In den vergangenen Monaten ist es vergleichsweise ruhig geworden um Thomas Tuchel. Nach seinem geräuschvollen Abschied vom FC Bayern hat der Trainer nicht direkt bei einem neuen Verein angeheuert, mit öffentlichen Auftritten hielt er sich ebenfalls zurück.
Zwar gab es immer mal wieder lose Gerüchte über ein mögliches Engagement bei Manchester United, eine Anstellung bei den Red Devils hat sich bis dato aber allein schon deshalb nicht konkretisiert, weil der Traditionsklub am aktuellen Coach Erik ten Hag festhält. Dafür scheint nun an einer anderen Stelle Bewegung reinzukommen.
Wie am Dienstag zunächst der britische Ableger von "Sky Sports" vermeldete, verhandelt der englische Fußballverband FA mit Vertretern von Tuchel über den Posten als englischer Nationaltrainer. Der deutsche Sky-Reporter Florian Plettenberg zog in der Folge nach, bestätigte die Information. Nur mit dem FC Bayern, bei dem Tuchel offiziell noch bis zum 30. Juni 2025 angestellt ist, habe noch niemand gesprochen.
Und dennoch dürften sich die Münchener freuen, wenn sich Tuchel und die FA auf einen Deal einigen sollten. Der ehemalige FCB-Trainer soll beim Rekordmeister ein Grundgehalt von neun Millionen Euro beziehen, wäre dann also von der Gehaltsliste. Der Klub würde ihn sogar ablösefrei ziehen lassen, wie Plettenberg betont.
Und die Münchener wären beileibe nicht die einzigen, die von einem Tuchel-Transfer profitieren würden. Der Deal würde mit dem Übungsleiter selbst sowie der FA auch noch zwei weitere Gewinner hervorbringen.
Der 51-Jährige hat sich als akribischer Taktiker in Mainz und Dortmund einst einen hervorragenden Ruf erarbeitet, packte so den Sprung zu den internationalen Topklubs PSG und Chelsea. Als er im März 2023 nach Deutschland zurückkehrte, schien er über jeden Zweifel erhaben zu sein. Der Status des Supertrainers aber bröckelte in der Folge etwas.
Im Sommer 2023 sicherte sich der FCB auf den letzten Drücker die Meisterschaft, danach aber eckte Tuchel mit seinen Transfer- und Kaderwünschen wiederholt an – sowohl intern als auch bei Expert:innen. Die Kritik von Uli Hoeneß half ihm dabei letztlich ebenso wenig wie die Fehde mit Didi Hamann, bei der Tuchel selbst oftmals wie ein bockiger Junge wirkte. Oder wie die letztlich titellose Saison, die ihn wie ein mittelloses Maskottchen einer eigentlich so talentierten Mannschaft wirken ließ.
Die Zeit beim FC Bayern, so hart das auch klingen mag, hat Tuchel mehr geschadet als genutzt.
In England aber ist der Blick auf den Trainer und sein Wirken ein anderer. Nicht von ungefähr kamen mit dem Ende seiner Bayern-Zeit Gerüchte um eine Rückkehr auf die Insel auf. Mit Chelsea gewann Tuchel 2021 die Champions League, ohne den Eigentümerwechsel von Roman Abramowitsch zu Todd Boehly wäre er im September 2022 womöglich auch nicht bei den Blues rausgeflogen. Heute wissen alle: Es lag definitiv nicht am Trainer.
Ganz im Gegenteil: Der deutsche Coach hat in London gezeigt, was er binnen kürzester Zeit mit einer talentierten, aber wenig strukturierten Truppe erreichen kann. Chelsea übernahm er als überteuerten Scherbenhaufen, die Millionentruppe rangierte in der Liga nur im Tabellenmittelfeld. Das war im Winter. Tuchel führte das Team mit geordnetem Ballbesitzfußball und einer sicheren Defensive unter die besten Vier der Premier League sowie zum Triumph in der Königsklasse.
Die englische Nationalmannschaft ist beileibe kein Scherbenhaufen, zu gut waren die Ergebnisse unter Vorgänger Gareth Southgate. Die Spielweise aber war stets maximal bieder, der Trophäenschrank hat sich bei den Männern seit 1966 zudem nicht gefüllt.
Tuchel hat nachgewiesen, dass er dies mit den richtigen Spielern ändern kann. Und von denen gibt es in England definitiv genügend, ob sie nun Jude Bellingham, Cole Palmer oder Bukayo Saka heißen. Tuchel und das englische Nationalteam – das ist ein Match Made in Heaven.