Ich hatte mir gar keine großen Hoffnungen gemacht. Aber dass die WM für die deutsche Mannschaft so früh zu Ende sein würde, hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Das 2:0 gegen Südkorea, das war bitter. Vorrundenaus-bitter.
Seit dem Schlusspfiff rattern die Beschimpfungen durch die sozialen Netzwerke. Es ist von "Schande" die Rede, von "Verrätern", "Arschkriechern" und "verwöhnten Millionären".
Spieler und Trainer werden beleidigt, rassistisch angegangen und bedroht. Eine Rhetorik, die eher an das martialische Miteinander des 19. Jahrhunderts als an Teamgefühl 2018 erinnert.
Und das ist nicht nur im Ton vergriffen.
Diese Reaktionen lassen mich fassungslos zurück. Und zwar aus 3 Gründen.
Eigentlich gab es die Debatte: Wie gefährlich der Leistungsdruck im Profifußball werden kann, zeigten die Geschichten von Per Mertesacker und Daniel Baier.
Die Geschichten von Mertesacker und Baier zeigten auch: Die Art und Weise wie wir über den Profifußball diskutieren, was für eine Erwartungshaltung wir an Spieler herantragen, muss sich ändern.
Es macht mich traurig und wütend, wenn nun klar wird, dass die Betroffenheit, die nach diesen Enthüllungen dominierte, noch nicht mal bis zum nächsten Turnier gehalten hat. Ein neues Bewusstsein wurde zwar gefordert, aber die vergangenen 24 Stunden zeigen, dass es ausgeblieben ist.
Es ist erschütternd zu sehen, dass einige Fans offenbar nur den Erfolg feiern.
Sobald der ausbleibt, kippt die Begeisterung, die anfängliche Freude über "unsere Jungs" ist verflogen. Sie macht Wut und Sozialneid auf die "verwöhnten Fußball-Millionäre" Platz.
Man muss sich manche Reaktionen nur mal in einem anderen Kontext vorstellen, um zu sehen, wie anmaßend und wie grausam sie sind.
Herrschaftszeiten! Können wir bitte auch dran denken, dass es hier um Fußball geht, und nicht um eine OP am offenen Herzen?
Was mich zum dritten Punkt bringt.
Fußball ist ein sehr emotionaler Sport. Verliert die Herzensmannschaft, kann man verzweifeln, rumbrüllen, weinen. Ich kenne das zu gut. Ich bin gerade zum sechsten Mal mit meinem Verein in die zweite Liga abgestiegen. Was habe ich gelitten!
Trotzdem: Fan-Sein ist nun mal eine Leidenschaft aus zweiter Hand.
Wer hält die Knochen hin? Wer steht auf dem Platz und muss Tore schießen? Nicht "wir".
Wer mit einer Mannschaft siegen will, muss auch mit ihr verlieren. Daraus folgt, dass ein "Wir"-Gefühl, wie es viele Fans für sich und ihr Team reklamieren, nicht nur an schönen Tagen zelebriert wird. Sondern auch, wenn es mal zappenduster aussieht.
Das hat doch mit Fußball rein gar nichts zu tun. Fußball ist Sport. Verlieren gehört dazu. Dass man diese Banalität so ausbuchstabieren muss, ist ziemlich unfassbar.
Schlimmer: Die Reaktionen zeigen, dass wir noch mal ganz grundsätzlich reden müssen.
Die Mannschaft muss sich sportlich neu aufstellen, wird jetzt gefordert. Ein Umbruch müsse her.
Auch ein Muss: Dass Fans sich und ihre Niederlage-Gewinn-Kultur hinterfragen – und neu aufstellen.