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Mesut Özil ist nicht aus der Nationalelf zurückgetreten

Chancen kreieren und Vorlagen geben – dafür steht Mesut Özil.
Chancen kreieren und Vorlagen geben – dafür steht Mesut Özil.imago
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Özil ist gar nicht zurückgetreten – er spielt seine letzte geniale Vorlage

23.07.2018, 16:2224.07.2018, 10:52
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Im Mai hatte Sandro Wagner seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekanntgegeben: "Ich trete hiermit sofort aus der Nationalmannschaft zurück." Deutlicher geht es nicht.

Seit Sonntagabend spielt auch Mesut Özil nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft. Aber hat er in seiner dreiteiligen Erklärung, die er in drei Akten veröffentlicht hat, wirklich seinen endgültigen Rücktritt bekanntgegeben? Nein!

Özil schreibt im dritten Teil seines Statements:

"It is with a heavy heart and after much consideration that because of recent events, I will no longer be playing for Germany at international level whilst I have this feeling of racism and disrespect".
Mesut Öziltwitter

Wurde Özil also zurückgetreten, weil dieser Satz nicht richtig übersetzt wurde? Und weil Nachrichtenagenturen den Rücktritt dann keine fünf Minuten nach Veröffentlichung seines Tweets "III / III" meldeten? 

Das Zauberwörtchen in Özils Erklärung lautet "whilst" – "solange". Bedeutet also: Solange er das Gefühl von Rassismus und Nichtachtung hat, wird er nicht mehr für Deutschland spielen.

Das Wort "Rücktritt" hat er gar nicht verwendet. Mesut Özil hat sich ein Hintertürchen offen gelassen. Ein Hintertürchen für eine Rückkehr unter anderen Umständen. 

Kehrt er unter einem anderen DFB-Präsidenten als Reinhard Grindel zurück?

Denn besonders Grindel bekommt in Özils Statement sein Fett weg: "Ich werde nicht länger der Sündenbock sein für seine Inkompetenz und Unfähigkeit, seinen Job gut zu machen", teilte Özil mit: "Ich weiß, dass er mich nach dem Bild aus dem Team haben wollte. Reinhard Grindel, ich bin sehr enttäuscht, aber nicht überrascht von Ihrem Handeln." Menschen "mit rassendiskriminierendem Hintergrund" sollten "nicht für den größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen". Özil habe wegen Grindel das Gefühl gehabt, "dass ich nicht gewollt bin und vergessen wurde, was ich seit meinem Debüt 2009 geleistet habe".

Grindel forderte von Özil eine Stellungnahme nach dessen Urlaub, da viele deutsche Fans darauf warten würden. Jetzt spielt Özil den Ball gekonnt zurück. Und zwingt Grindel zu einer Stellungnahme – nach dessen Urlaub.

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Reinhard Grindel, Jahrgang 1961, ist seit April 2016 DFB-Präsident. imago/Eibner

Präsident Grindel sagt bisher nichts zu den Vorwürfen – weil er im Urlaub ist. Der DFB brachte aber am Montagnachmittag eine Stellungnahme heraus. Der Verband weist darin zurück, "dass der DFB mit Rassismus in Verbindung gebracht wird". Manche "in Ton und Inhalt nicht nachvollziehbare Aussage in der Öffentlichkeit" wolle der DFB unkommentiert lassen, heißt es.

"Und dass Mesut Özil das Gefühl hatte, als Ziel rassistischer Parolen gegen seine Person nicht ausreichend geschützt worden zu sein, wie es bei Jerome Boateng der Fall war, bedauern wir."
DFB

Wenn Grindel aus dem Urlaub zurückkehrt, wird er trotzdem weiter unter Druck geraten. Ist er dann überhaupt noch im Amt zu halten? Krisenmanagement, das haben die vergangenen Wochen gezeigt, ist ja nicht gerade Grindels Paradedisziplin. 

Grindel ist nicht mehr haltbar

Özil wählte in seinem dreiteiligen Statement drastische Worte und bot eine perfekte Inszenierung. Spätestens jetzt ist klar: Der DFB braucht, um ein starkes Signal zu senden, einen Präsidenten, der Rassismus in die Schranken weisen kann. Einen Präsidenten, der Spieler in Schutz nimmt, die wie eine Sau durchs Dorf getrieben werden. Einen Präsidenten, der nicht Reinhard Grindel heißt, nicht rumeiert.

