100 Meter in unter 10 Sekunden – diese historische Schallmauer knackte Owen Ansah Ende Juni bei den Deutschen Meisterschaften. Das hatte vor ihm noch kein Deutscher geschafft. Der 23-Jährige wurde gefeiert, doch sah sich auf Social Media auch mit einer Welle an rassistischen Anfeindungen konfrontiert.
Dass Sportler:innen mit Hass im Netz überzogen werden, ist kein Einzelfall. Bei einem Mega-Event wie den Olympischen Spielen, bei denen sich Milliarden Augen auf die Athlet:innen richten, gibt es besonders viel Hatespeech. Gerade für Olympioniken von Randsportarten, die außerhalb der Spiele nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ist der Umgang mit Shitstorms schwierig.
Bei den Sommerspielen in Paris sollen die Athlet:innen mit den Anfeindungen nicht allein gelassen werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) setzt auf ein KI-Tool, um gegen Hass im Netz vorzugehen.
Das IOC setzt künstliche Intelligenz ein, um Hassposts im Netz zu finden und löschen zu lassen, berichtet der "Stern". Ziel des Olympia-Ausrichters sei es, alle der rund 11.000 Athlet:innen zu schützen. Je nach Schweregrad der Anfeindungen sollen demnach Urheberkonten gesperrt und strafrechtlich relevante Inhalte zur Anzeige gebracht werden.
Für diese Aufgabe hat das IOC eine fünfköpfige sogenannte Safe-Sport-Einheit eingerichtet, die die Operation überwacht. "Online-Gewalt ist etwas, das im modernen Sport allgegenwärtig ist. Es ist etwas Tückisches, das im digitalen Zeitalter praktisch überall zu finden ist", sagt Kirsty Burrows, Leiterin der Einheit, dem "Stern".
Burrows ist sich bewusst, dass angesichts der schieren Menge an Hasspostings eine gewaltige Herausforderung auf sie zukommt. "Wenn wir den Branchendurchschnitt von vier Prozent für missbräuchliche Inhalte nehmen, sind das 20 Millionen potenzielle Beiträge von einer halben Milliarde, die wir während der Spiele erwarten", sagt Burrows.
Um gegen diese Hasswelle anzukämpfen, setzt das IOC laut "Stern" auf das britische Unternehmen signify.ai, auch wenn das Olympische Komitee die Zusammenarbeit gegenüber dem Magazin nicht offiziell bestätigen will. Signify.ai habe bereits Sportveranstaltungen im Rugby oder Tennis geschützt.
Die KI scannt jene sozialen Netzwerke, die die meisten User:innen auf sich versammeln: Facebook, Instagram, Tiktok und X. Die chinesischen und russischen Plattformen Weibo und VK werden nicht überwacht. Damit ein relevanter Hasspost aufgespürt werden kann, muss er öffentlich einsehbar sein und einen direkten Bezug zu eine:r Athlet:in haben, etwa in Form eines Hashtags oder eines Kommentars.
"Es wird ein firmeneigener Bedrohungsalgorithmus angewandt. Die Daten werden nach Art der Gewalt kategorisiert. Und dann geht es an eine menschliche Triage-Ebene", sagt Burrows. Bei uneindeutigen Fällen sollen Menschen über die weiteren Schritte entscheiden.
Wird ein Post als bedrohlich, also hetzend, diskriminierend oder gewalttätig eingestuft, soll das Urheberkonto gelöscht werden. Die strafrechtliche Verfolgung ist allerdings häufig schwierig. "Es gilt die Gerichtsbarkeit des Ortes, wo die Person, die den Schaden anrichtet, sich aufhält", sagt Burrows.
Rekord-Sprinter Ansah lässt sich von den rassistischen Anfeindungen indes nicht beeindrucken. "Mich interessiert das eigentlich null Prozent. Das geht ins eine Ohr rein und aus dem anderen Ohr raus", sagte er dem NDR.
Der 23-Jährige hat das 100-Meter-Finale bei den Olympischen Spielen fest im Blick. "Solche Kommentare spornen mich in jedem Fall an, genauso weiterzumachen. Sie zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich bekomme jetzt die Aufmerksamkeit, die wir alle verdient haben."