Den Namen von Bayern-Profi Benjamin Pavard kennen die meisten Fußballfans dieser Welt wahrscheinlich spätestens seit dem 30. Juni 2018. In der Kazan-Arena läuft gerade die 57. Minute des WM-Achtelfinals zwischen Frankreich und Argentinien. Der spätere Weltmeister liegt 1:2 zurück, als eine etwas verunglückte Flanke von Linksverteidiger Lucas Hernández, die im argentinischen Sechzehner an Freund und Feind vorbeisaust, am rechten Strafraumeck bei Pavard ankommt.
Der Ball trumpft zweimal auf, Pavard zieht volley ab. Mit viel Drall und Unterschnitt flattert der Ball ins linke Toreck. Viele Zuschauer reiben sich die Augen. Franco Armani, der Torwart der Argentinier, kann den Ball nicht mehr erreichen. Ausgleich. 2:2. Riesenjubel bei der Équipe Tricolore. Pavards Tor ist die Wende.
Elf Minuten nach dem spektakulären Kunstschuss wird Frankreich bereits mit 4:2 gegen die Albiceleste führen. Vielleicht war der Treffer des damals 22-jährigen Stuttgart-Profis, das Fans in aller Welt nach dem Turnier zum "Tor der WM 2018" wählten, sogar der entscheidende zum Weltmeistertitel.
Das Jahr 2018 war für Benjamin Pavard ohnehin ein sehr erfolgreiches: Er feierte damals nicht nur den WM-Titel mit Frankreich, sondern auch seine erste Bundesliga-Saison für den VfB Stuttgart, in der er keine Minute verpasste. In der Vorsaison war er für vier Millionen aus Lille nach Schwaben gekommen, stieg in seinem ersten VfB-Jahr in die erste Liga auf.
Anfangs hatte der junge Franzose in Stuttgart kleine Schwierigkeiten, war bisweilen als leichtfüßig verschrien. Zwar mit feiner Technik, Schnelligkeit und gutem Stellungsspiel gesegnet, leistete er sich ab und an riskante Aktionen oder Sorglosigkeiten.
Das ist lange vorbei. Vier Jahre nach seinem Wechsel nach Deutschland und zwei Jahre nach dem bisher größten Triumph seiner Karriere ist Pavard Stammspieler beim FC Bayern München. Seit vergangenem Sommer steht er beim Rekordmeister unter Vertrag.
Doch so wie bei seinem "Tor der WM 2018" rieben sich auch viele Beobachter die Augen, als sein Wechsel in die bayerische Hauptstadt bekannt wurde. Mittels einer Ausstiegsklausel kaufte der FCB Pavard im Sommer 2019 für 35 Millionen Euro vom VfB Stuttgart. Viele konnten das seinerzeit nicht verstehen, wie der große FC Bayern einen Abwehrspieler eines Absteigers für so viel Geld verpflichten konnte.
Immerhin hatte Stuttgart mit 70 Gegentoren am Ende der Saison die zweitschlechteste Verteidigung der gesamten Liga. Viele Experten waren skeptisch: Wo soll Pavards Platz sein im Münchener Starensemble? Hat er überhaupt das Format für den Rekordmeister?
So wie in Stuttgart, hatte Pavard dann auch in München anfängliche Schwierigkeiten. Aber mittlerweile startet er, wie so viele, unter Trainer Hansi Flick durch. Pavard ist seit Wochen in Topform und hat erst zwei von 29 Partien verpasst. Die 35 Millionen Euro für den heute 24-Jährigen scheinen gut investiert.
"Benji ist ein Spieler, der sehr konstant spielt. Man kann sich immer 100 Prozent auf ihn verlassen", lobte Flick seinen Rechtsverteidiger, der im Bundesligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf (5:0) am Wochenende mit einem Treffer, vier Torschüssen und einer Passquote von 97 Prozent beeindruckte.
Gegen die Fortuna traf der Abwehrspieler im Grunde sogar doppelt. Sein 1:0 wurde allerdings als Eigentor von Zanka gewertet. "Ob ein oder zwei Tore, ich bin einfach nur glücklich, mal wieder getroffen zu haben", sagte Pavard. Es war sein viertes Tor in dieser Saison, hinzukommen vier Vorlagen. So erfolgreich war er noch nie in einer Spielzeit.
Der vielseitige Profi, der auch als Innenverteidiger und im Mittelfeld kicken kann, hat sich zur festen Größe im Bayern-Spiel entwickelt. In seiner insgesamt erst zweiten Bundesligasaison zeigt sich: Unsicherheit und Leichtsinnigkeit, die in Stuttgart gelegentlich durchschimmerten, sind Ruhe und Überzeugung gewichen.
Der lang unterschätzte Weltmeister, dessen Bayern-Vertrag bis 2024 läuft, hat sich gemacht und zeigt es allen Skeptikern. Pavard startet durch in München, im Gegensatz zum Vorlagengeber seines fulminanten Ausgleichstreffers gegen Argentinien am 30. Juni 2018.
Der im Sommer 2019 für 80 Millionen Euro von Atlético Madrid mit Pauken und Trompeten verpflichtete Lucas Hernández - Pavards Transfer von Absteiger Stuttgart geriet da fast zur Randnotiz - kommt bei Bayern noch nicht in Tritt.
Gegen Düsseldorf hatte er sich zwar 45 Minuten lang ordentlich eingefügt ins Münchner Spiel. Doch mit den muskulären Problemen setzt sich Hernández' Pechsträhne im ersten Bayern-Jahr fort, zur Pause musste er raus. Er kam bereits mit einer schweren Knieverletzung nach München und verletzte sich dann in der Hinrunde am Fuß. Seine Klasse konnte er bisher kaum zeigen.
Gerade scheint die Situation für Hernández unglücklich, ja ein wenig ausweglos. Zumal David Alaba und Alphonso Davies dem 24-Jährigen in der linken Innenverteidigung beziehungsweise auf der linken defensiven Außenbahn den Rank abgelaufen haben. Schon häufiger spekulierten daher verschiedene Medien sogar über einen vorzeitigen Abgang des Pechvogels. Zuletzt die Münchener Zeitungen "Merkur" und "tz". Bisher sind das aber nur Gerüchte, abschreiben sollte man Hernández nicht.
Wer weiß, vielleicht sprechen wir in einigen Jahren auch vom legendären französischen FCB-Außenverteidiger-Duo Hernández-Pavard. Es wäre nach Bixente Lizarazu und Willy Sagnol nicht das erste Mal. Die beiden holten mit Bayern unter anderem 2001 die Champions League und den Weltpokal, zählten zu den Lieblingsspielern der Fans.
Immerhin hat die Koproduktion der beiden französischen Außenverteidiger Hernández und Pavard beim "Tor der WM 2018" am 30. Juni in Kazan ja schon mal gezeigt, dass es sehr erfolgreich funktionieren kann, wenn beide auf dem Platz stehen. Vielleicht ja bald auch im Trikot des FC Bayern München.
(as)