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Babak Rafati spricht über neue Schiri-Rolle 14 Jahre nach Suizidversuch

Koeln, Motorworld, 22.07.24, GER, Herren, Fussball, Baller League, Season 2, 1.Spieltag Bild: Schiedsrichter Babak RAFATI Only for editorial use Nordrhein-Westfalen Deutschland *** Cologne, Motorworld ...
Genau hingeschaut: Bei der Baller League ist Babak Rafati ganz anders gefordert als in der Bundesliga.Bild: imago images / Ulrich Hufnagel
Interview

Ex-Schiri Babak Rafati: Mit einem Lächeln pfeift es sich leichter

Babak Rafati war ganz oben. Fifa-Schiedsrichter und jedes Wochenende eine Bundesliga-Partie leiten, doch der Druck wurde zu groß. Depressionen führten im November 2011 zu einem Suizidversuch. 14 Jahre später hat der Unparteiische sein Schiedsrichterglück in der Baller League zurückgefunden.
18.05.2025, 16:0418.05.2025, 16:04
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Watson: Babak, was ist unangenehmer: Wenn dich 60.000 Fans im Stadion auspfeifen, weil sie mit deiner Leistung unzufrieden sind, oder wenn dir Kevin-Prince Boateng bei der Baller League aus einem halben Meter in den Nacken schreit?

Babak Rafati: (schmunzelt) Bei Boateng habe ich es selbst nicht erlebt, dass er mich anschreit. Ich finde die Kommunikation mit ihm sogar sehr angenehm. Die Reaktionen der 60.000 Fans habe ich zudem mit einem anderen Wissen erlebt als heute.

Das musst du genauer erklären.

In der Bundesliga hatte ich den Ruf, ein arroganter Schiedsrichter zu sein. Wenn ich die Gelbe Karte gezeigt habe, habe ich böse geschaut. Aber mittlerweile bin ich der empathische Schiedsrichter.

Wie agiert der empathische Babak Rafati?

Wenn jemand einen weggrätscht, dann sage ich: 'Weißt du was, ich hätte den auch weggewichst, aber ich muss dir trotzdem Gelb geben.' Der Spieler klopft dir auf die Schulter, wir lachen beide und verstehen uns. Mich stört es nicht, wenn hier jemand auf dem Platz schimpft, emotional wird oder mal verbal einen raushaut. Es gilt, die Ruhe zu bewahren und zu verstehen: Es geht nicht um Babak Rafati als Person, es geht um den Schiedsrichter und die Entscheidung. Mehr ist es nicht.

"Es ist manchmal schwieriger, Baller League zu pfeifen als Bundesliga."

Warum konntest du damals nicht dieser Schiedsrichter sein?

Ich konnte kein Stress- und Konfliktmanagement. Insgesamt ist dieses Thema im Schiedsrichterbereich sowohl im unteren Bereich als auch in der Bundesliga noch sehr unterschätzt. Man geht es mit sehr wenig Wissen an. Es ging bei unseren Lehrgängen immer nur um das Regelbuch und wie wir mit den Medien sprechen sollen.

Dieses Problem gibt es heute noch?

Ja. Die Schiedsrichter in der Bundesliga haben viel zu wenig mit den Themen Selbstreflexion, Konflikt- und Stressmanagement zu tun. Ein besonderer Punkt ist die Persönlichkeitsentwicklung und wie wir mit Spielerverhalten umgehen. Wenn einer abwinkt, zeigen sie sofort die Gelbe Karte. Aber das lässt sich charmant lösen, ohne es an dich heranzulassen.

zur Person Babak Rafati
Der 54-Jährige leitete 84 Bundesliga-Spiele und 102 Zweitligapartien, zwei Länderspiele und war bei sechs Begegnungen im Europapokal im Einsatz. Heute hält er Vorträge zu den Themen Führung, Motivation und Stressmanagement in Unternehmen und arbeitet mit seiner Frau als Mentalcoach.

Und wie?

Du musst es an dir abperlen lassen und sagen, der meint mich gar nicht. Das ist sein Verhalten. Es ist ein Umgang mit sich selbst, und wer mit sich selbst so umgeht, geht auch mit anderen so um. Und schon ist das Thema in Sachen Konfliktmanagement beseitigt in der Schublade.

Klingt einfach.

Das ist relativ einfach, aber es ist ein langer Prozess, den ich durchgemacht habe. Ich war fast im Grab, deshalb verstehe ich das heute. Um das einmal deutlich zu machen: Ich spreche das nicht an, weil ich ein toller Typ bin und das alles weiß, sondern ich war damals ein Vorbild, wie man es nicht macht. Daraus habe ich gelernt und das hilft mir heute, mit solchen Dingen anders umzugehen.

