Am Ende stand ein klares Ergebnis auf der Anzeigetafel – und dennoch ein großes Fragezeichen im Raum. Mit 0:3 unterlag Eintracht Frankfurt dem FC Bayern München am Samstagnachmittag vor der beeindruckenden Kulisse von 30.500 Zuschauerinnen und Zuschauern im Waldstadion.
Es war ein Bundesliga-Rekord für die SGE – und doch überwogen am Ende nicht Stolz oder Euphorie, sondern Ratlosigkeit. Der Grund: eine Szene, die mehr über den Zustand des Frauenfußballs in Deutschland sagt als so mancher Tabellenstand.
Es war die 29. Minute, als Pernille Harder sich im Strafraum zur Grundlinie bewegte und den Ball in die Mitte passen wollte. Den ersten Passversuch bekommt Harder direkt wieder von Mitspielerin Lea Schüller zurück. Auf der Torauslinie spitzelte sie dann den Ball zu Klara Bühl, die ihn kompromisslos zum 0:2 ins Netz jagte. Jubel brandete auf, dann verhaltenes Zögern, dann Konfusion.
Die Schiedsrichterin Karoline Wacker und ihr Team wirkten unschlüssig. War das regulär? War Harder im Abseits? War der Ball überhaupt noch im Spiel? Erst hieß es: Tor. Dann: keines. Dann: doch wieder Tor.
"Ich habe es auch gar nicht verstanden", sagte Frankfurt-Spielerin Pia-Sophie Wolter nach dem Spiel. "Erst war es Tor, dann kein Tor, dann wurde diskutiert, dann war es doch wieder ein Tor." Kollegin Sophia Kleinherne sprach von Hörensagen. Es seien wohl noch zwei Frankfurterinnen auf der Linie gestanden – und daher kein Abseits. Sicher war sich niemand. Später war an den TV-Bildern klar zu erkennen: Harder stand beim Abspiel von Schüller klar im Abseits. Doch hier liegt das Problem.
Denn was in der Bundesliga der Männer binnen Sekunden per Videobeweis geklärt würde, bleibt in der Frauen-Bundesliga der subjektiven Einschätzung und Kommunikation eines Schiedsrichterinnen-Gespanns überlassen. Eine Tatsachenentscheidung in ihrer reinsten Form – aber eben auch eine Entscheidung ohne Rückversicherung.
Für Laura Freigang ist das nicht mehr zeitgemäß. Die Nationalspielerin regt zum Denken an: "Langsam bin ich für eine Debatte über VAR in der FBL, ich bin ehrlich...", heißt es in ihrer Instagram-Story. Veröffentlicht am Sonntagvormittag, der Tag nach dem Topspiel.
Es ist ein Ruf, der nicht zum ersten Mal ertönt – aber vielleicht inzwischen lauter klingt als je zuvor.
Dass es in der Frauen-Bundesliga bis heute keinen VAR gibt, hat mit mehr zu tun als nur mit Abwägung. Es geht ums Geld – und um Infrastruktur. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) begründet das Fehlen technischer Hilfsmittel mit zu hohen Kosten.
Die stadioneigene Ausstattung, die es für den VAR braucht – mehrere Kameraperspektiven, Echtzeitverbindungen ins Kölner Videozentrum –, sei in den meisten Spielstätten der Liga schlicht nicht vorhanden.
Der finanzielle Aufwand für Nachrüstungen wäre erheblich, der Mehrwert – aus Sicht der Verantwortlichen – bislang nicht groß genug. Dabei sprechen Spielerinnen, Trainer und Funktionärinnen längst eine andere Sprache.
"Das kann spielentscheidend sein in der Situation", sagte Katharina Kiel, Technische Direktorin der Eintracht, in der Halbzeitpause der ARD. Auch sie sprach sich für den VAR aus. Trainer Niko Arnautis übte sich zwar in Zurückhaltung ("Ich will niemandem einen Vorwurf machen"), verwies aber auf die fehlende Kaltschnäuzigkeit seiner Mannschaft – und die gravierende Wirkung des zweiten Gegentreffers.
Der FC Bayern hingegen zieht mit dem Sieg einsam seine Kreise an der Tabellenspitze und vor Frankfurt drei Spieltage vor Schluss bereits neun Punkte Vorsprung. Alles spricht für die dritte Meisterschaft in Folge.
Und doch wird dieser Tag nicht als ein weiterer Schritt Richtung Titel in Erinnerung bleiben – sondern als ein Symbol für eine Liga, die sportlich wächst, aber strukturell noch immer gegen Windmühlen kämpft.
(Mit Material von SID)