Bei Mercedes dürfte man sich langsam mit der neuen Realität abgefunden haben. Das einstige Dauersieger-Team der Formel 1, das zwischen 2014 und 2020 jeden Titel gewonnen hat, hat den Anschluss an die Spitze verloren: Red Bull und Max Verstappen sind den Silberpfeilen auch im dritten Jahr in Folge enteilt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Niederländer sich zum Weltmeister krönt.
Vor allem mit Blick auf die laufende Saison, in der Max Verstappen aktuell acht Rennen in Folge gewonnen hat, dürften den Mercedes-Ingenieur:innen graue Haare wachsen. Was sie auch tun, sie kommen schlicht nicht gegen das überlegene Auto der Bullen an. Auf einigen Strecken ist Mercedes zudem bereits hinter McLaren zurückgefallen.
Verantwortlich für die Mercedes-Strategie und damit auch für die sportliche Durststrecke ist Teamchef Toto Wolff. "Es ist keine Katastrophe, aber wir sind immer noch nicht da, wo wir sein wollen", sagt dieser nun im Interview mit "Boardroom", einem amerikanischen Portal, das sich auf Management-Themen in den Bereichen Sport, Musik und Unterhaltung spezialisiert hat.
Wann die Lücke zur Konkurrenz geschlossen werden kann, vermag auch Wolff nicht zu sagen. "Aus menschlicher Sicht ist es sehr schwierig, weil wir nicht wissen, dass wir in sechs Monaten konkurrenzfähig sein werden oder in einem Jahr um die Weltmeisterschaft kämpfen", sagte der Mercedes-Boss.
Während Konkurrent Ferrari aufgrund des ausbleibenden Erfolgs immer wieder das Personal in der Führungsebene austauscht und auch vor dem Posten des Teamchefs nicht Halt macht, setzt Mercedes hier weiter auf Konstanz. Der jahrelange Erfolg hat der sportlichen Führung um Toto Wolff Kredit verschafft.
Ein möglicher Rücktritt ist in der Öffentlichkeit kein Thema und soll auch intern nicht diskutiert werden. Dennoch hat sich der Mercedes-Boss nun dazu geäußert.
"Wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht mehr die beste Person für den Job bin, dann werde ich versuchen, jemand anderen zu finden", sagte Wolff zu "Boardroom". "Ich werde keine Zweifel haben oder im Zwiespalt sein. Denn wenn man unschlüssig ist, bedeutet das, dass die Entscheidung bereits gefallen ist", erklärte er.
Seit zehn Jahren ist der Österreicher nun schon Chef bei Mercedes. Inzwischen gehört ihm ein Drittel der Anteile des Rennstalls und damit genauso viel wie den anderen Anteilseignern Daimler und Ineos, ein britischer Chemie-Konzern.
Dass er so lange bei Mercedes sein wird, habe er anfangs nicht kommen sehen, offenbarte Wolff. Vor allem in der jüngeren Vergangenheit hat sich sein Ansatz deutlich geändert. "Von einer projektbezogenen Denkweise, wie die eines Trainers oder Managers im Fußball, zu 'das ist mein Unternehmen'", sagte Wolff und kündigte an: "Ich bin ein gleichberechtigter Anteilseigner von Mercedes und Ineos, und das ist es, was ich für eine lange Zeit tun werde."