Thomas Tuchels Karriere erlebte seit seiner Zeit bei den Bayern trotz des zwischenzeitigen Gewinns der Deutschen Meisterschaft eine Delle. Lange ging es für den Schwaben kontinuierlich nach oben: Mainz führte er in die Europa League, Dortmund spielte unter ihm attraktiven und erfolgreichen Fußball, ebenso Paris. Der bisherige Karrierehöhepunkt folgte dann mit dem Champions-League-Triumph mit Chelsea London.
In England hat Tuchel daher immer noch ein Stein im Brett. Dass er in seinen nicht einmal zwei vollen Saisons bei den Bayern keine gute Figur abgab, ist vielen auf der Insel unbekannt oder schlichtweg egal. Gerade weil der FC Chelsea seit Tuchels Weggang im Chaos versinkt, macht er eine umso bessere Figur.
Doch dass mit ihm ein Ausländer den Posten als Englands Nationaltrainer übernimmt, ist selbstverständlich trotzdem eine Kontroverse. Zu dieser äußerte sich Tuchel nun in seiner ganz eigenen Manier.
Dass ein Ausländer eine Nationalmannschaft trainiert, kann je nach Nation für viel Aufmerksamkeit sorgen. Gerade in England ist das aber nichts Neues. Der Schwede Sven-Göran Eriksson (2001 bis 2006) und der Italiener Fabio Capello (2007 bis 2012) leiteten die "Three Lions" sogar immerhin je fünf Jahre.
Dennoch wurde Tuchel bei seiner Antritts-Pressekonferenz am Mittwochnachmittag natürlich auch zu seiner Nationalität befragt. Seine Antwort kann einerseits als quengelig interpretiert werden – eine schnippische Abwehrhaltung hatte er bereits in vielen Pressekonferenzen als Bayern-Coach gezeigt.
Andererseits finden andere Beobachter:innen Tuchels Statement zur eigenen Nationalität schlagfertig. So sagte der neue Trainer: "Entschuldigung, aber ich habe lediglich einen deutschen Pass." Er werde jedoch allen Fans die Leidenschaft zeigen, die sie von ihm bereits aus seiner Zeit in der Premier League kennen.
Er liebe es, in England zu leben und zu arbeiten. Seine positiven Erfahrungen aus der Zeit auf der Insel hätten bei der Entscheidung, den Job anzunehmen, eine "enorme Rolle" gespielt. Nun sei er stolz, der Trainer der englischen Nationalmannschaft zu sein und versuche dem Job und dem Land "Respekt" zu zeigen.
Bei all diesen Dingen spiele die Nationalität auf seinem Pass jedoch keine Rolle.
Eine weitere Frage, die sich als Nationalcoach ganz generell immer stellt, besonders jedoch bei "Ausländern": Werden sie vor den Spielen ihres Teams die Nationalhymne mitsingen?
Je nach Land singen zwar noch nicht einmal alle Spieler und einheimischen Trainer und Funktionäre die Hymne mit. Ein prominentes Gegenbeispiel kennen aber etwa viele Handball-Fans in Deutschland. Nationaltrainer und gebürtiger Isländer Alfreð Gíslason singt stets die deutsche Nationalhymne mit.
Er lebt aber immerhin auch bereits über 30 Jahre in Deutschland. Als die Mannschaft im Januar auf sein Heimatland traf, sang er gar beide Hymnen, auch die Islands, mit.
Thomas Tuchel hingegen weiß noch nicht so wirklich, ob er das Lied der "Three Lions" mitsingen wird. Es sei eine "persönliche Entscheidung, ob man sie singt. Ich habe meine Entscheidung noch nicht getroffen", erklärte er. Die Hymne sei zwar "sehr bewegend". Für seine Entscheidung habe er jedoch "noch etwas Zeit bis März".
Dann sitzt Tuchel zum ersten Mal an der Seitenlinie der Engländer. Bis dahin wird die Mannschaft weiterhin interimsmäßig von Lee Carsley betreut. Tuchel besitzt einen 18-monatigen Vertrag, der auch die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko einschließt. Für das Turnier beanspruchte Tuchel auf der PK das Maximalziel: Er will mit England Weltmeister werden.