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Kreisliga: Dieser 61-Jährige steht noch immer im Tor

Reza Parsaei steht mit 61 Jahren noch im Tor eines Mainzer Kreisligisten.
Reza Parsaei steht mit 61 Jahren noch im Tor eines Mainzer Kreisligisten.Bild: Andreas Arnold
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"Dann vergesse ich, wie alt ich bin": Dieser 61-Jährige spielt noch immer in der Kreisliga

25.08.2019, 13:26
Christian Schultz, dpa
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Reza Parsaei schmunzelt, als er sich sein türkisfarbenes Torwartshirt überstreift. "Irgendwann müsst ihr mir dabei helfen", sagt er zu seinen Vereinskollegen. Den Passus wolle er irgendwann in seinen Vertrag aufnehmen lassen. Parsaei, gebürtiger Iraner, zählt 61 Jahre und ist mit Abstand der älteste aktive Spieler in seinem Team, der zweiten Mannschaft des FC livingroom Mainz – und wohl auch weit darüber hinaus.

Der Verein kickt in der C-Klasse Mainz-Bingen West 1 und 2 und will mit seinem ersten Team in der kommenden Saison endlich den zuletzt zweimal in der Relegation knapp verpassten Aufstieg schaffen – sieben Jahre nach der Gründung. Reza Parsaei ist von Anfang an dabei, erst kickte der Verein auf einem Schotterplatz nahe dem Mainzer Hauptbahnhof, mittlerweile auf einem Kunstrasenplatz im Stadtteil Marienborn. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht.

Ob Parsaei in der Region tatsächlich der älteste Keeper ist, kann weder der Fußballverband Rheinland, noch der Südwestdeutsche Fußballverband mit Gewissheit sagen. Bei ersterem heißt es, es lägen nur Registrierungen von Spielern vor. Ob die letztlich noch aktiv seien, lasse sich nicht erkennen. Beim DFB, dessen Portal fußball.de jährlich den Amateur des Jahres kürt, heißt es: Zwar kämen in unteren Liegen durchaus teils ältere Spieler zum Einsatz – vor allem auf der Torhüterposition. Allerdings seien sie meisten Aushilfen, Stammspieler seien in dem Alter sehr selten.

"Ich bin der letzte Mohikaner"

Parsaei wurde bei der Wahl zum Amateur des Jahres 2018 Dritter. Ein Jahr davor war er eines der Gesichter der Kampagne "Deine Kraft fürs Ehrenamt" des rheinhessischen Sportbundes. Besuch hatte er unter anderem schon von Fernsehteams aus dem Iran und aus Deutschland, wie er sagt. Er werde auf seine alten Tage noch richtig berühmt. Er selbst habe schon öfter mit Schiedsrichtern gesprochen, die hätten ihm bestätigt, dass es nur sehr wenige in seinem Alter gebe. "Ich bin der letzte Mohikaner", sagt der Speditionsfachmann und Muslim mit grauem Bart.

Unter der Woche kann er nie ins Training kommen, von nachmittags bis spätabends arbeitet er im über 50 Kilometer entfernten Frankfurt-Fechenheim. Dafür steht er regelmäßig im Fitnessstudio, wie der 61-Jährige erzählt. Das Tor hüte er seit seiner Kindheit. Das passe, er sei ein bisschen verrückt, aber positiv verrückt – nicht egoistisch. Einst habe ihn ein Video des früheren sowjetischen Keepers Lew Jaschin begeistert. Anfangs spielte er mit Kumpels barfuß auf Äckern in seiner nordiranischen Heimatstadt Sari. Sein Vater sei dagegen gewesen, erzählt er. Der habe Fußball für eine Beschäftigung für Schulabgänger gehalten. "Das hat mich nur zusätzlich motiviert."

