Die Bayern schaffen schon wieder einen Rekord und legen angeblich 110 Millionen Ablöse und Boni auf den Tisch, um sich die Dienste des 30-jährigen Mittelstürmers Harry Kane zu sichern. Damit wurde die alte Rekordmarke von 80 Millionen Euro, die der FC Bayern 2019 für Lucas Hernández ausgegeben hatten, um satte 30 Millionen Euro übertroffen.
Im kommenden Jahr wäre Harry Kane ablösefrei zu haben gewesen, deshalb haben alle Beteiligten in den letzten Wochen intensiv und mit harten Bandagen verhandelt. Auch für Harry Kane soll sich der Transfer lohnen, denn er soll laut "The Atletic" sein Gehalt angeblich verdoppelt haben und bei den Bayern sagenhafte 29 Millionen Euro im Jahr verdienen!
Wie bewerten Fans solche Transfers? Wie steht es um die Demut, die manche Profiklubs während der Coronakrise versprochen hatten? Brauchen wir derart teure Stars wie Harry Kane, um die Attraktivität der Bundesliga zu sichern?
Werden die Bayern mit Kanes Hilfe in der Champions League konkurrenzfähig und kann die Bundesliga im Transferpoker mit den großen Ligen Europas auf Dauer mithalten? Zudem kommt mit der saudischen Profiliga ein weiterer ernstzunehmender Konkurrent um die Topstars ins Spiel. Lohnt es sich da weiterhin mitzumachen oder gäbe es nicht Alternativen zum international aufgeheizten Scheckheft-Fußball.
Ich meine, es gibt sehr gute Alternativen zum Einsatz von internationalen und vollends überteuerten Top-Stars. Weshalb konzentrieren wir uns so sehr auf Scouting und Transfers? Wer es mit der Idee des Leistungssports Ernst meint, der sollte auch in der Lage sein, Spieler zu entwickeln und durch zielorientiertes Training immer besser und leistungsfähiger zu machen.
Dafür braucht es weitaus weniger Geld. Dafür aber mehr Zeit, Geduld, Kontinuität und Qualität in der Trainerbildung und Nachwuchsförderung. Ich weiß, das sind die Baustellen im Deutschen Fußball. Da liegt das eigentliche Entwicklungspotenzial für die Zukunft des Fußballs.
Wir sind immer noch das größte Fußballland der Welt und verfügen über genügend Talente, die die frei werdenden Kaderplätze besetzen können. Nicht nur in der Bundesliga und zweiten Liga, denn wir haben eine enorm starke dritte und vierte Liga in diesem Land. Gleichzeitig bringen wir regelmäßig hervorragende Trainer hervor.
Neben ehemaligen Profispielern zusehends auch Trainer mit völlig anderen Erfahrungshintergründen. Trainer, die sich an der Basis bewährt haben, die fehlende Bundesligapraxis durch Menschenkenntnis, Coachingbegabung und Wissenstransfer kompensieren können. Der wissens- und evidenzbasierte Ausbau der Trainerbildung könnte ein weiterer Standortvorteil für den Deutschen Fußball sein, denn in diesem Feld liegen bereits heute weitaus mehr Möglichkeiten, als der DFB in seiner Akademie abbilden kann.
Ein weiterer Punkt muss die Nutzung der Erfahrungen und Expertise anderer Sportarten sein. Deutschland ist nach wie vor eine Sportnation mit Tradition und wir haben außerhalb des Fußballs im Deutschen Sport eine exzellente Trainerbildung an der Trainerakademie des DOSB in Köln, die genau auf den Austausch zwischen den verschiedenen Sportarten setzt und damit überaus erfolgreich ist. Weshalb sich der Fußball dort nicht anhängt und von den Erfahrungen der Olympiasieger aus anderen Sportarten profitiert, verstehen wohl nur die Bosse in der abgeschotteten DFB-Akademie.
Der Fall Harry Kane wird viele der hier aufgeworfenen Fragen in den kommenden Wochen und Monaten beantworten. Wird hier einfach nur Geld verbrannt? Oder ist diese gigantische Investition ein richtiges Zeichen für die Ausgestaltung der Zukunft des Deutschen Fußballs?
Ich empfand den Vertragspoker und das ständige Hin und Her der letzten Wochen bereits als sehr unterhaltsam, hätte aber auch getrost darauf verzichten können. Dennoch halte ich den Bayern die Daumen, dass Harry Kane sie in das Champions League Finale schießen mag!
Allen anderen Klubs mag ich hingegen raten, auf Talententwicklung, Trainerbildung und vor allem langfristig angelegtes Training zu setzen. Das ist eine gigantische Marktlücke und wir haben in dieser Hinsicht einen riesengroßen Standortvorteil in Deutschland.