Die abgelaufene Saison wird aus sportlicher Sicht wohl eher keine große Rolle einnehmen, wenn Mario Götze irgendwann auf seine Karriere zurückschaut. Zwar absolvierte er 41 Pflichtspiele für Eintracht Frankfurt, echte Highlights blieben dabei aber aus.
Die Messlatte ist im Falle des 32-Jährigen aber auch extrem hoch angesetzt. Mit der SGE stand Götze in der Vorsaison noch im Finale des DFB-Pokals, mit dem BVB gewann er einst das Double und erreichte das Finale der Champions League. Mit dem FC Bayern und der PSV Eindhoven sammelte er weitere Trophäen.
Bezüglich des absoluten Highlights seiner Karriere gibt es indes keine zwei Meinungen. Jener Abend des 13. Juli 2014 im legendären Maracanã, als André Schürrle in der 113. Minute vom linken Flügel vor das Tor flankt. Götze nimmt die Kugel mit der Brust an, schließt mit dem zweiten Kontakt ab. Das Innennetz zappelt, er macht ihn.
Es ist ein Gedicht von einem Tor. Es ist das Tor, das Deutschland zum Weltmeister kürt, zum vierten Mal. Eine Erinnerung, die sich in das Gedächtnis einer ganzen Fußballnation eingebrannt hat. Auch bei Götze selbst. "Tausendmal", habe er den Treffer seither nochmal gesehen, schätzte Götze im Gespräch mit dem "Zeit Magazin".
"Ich sehe das Fernsehbild, ich höre Tom Bartels’ Kommentar, ganz klar", führte er weiter aus. Von dem Moment habe der Finalheld "eine ungefähre Erinnerung", das gelte für das komplette Endspiel: "Das rauscht so schnell an dir vorbei, du bist im Tunnel. Auch wie Jogi mich auf den Platz schickt, wie er an der Seitenlinie auf mich einredet – das ist weitestgehend weg."
Das Siegtor würde Götze "immer wieder schießen", wenn er könnte. "Das Einzige ist vielleicht der Zeitpunkt: Ich war 22", machte er in der Rückbetrachtung doch einen Haken aus. Es legte die Messlatte für seine Karriere, die gerade erst begonnen hatte, "sehr hoch" an.
"Das ist eine Herausforderung", befand er. "Wenn ich mir meine Karriere malen könnte, hätte ich das Tor mit 35 bei meinem letzten Turnier gemacht und dann gesagt: Das war’s, ich höre auf."
Zehn Jahre sind seit diesem Treffer vergangen, den ganz großen Erwartungen, die spätestens mit dem Tor gegen Argentinien entstanden sind, konnte Götze nicht gerecht werden. Schon ein Jahr zuvor, im Frühjahr 2013, lernte er, dass es in seiner Karriere als Fußballer trotz all des Talents nicht nur rosig zugehen kann.
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Als der euphorisierte BVB gerade an das Tor zum Finale der Königsklasse klopfte, wurde Götzes bevorstehender Wechsel zum FC Bayern publik. Fans in ganz Deutschland, vor allem aber die Anhänger:innen in Dortmund, nahmen dem damaligen Youngster diesen Schritt übel.
"Was ich nie vergessen werde: Wie das gesamte Dortmunder Stadion mich ausgepfiffen hat", blickte er auf die Reaktionen zurück. Ähnlich ungemütlich dürfte eine andere Begegnung gewesen sein: "Wie eines Tages 50, 60 Hooligans zu unserem Training gekommen sind, nur um mich zu beleidigen. Da war ich 20."
Für den Schritt nach München habe er sich "aus rationalen Gründen" entschieden, betonte er nun. "Für mich war es in Dortmund eine großartige Zeit, auch mit Jürgen, aber die Jahre mit ihm waren alles, was ich bis dato im Profifußball kannte. Ich wollte mich weiterentwickeln."
Das Echo von Fans und Medien auf seine Wechselentscheidung habe ihn "kalt erwischt. Ich hatte völlig unterschätzt, welche Bedeutung ich in Dortmund hatte".
So schwierig es für Götze damals auch war, heute kann er all dem Wirbel auch etwas Positives abgewinnen: "Mit viel Abstand konnte ich die Reaktionen als Wertschätzung begreifen."