Am 2. Juli fiel in der Schweiz der Startschuss für die 14. Frauen-EM. Seither wurden 24 der insgesamt 31 Spiele ausgetragen, der Großteil liegt also bereits hinter uns. Der wichtigste und zugleich spannendste Part kommt aber noch: die K.-o.-Phase.
Denn seit Sonntagabend ist gerade einmal die Gruppenphase beendet. Während die Hälfte der Mannschaften sich auf den Heimweg begibt, dürfen die acht anderen Teams noch vom Titel träumen.
Wir wiederum sind der Meinung, dass es der perfekte Zeitpunkt für ein Zwischenfazit ist. Hier kommen daher sieben Dinge, die wir während der Gruppenphase der Frauen-EM gelernt haben.
Der Schock war groß, als DFB-Kapitänin Giulia Gwinn schon in der ersten Halbzeit des ersten Spiels nach einer Rettungsaktion liegen blieb. Die Rechtsverteidigerin kehrte zwar nach kurzer Behandlungspause auf den Rasen zurück, wollte sich unbedingt durchbeißen. Doch es ging nicht. Nach wenigen Sekunden sank sie erneut zu Boden und musste ausgewechselt werden.
Am Tag darauf folgte bereits die bittere Diagnose: Giulia Gwinn hat sich eine Innenbandverletzung zugezogen und fällt für den weiteren Turnierverlauf aus. Ihre Teamkolleginnen verarbeiteten diesen Schock aber eindrucksvoll: Spielerisch blieb in der Gruppenphase zwar noch Luft nach oben, das Ticket fürs Viertelfinale buchten die DFB-Frauen trotzdem vorzeitig.
Dabei spielte sich mit Carlotta Wamser jene 21-Jährige in den Fokus, die für die verletzte Kapitänin in die Startelf gerutscht ist. So war sie etwa gegen Polen gleich an der Entstehung der beiden deutschen Tore beteiligt. Das Viertelfinale verpasst sie nun aber wegen der Roten Karte, die sie sich gegen Schweden abgeholt hat.
Dass die DFB-Frauen das Weiterkommen vorzeitig gesichert haben, wurde auch durch eine unschöne Szene möglich. Bevor Lea Schüller gegen Dänemark das 2:1 erzielen konnte, schoss Emma Faerge ihrer Mitspielerin Emma Snerle den Ball mit voller Wucht ins Gesicht. Letztere blieb liegen und musste in der Folge ausgewechselt werden, die Schiedsrichterin hatte das Spiel trotz des Kopftreffers nicht unterbunden.
Eigentlich sieht das sogenannte Concussion Protocol ein anderes Vorgehen vor. Warum dem so ist, zeigt der Fall Tuva Hansen. Die Abwehrspielerin des FC Bayern, die mit Norwegen an der EM teilnimmt, berichtete jüngst nämlich von einem ganz üblen Kopftreffer aus ihrer Kindheit.
Bei einem Kopfballduell wurde die damals 16-jährige Hansen an der Schläfe getroffen, seither leidet sie unter Gedächtnislücken. "Ich erinnere mich sehr wenig an meine Kindheit", sagte die Norwegerin im öffentlich-rechtlichen Rundfunksender NRK. "Nach dieser Verletzung war es nie wieder so wie zuvor." Ihren Eltern habe sie seinerzeit immer wieder dieselben Sachen erzählt.
Auch heute habe sie regelmäßig Erinnerungslücken, wenn es etwa um Erlebnisse mit ihren Mitspielerinnen geht. "Ich glaube, der Unfall hat mich als Person verändert", erklärte Hansen. "Ich nehme nicht alles so ernst."
Nach links und nach rechts hüpfen können die Niederländer:innen bekanntermaßen wie die Großen. Und auch im Fußballspielen sind sie nicht so schlecht, das gilt ganz besonders für Vivianne Miedema. Die hat gegen Wales ihr 100. Länderspieltor für Oranje erzielt. Beim Jubel offenbarte das Team dann aber doch eine eklatante Schwäche.