Das wirft Harald Stenger, der ehemalige Pressesprecher des DFB, Grindel vor. Bei "Sky" sagte Stenger, Grindel habe in der Affäre "immer nur rumgeeiert und wollte das alles aussitzen. Es war alles nur populistisch und so kann man einfach keinen Verband führen. Wenn er ehrlich ist, muss er sehen, dass seine Zeit als DFB-Präsident abgelaufen ist."

Das Foto mit Recep Tayyip Erdogan war natürlich ein Fehler – keine Frage. Und es war naiv von Mesut Özil, zu glauben, es sei unpolitisch, wenn er als Person des öffentlichen Lebens mit einem Politiker posiert. Auch sein Statement wirft in Bezug auf das Erdogan-Foto noch immer Fragen auf. 

Wo Özil aber Recht hat: Das Verhalten der DFB-Spitze in dieser Angelegenheit ist ein mindestens genauso großes Desaster.

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Höhepunkt 2014: Mesut Özil feiert den Gewinn der Weltmeisterschaftimago/Laci Perenyi

Özil fordert einen neuen DFB

Aus Özils Statement kann man auch die Forderung nach einem neuen DFB herauslesen. Einem zeitgemäßen, modernen DFB, den es dringend braucht – ohne Rassismus, ohne veraltete Strukturen, ohne Klüngel.

Fast jedes fünfte Mitglied im DFB hat Migrationshintergrund. In der Führungsetage sieht man aber nichts davon. Das 19-köpfige Präsidium des größten nationalen Sport-Fachverbandes der Welt besteht aus einer Frau und 18 Männern. Die heißen Osnabrügge, Zimmermann oder Koch. Keiner von ihnen kann sich also voll und ganz in die Özils, Gündogans oder Boatengs hineinversetzen.

Kritik kommt nicht erst von Özil

Dass im DFB vieles verkehrt laufe, sagt übrigens nicht erst Özil: In den vergangenen Tagen meldeten sich in dieser Sache auch Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern AG, und Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger zu Wort.

Rummenigge polterte: "Mir fehlt im Moment die klare professionelle Handhabe der Krisensituation. Es wundert mich aber auch nicht, der DFB ist nur noch durchsetzt von Amateuren. Mir fehlt da die Fußball-Kompetenz." Der Bayern-Boss brachte dabei auch den ehemaligen Kapitän Philipp Lahm als DFB-Vize ins Gespräch.

Zwanziger, der in seiner Amtszeit das Thema Integration stark vorangetrieben hatte, sieht Versäumnisse beim DFB: "Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen. Wenn dieser Eindruck entsteht, muss man gegensteuern", sagte er.

Der DFB muss in Sachen Integration wieder vorlegen, dann kann die Gesellschaft vielleicht nachziehen. Denn Integration und "Multikulti" sind eben immer wichtig – nicht nur, wenn es gerade als hipper Slogan taugt. 

Wenn es gerade passt, wirbt der DFB gerne mit Vielfalt...

Mesut Özil ist ein verdienter Spieler der deutschen Nationalmannschaft. Er ist Weltmeister geworden, hat über 90 Spiele im DFB-Dress gemacht. Er war das Aushängeschild der gelungenen Integration in Deutschland. Das war mal.

Özils Abrechnung ebnet den Weg für seine Nachfolger

Der einst so glänzende Lack der vielfältigen, bunten Nationalelf hat heftige Kratzer bekommen. Insofern ist es verständlich, dass Mesut Özil erst mal keinen Bock mehr hat, in dieser Mannschaft Fußball zu spielen. Weil er sich im Jahr 2018 (!) wegen Rassismus nicht repräsentiert fühlt. 

Die Hoffnung bleibt bestehen, dass Mesut Özil durch das Hintertürchen, das er sich offen gelassen hat, irgendwann zurückkehrt. Unter anderen Umständen. Unter einem anderen DFB-Präsidenten. Unter einem anderen DFB.

Mesut Özil ist die Stimme von vielen. Und wenn es nicht Özils Hintertürchen ist, durch das er selbst zurückkehrt, dann ist es vielleicht das Hintertürchen für all die talentierten deutschen Spieler mit Migrationshintergrund der Zukunft. Ohne, dass wir es verstehen, hätte Özil mal wieder eine wichtige Chance kreiert – wie auf dem Platz.

Bayern-Leihgabe Frans Krätzig Bankdrücker in Stuttgart: Hoeneß wird deutlich

Die Hoffnungen waren im Sommer auf beiden Seiten groß. Es sollte eine Win-win-Situation werden. Der FC Bayern kann einem verheißungsvollen Talent die nötige Spielpraxis geben und der VfB Stuttgart sah ein "sehr interessantes Profil", wie es Sportchef Fabian Wohlgemuth nannte.

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