkeit Dinge bewegen kann. Ich habe neulich von einem Chinaexperten gehört, dass einige der Umerziehungslager, in denen Uiguren festgehalten und gefoltert wurden, geschlossen wurden. Wenn dem so ist, dann ist das allenfalls ein Anfang."
China sei jedoch noch "nicht auf einem guten Weg. Die Demokratie ist weit weg, aber vielleicht ist die Aufmerksamkeit durch Olympia ein Ansatz." Gleichzeitig betont Voss auch, dass die "Probleme rund um Meinungsfreiheit, Menschenrechte, dem politischen System und die nicht vorhandene Nachhaltigkeit" vermutlich auch danach weiter bleiben werden.
Auf die Frage eines vollständiges Fernbleiben von deutschen Medien antwortet der 45-Jährige mit einer Gegenfrage: "Was wäre die Alternative? Nur die sportlichen Bilder zu zeigen und aus Deutschland dann zu sagen, dass wir die Verhältnisse vor Ort nicht gut finden? Ich bevorzuge, dass wir uns vor Ort ein Bild machen und auch die Missstände zeigen und vor allem auch den Sportlern die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu sagen."
Das ZDF wolle außerdem auch politische Zeichen zeigen, wenn sie an den Wettkampfstätten von chinesischen Fans geschwenkt werden – beispielsweise eine Regenbogenflagge. Voss geht davon aus, dass der chinesische Broadcaster diese Bilder nicht zeigen wird.
Um solche Diskussionen in der Zukunft nicht mehr haben zu müssen, müsse man laut Voss am Vergabeprozess arbeiten. Darunter falle allerdings nicht nur die Menschenrechtssituation, "sondern auch die Nachhaltigkeit müsste mit in die Vergabe mitgedacht werden. Die 26 Wettkampfstätten in China werden zwar mit Strom aus regenerativen Energien gespeist, aber sie sind dennoch nicht nachhaltig." Er würde unter nachhaltigen Sportstätten solche verstehen, die auch nach dem Event weiter genutzt werden. Einen Wintersport-Hype traue er der chinesischen Bevölkerung nicht zu.
Neben den politischen Themen freut sich der Moderator aber auf die sportlichen Wettkämpfe. "Die Sportler dürfen letztlich nicht vergessen werden. Sie haben mindestens vier Jahre, wenn nicht sogar das ganze Leben dafür trainiert, um bei Olympischen Spielen zu performen."
Er selbst hat eine Sportart, auf die er sich besonders Freut: "Ich persönlich bin ein großer Rodel-Fan. Während des Weltcups 2005 habe ich beim ZDF meinen Einstieg gefeiert. Irgendwie habe ich mich in die Sportart verliebt. Ich finde es faszinierend, wenn die Sportler und Sportlerinnen da mit 130 km/h durch den Eiskanal brettern."
Trotz der politisch diskutablen Situation, den strengen Corona-Maßnahmen und keinen ausländischen Fans glaubt er daran, "dass die Spiele für die Sportler trotzdem gut und perfekt organisiert sein werden."