Denn anstatt eine 100 anzuzeigen, symbolisierten Kerstin Casparij, Miedema und Veerle Buurman eine 500. Wobei das vor allem auf Casparijs Kappe geht, deren Handzeichen genauso gut als Werbung für einen deutschen Automobilhersteller gedeutet werden könnte.
Spielerisch mögen die ersten Auftritte der DFB-Frauen noch nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein, fürs Weiterkommen aber hat es gereicht. Und die Fans hat die deutsche Mannschaft damit allemal angezündet.
In der Schweiz gab es nicht nur Fanmärsche unter Beteiligung von (Ex)-Nationalspielerinnen wie Sara Doorsoun oder Lena Oberdorf, sondern sogar eine Rekordkulisse. Beim Spiel gegen Dänemark waren knapp 17.000 deutsche Fans im Stadion – so viele wie nie zuvor bei einem Auswärtsspiel der DFB-Frauen.
Eben jene Partie lieferte zudem noch eine zweite Bestmarke: Mit 34.165 Zuschauenden ist es das am besten besuchte Gruppenspiel bei einer Frauen-EM ohne Beteiligung der gastgebenden Nation. Schlaaaand!
Norwegen zählt im Frauenfußball traditionell zu den großen Mannschaften. 1987 und 1993 gewannen die Skandinavierinnen die Frauen-EM, 1995 die WM. Dazu hat das Team immer wieder Ausnahmespielerinnen wie Ada Hegerberg in seinen Reihen.
Bei Europameisterschaften lief es in den Vorjahren zuletzt trotzdem überhaupt nicht rund. 2022 und 2017 schieden die Norwegerinnen jeweils in der Vorrunde raus, fuhren dabei insgesamt nur einen Sieg ein. Diesmal stehen sie schon bei drei Dreiern und damit als Gruppenerster auch im Viertelfinale.
Funfact dazu: Als Norwegen 2013 das letzte Mal die Gruppenphase überstand, ging es bis ins Finale. In dem scheiterten die Skandinavierinnen dann an den DFB-Frauen.
Bielefeld gibt's nicht, im Saarland kennt jeder jeden und Schweizer:innen sind immer neutral. Klischees dieser Art gibt es zuhauf, zumindest eines davon darf spätestens seit dem Spiel zwischen der Schweiz und Island getrost gestrichen werden.
Nach dem späten 1:1-Treffer von Riola Xhemaili, der der gastgebenden Nation den erstmaligen Einzug ins Viertelfinale gesichert hat, ist ZDF-Expertin Kathrin Lehmann komplett "eskaliert", wie Kollege Sven Voss treffend einordnete. "Wir können schon aus der Albhütte herauskommen", sagte sie selbst lachend.
Autismus ist ein marginalisiertes Thema der Gesellschaft, das gilt im Besonderen für den Sport. Es gibt kaum Athlet:innen, die offen über die neurologische Entwicklungsstörung sprechen. Wales' Nationaltorhüterin Safia Middleton-Patel ist eine Ausnahme – und das aus gutem Grund: Mit 18 Jahren erhielt sie die Diagnose Autismus.
Im September 2023 machte sie dies öffentlich und sprach dabei von einer Art Superkraft, weil sie sich im Tor überdurchschnittlich gut konzentrieren könne. Oft genug hat sie aber auch mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen, wie die 20-Jährige im Interview mit der BBC erklärte:
Generell mache sie der Umgang mit fremden Menschen nervös, weshalb sie sich nach Spielende schnell in die Kabine zurückzieht. "Das tut mir wirklich leid, aber meine mentale Gesundheit hat für mich oberste Priorität", sagte Middleton-Patel.
Trotz ihrer Superkraft, sich während der Spiele überdurchschnittlich gut konzentrieren zu können, hat es für die Waliserinnen am Ende nicht zum Überstehen der Gruppenphase gereicht. Es war aber immerhin überhaupt die erste Teilnahme an einem großen Turnier für die Frauen aus Wales.