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Fußball-Kolumne

DFB-Eklat um Hermann Winkler: "Diese Symbolpolitik nimmt euch keiner mehr ab!"

Dresden, 29.03.2023, Rudolf Harbig Stadion, Fussball, Sachsenpokal, Viertelfinale , SG Dynamo Dresden vs. FSV Zwickau 0:1 0:1 , Im Bild: NOFV Präsident, DFV-Vizepräsident Hermann Winkler. , Foto nur z ...
Hermann Winkler gab unsägliche Aussagen von sich. Konsequenzen? Fehlanzeige!Bild: imago / picture point
Fußball-Kolumne

Der DFB und der "Fall Winkler": Diese Symbolpolitik nimmt euch keiner mehr ab!

20.05.2023, 09:27
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Die Qualität der Sportpolitik des DFB bewegt sich auf einem oberflächlich-symbolischen Niveau. Im Gegensatz zu vielen Fans und Fangruppierungen verzichtet der größte Sportverband der Welt auf eine aktive Rolle in gesellschaftlichen, wertebezogenen und (sport-)politischen Fragestellungen.

Das ist bedauerlich, denn dadurch wird der Fußball anfällig für Instrumentalisierungen aller Art. Ohne ein selbstbewusstes Konzept wird der Fußball ein williger Spielball von Politik und Kommerz.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf versteht es, wohlklingende Sätze zu formulieren, die jedoch allesamt wirkungslos bleiben, inhaltsleer verpuffen oder geradezu das Gegenteil der politischen und gesellschaftlichen Realität abbilden.

Fanforscher Harald Lange.
Fanfoescher Harald LangeBild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Das wurde der Öffentlichkeit in dieser Woche einmal mehr vor Augen geführt: Nach der ebenso unsäglichen wie peinlichen Entgleisung des mächtigen DFB-Vizepräsidenten Hermann Winkler gegenüber dem ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj lieferte Neuendorf in einer DFB-Pressemitteilung außergewöhnlich markante Zitate.

Die Äußerungen Winklers wurden als "unerträglich" und "beleidigend" bezeichnet. Konkret formulierte der DFB-Präsident: "Am Tag, an dem er und das ukrainische Volk mit dem internationalen Karlspreis ausgezeichnet wurden, wird die verhöhnende Symbolik gegenüber dem ukrainischen Präsidenten noch verstärkt." Obwohl Neuendorf das Vorgehen Winklers mit Blick auf die DFB-Grundsätze als "unvereinbar" einstuft, überführt der versierte Politiker seinen semantischen Zorn in einen sportpolitischen Ablauf, aus dem gar keine Konsequenzen oder Taten folgen können.

In der Pressemitteilung des DFB heißt es: "Neuendorf wird den Vorgang am kommenden Mittwoch bei der Konferenz der Regional- und Landesverbandspräsidenten thematisieren." Diese Konferenz ist weder ein offizielles Organ des DFB, noch hat sie eine Befugnis gegen irgendjemanden irgendwelche Sanktionen zu verhängen. Die Landesfürsten können lediglich darüber reden.

"Es bleibt erneut nicht mehr als gut orchestrierte, platte Rhetorik."

Das haben sie mittlerweile getan und sich anschließend solidarisch gegenüber ihrem Kollegen Winkler gezeigt. Alles andere wäre auch nicht möglich gewesen. Der Sprecher dieser Runde, Ronny Zimmermann, sagte nach der Sitzung: "Hermann Winkler hat sich ausdrücklich und aus meiner Sicht extrem emotional entschuldigt." Und: "Diese Entschuldigung wurde aus Sicht der Konferenz entgegengenommen. Das haben alle einvernehmlich festgehalten."

Das war's.

Es bleibt erneut nicht mehr als gut orchestrierte, platte Rhetorik, die trotz der markanten Worte des DFB-Präsidenten auf der Ebene symbolischer Verbandspolitik verbleibt und dem DFB-Vize Hermann Winkler all seine bedeutenden Funktionen innerhalb der DFB-Führungsebene belässt.

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Deshalb wird der unbeliebte Top-Funktionär so weitermachen wie bisher und – wie er inzwischen bereits angekündigt hat – bereits am kommenden Sonntag ins Stadion der Freundschaft nach Cottbus reisen, um die mögliche Meisterehrung in der Regionalliga Nordost vorzunehmen. Am 12. Juni wird er womöglich beim Länderspiel gegen die Ukraine erneut auf der DFB-Ehrentribüne sitzen und dem 1000. Spiel der Nationalmannschaft den ehrenvollen Rahmen bieten, den sich der DFB dank seiner nichtssagenden, zahnlosen Symbolpolitik selbst verordnet.

Der "Fall Winkler" führt uns erneut die Schwachstelle der DFB-Sportpolitik vor Augen. Sie erinnert mehr an platte PR-Arbeit irgendeiner trendig daherkommenden Kommunikationsagentur als an gesellschaftliche Verantwortung.

Da wird im Vorfeld der WM in Katar viel Lärm um eine One-Love-Armbinde gemacht, um bei der ersten Drohgebärde der Fifa den Schwanz einzuziehen. Der Lufthansa-Flieger der Nationalmannschaft wird mit einem bunten Diversitäts-Logo bemalt, um dann nach dem Zwischenstopp im Oman doch mit einer neutral lackierten Linienmaschiene nach Katar weiterzureisen. Und es wird permanent über Diversität und Frauenförderung fabuliert, doch wenn es hart auf hart kommt, dann wird eine Taskforce zur Rettung des nationalen Fußballs einberufen, die ausschließlich aus ziemlich alten Männern besteht.

Die Liste an Beispielen dieser Symbolpolitik ist ebenso gewichtig wie die dadurch entstehende Distanz zur Basis aller Fußballerinnen und Fußballer in Deutschland. Ich sage denen da oben: Stellt euch endlich eurer Verantwortung und geht auch in den längst überfälligen Reformbemühungen dorthin, wo es auch mal weh tut. Eure Symbolpolitik nimmt euch eh keiner mehr ab.

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