Der Titeltraum der DFB-Frauen ist im Halbfinale geplatzt. "Wir sind alle komplett leer", klagte Bundestrainer Christian Wück nach der 0:1-Niederlage gegen Spanien. Zu bitter war der "Geniestreich" von Weltfußballerin Aitana Bonmatí in der 113. Minute, als sie aus einem fast unmöglichen Winkel aufs deutsche Tor schoss und traf.
Abgesehen von Wück, der nun "drei, vier, fünf Tage" brauche, "um wieder einen klaren Gedanken zu fassen", fühlten Millionen Menschen mit Deutschlands Fußballerinnen mit.
Das Ausscheiden am Mittwochabend sahen durchschnittlich 14,261 Millionen Menschen in der ARD. Das entspricht einem Marktanteil von 57,6 Prozent, TV-Bestwert. Nur ein Spiel der DFB-Frauen zog bislang mehr Menschen vor den Fernseher: die Endspielniederlage bei der EM 2022 gegen England.
Seit der EM 2022 erlebt der Fußball der Frauen einen Boom. Das Interesse ist da. Auch, wenn das Narrativ in den Kommentarspalten von Social Media oft ein anderes ist. User:innen – der Großteil männlich – poltern auf Instagram und Tiktok: Die Stadien in der Bundesliga seien doch leer, der Fußball schlecht und die Strukturen unprofessionell. Für Lena Cassel ist diese Erzählweise problematisch.
In der aktuellen Folge des Podcasts "Apokalypse & Filterkaffee" bezeichnet die Sportmoderatorin das ständige Herabreden als "allergrößtes Problem" für den Fußball der Frauen. Es trage dazu bei, dass das Potenzial des Sports in der öffentlichen Wahrnehmung bislang nicht ausgeschöpft werde.
Das Narrativ sei "nicht sonderlich attraktiv. Wenn der Pitch schlecht ist", sagt Cassel. Dann wird es schwer, ein neues Publikum zu begeistern.
Umso erfreulicher sei es, dass sich inzwischen auch andere Debatten etabliert hätten – über einen Frauenfußball mit eigener Kultur, losgelöst vom männlichen Pendant. "Wir sollten eher darüber reden, was der Frauenfußball alles hat, anstatt ständig darüber zu reden, was der Frauenfußball alles nicht hat", sagt Cassel.
Auch die Medien sieht sie in der Verantwortung. Den "etwas unangenehmen, Kopf tätschelnden Zungenschlag" in der Kommentierung der DFB-Frauen, den Podcast-Host Micky Beisenherz kritisiert, teilt sie.
Allzu oft konzentriere sich die Berichterstattung weniger auf sportliche Leistungen als auf Rollenbilder. Besonders bei Spielerinnen wie Kapitänin Giulia Gwinn gehe es häufig um Vorbildfunktionen, weniger um Taktik.
"Vielleicht fragt man sie auch mal, wie sie die anderen Gruppengegner einschätzt", empfiehlt Cassel. "Ich glaube, auch das würde dem Frauenfußball sehr, sehr guttun."