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Bild: Andreas Arnold

1980 hätte Reza zum Wehrdienst im Iran gemusst und ging nach Deutschland – genauer nach Mainz. Es habe sich wie im Paradies angefühlt, erinnert er sich. Fußballplätze, alles sei so organisiert gewesen. Als sein Sohn, der wie seine Frau christlich getauft ist, vor einigen Jahren mit der Mainzer Jugendkirche Livingroom an einem Fußballturnier teilnehmen wollte und ein Keeper fehlte, fragte der Junior kurzerhand seinen Vater. Der zögerte nicht lange und sagte zu. Es folgten der Turniersieg und ein weiterer Triumph bei einem deutschlandweiten Turnier mit Teams aus Ortsgemeinden der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, zu der die Kirche Livingroom gehört.

Als Muslim in christlichem Verein

"Ich will bis heute jedes Spiel gewinnen", sagt Reza. "Aber nicht um jeden Preis." Es gehe ihm auch um das Gemeinschaftsgefühl in der Mannschaft, um Ehrlichkeit. Dass er als Muslim Teil eines christlich geprägten Klubs ist, macht ihm nichts aus – im Gegenteil. Werte wie Nächstenliebe oder Fairness seien in beiden Religionen wichtig. Wenn er zum Ende eines Gebets vor Anpfiff "Amen" sage, sei das kein Ding.

Paul Kemmer, der im Klub auch für das Marketing zuständig ist, spielt in der ersten Mannschaft des FC Livingroom, hat aber auch schon mal mit Reza auf dem Platz gestanden. Er sagt über den Vereinssenior: "Er ist schon eine kleine Vaterfigur." Reza sei jung geblieben, daher stimme die Chemie trotz des Altersunterschiedes.

Doch nicht nur der Torhüter, auch der Verein FC Livingroom an sich, ist etwas Besonderes. Hervorgegangen ist er aus dem 2012 gegründeten Sportprojekt der Jugendkirche Livingroom in Mainz, das einst das Fußballturnier gewann. Der Vereinsgründer und erste Vorsitzende, Vita Eisfeld, sagt, es gehe darum, Gottes Liebe erfahrbar zu machen. Er war früher für den Zweitligisten Wehen-Wiesbaden im Marketing sowie einen großen Sportartikelhersteller tätig, nun ist er einer der Macher beim FC Livingroom. Die Vision sei es, geistlich, menschlich und sportlich zu reifen, sagt Eisfeld.

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Bild: Andreas Arnold

Das heiße nicht, dass alle Vereinsmitglieder gläubig sein müssten. Aber Neue müssten menschlich in die Mannschaft passen, entsprechend gibt es am Anfang auch ein zweiwöchiges gegenseitiges Kennenlernen, wie Eisfeld erzählt. Es seien auch schon Spieler abgelehnt worden, obwohl sie sportlich auf jeden Fall weitergeholfen hätten. Neben dem Training gibt es beim FC Livingroom regelmäßig Gesprächsrunden zu gesellschaftlichen und religiösen Themen. Einmal im Jahr veranstaltet der Klub in Kooperation mit der Stadt Mainz ein Hallen-Turnier für Jugendzentren und Flüchtlingsunterkünfte.

Der FCL habe sich auf die Fahnen geschrieben, niemals Geld für einen Spieler oder an einen Spieler zu zahlen, auch der Trainer bekomme lediglich das Fahrtgeld von Wiesbaden nach Mainz – sonst nichts, betont Eisfeld. Mit am Ball sind auch viele Studenten, deren Familien nicht in Mainz wohnen. Für sie wird mit einer Kamera jedes Heimspiel aufgezeichnet, Freunde und Bekannte können es sich auf der Vereins-Webseite im Livestream anschauen. Am 11. August startet für den FCL die neue Saison. Auch für Reza Parsaei geht es dann wieder los – und es soll nicht die letzte Spielzeit für ihn werden. Er sagt: "Wenn angepfiffen wird, vergesse ich, wie alt ich bin."

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quelle: watson.ch
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