Weltuntergang und pure Euphorie liegen im Fußball oft ganz nah beieinander. In Deutschland musste das in den vergangenen Monaten besonders die Nationalmannschaft um Bundestrainer Julian Nagelsmann erfahren. Im November nach der 0:2-Niederlage in Österreich titelte die "Bild"-Zeitung noch: "Peinlich Pleite gegen Rangnick-Team – Nein! Nein! Nagelsmann!"
Jetzt, rund vier Monate später und nach zwei starken Auftritten des DFB-Teams gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) hat sich in Deutschland eine Vorfreude auf die Heim-EM im Sommer entwickelt. Lothar Matthäus geht sogar soweit und sagt, dass die Nationalmannschaft nicht nur Europameister werden kann, "sie muss Europameister werden".
Aufgrund dieser Wendung wird nun auch über die Zukunft von Julian Nagelsmann diskutiert. Der 36-Jährige hat nur einen Vertrag bis zum Sommer und bereits früh klargemacht, dass er nach der EM direkt weiterarbeiten will: "Ein Jahr oder ein halbes Jahr Pause nach der EM ist für mich ausgeschlossen – solange ein Angebot kommt."
Ein Angebot wird wohl auf jeden Fall demnächst bei Nagelsmann auf dem Tisch liegen: das des DFB. Zuletzt hatte Präsident Bernd Neuendorf betont, dass die Chemie stimme. Andreas Rettig, Sport-Geschäftsführer DFB, hatte dem "Kicker" gesagt: "Erfolgreiche Trainer schickt man nicht weg."
Stellt sich lediglich die Frage: Was will Nagelsmann? Auf einer Pressekonferenz mit Fans sagte er in der Länderspielpause, dass für ihn beide Job-Möglichkeiten in Frage kämen: "Verband oder Verein."
Wie die "Bild" nun berichtet, arbeitet der DFB jetzt an einer Verlängerung. Demnach soll es nach Ostern zu einem Treffen mit Nagelsmann kommen. Neuendorf, Rettig und DFB-Sportdirektor Rudi Völler sollen dem Bundestrainer bereits gesagt haben, dass sie die Zusammenarbeit bis zur WM 2026 ausweiten wollen.
Laut der Boulevard-Zeitung soll es dabei aber eine bestimme Klausel geben. Demnach hat der Verband aus dem jeweils frühen WM-Ausscheiden 2018 und 2022 in der Vorrunde gelernt und will eine "Reißleinen-Klausel" in der Verlängerung verankern.
Demnach wäre die Vertragsverlängerung hinfällig, wenn Nagelsmann mit seiner Mannschaft bei der Heim-EM in der Vorrunde ausscheiden würde. Bei einem Achtelfinal-Aus, was gerade nach den neuesten Auftritten gegen Frankreich und die Niederlande für Enttäuschung sorgen würde, wäre der DFB aber nicht abgesichert.
Dieses Vertragskonstrukt entstand wohl als Folge aus den Turnieren 2018 und 2022. Damals wurde jeweils nach der WM der Druck auf die Trainer enorm hoch. 2018 rang sich der DFB nach einer intensiven Analyse dazu durch, mit Joachim Löw weiterzuarbeiten. Bei der folgenden EM 2021 schied das Team jedoch erneut im Achtelfinale aus. Danach war auch für Löw Schluss. Für viele Fans und Experten war das zu spät.
Ein Jahr später, nach der WM 2022 in Katar trennte sich der DFB von Hansi Flick, der noch einen Vertrag bis Sommer 2024 besitzt und weiter vom DFB bezahlt wird. Für den klammen Verband ist das eine zusätzliche und hohe finanzielle Belastung. Das Risiko einer weiteren solchen Belastung soll durch die "Reißleinen-Klausel" mit Nagelsmann gering gehalten werden, wenn er sie denn überhaupt annimmt.