Seit 2024 bist du als Schiedsrichter in der Baller League wieder regelmäßig an der Pfeife.

Auch wenn die Bundesliga medial natürlich eine ganz andere Sache ist, ist es ehrlich gesagt manchmal schwieriger, Baller League zu pfeifen.

Warum?

Wir lassen mehr laufen und haben durch das kleinere Feld viel mehr Umschaltmomente, was brutale Konzentration erfordert und sehr herausfordernd ist. Bei zweimal 15 Minuten hast du gefühlt eine Nettospielzeit von 29 Minuten und 57 Sekunden. Das geht voll auf die Pumpe, auch wenn wir an der Seitenlinie nur auf- und abgehen. Aber es macht riesig Spaß. Montag ist Partytime, sage ich jetzt immer.

Wie hat sich dein Spiel durch das kleine Feld verändert?

Das macht es noch schwieriger und das Stellungsspiel enorm anspruchsvoll. Draußen hast du die Möglichkeit, dich variabel zu den beiden Spielern, die sich zum Strafraum orientieren, zu positionieren und den besten Blickwinkel zu haben. Hier kannst du nicht einfach aufs Feld, du musst immer an der Linie bleiben, weil du auf Abseits guckst und zeitgleich auf den Zweikampf. Zudem kannst du mit einem vorschnellen Pfiff einen Vorteil wegnehmen, der im nächsten Moment ein Tor wird.

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Babak Rafati: Mit einem Lächeln auf dem Platz ist es für alle einfacher.Bild: imago images / mis

Anders als im Profifußball hat jeder Trainer pro Spiel eine Challenge, um den Videobeweis zu fordern. Wäre das ein Modell für die Bundesliga?

Ich fände es gut, wenn man es ausprobiert. Die Baller League ist ein Vorreiter dafür, dass es umsetzbar und transparent für die Zuschauer ist. Es gibt die Durchsage, warum wir gucken und dann begründest du die Entscheidung. Aber wie so oft im Profifußball bleiben die oberen Herren stur bei der Regelung und wollen es in den Händen der Schiedsrichter lassen.

Spieler und Fans bekommen bei der Baller League über eine große Leinwand die gleichen Bilder wie ihr zu sehen. Macht es die Entscheidungsfindung leichter?

Du spürst und hörst die Reaktionen natürlich. Für die ist das eindeutig, aber ich habe manchmal immer noch nichts Klares gesehen. Dann guckst du das nochmal an und überlegst schon ein zweites Mal. Und bevor du eine Entscheidung triffst, guckst du noch detektivischer hin. Das erfordert hohe Konzentration.

Ein anderes Streitthema bleibt die Handregel. Kannst du sie einfach erklären?

Handspiel ist gar nicht so schwierig. Es gibt zwei Kriterien: die Absicht und die Vergrößerung der Körperfläche. Also wenn du in Kauf nimmst, dass der Ball von deinem Knie an deinen ausgestreckten Arm prallt.

"Es wäre einfacher, wenn wir eine andere Fehlerkultur hätten."

Warum versteht es trotzdem keiner?

Das größte Problem ist, dass Schiedsrichter in der Bundesliga eine falsche Handspielentscheidung im Nachhinein noch als richtig verkaufen. Dann versteht es keiner mehr. Und dadurch hast du keine richtigen Schubladen, um festzulegen: Handspiel oder kein Handspiel.

Was hilft dagegen?

Man müsste als Schiedsrichter nach den Spielen mit in die Pressekonferenz gehen und sagen: 'Das habe ich gepfiffen, aus dem Blickwinkel, weil ich dort gestanden habe.' Und am Ende sagen, ob es richtig oder falsch war. Dann würden die Leute das Handspiel verstehen und es würde von außen nicht mehr so intransparent sein.

Schiedsrichter äußern sich nach dem Spiel nur selten.

Genau. Viele Schiedsrichter gehen oft nach Hause und glauben, der Handelfmeter war richtig. Wenn sie sich die Szene nochmal anschauen, sehen sie auch, dass es doch kein Elfmeter war. Es wäre einfacher, wenn wir eine andere Fehlerkultur hätten. Die Akzeptanz für eine Entscheidung ist viel größer, wenn du sie auch erklärst – selbst bei einem Fehler.

Wer ist dort gefordert?

Ich erinnere mich, dass ich als Schiedsrichter nach internationalen Spielen keine Interviews geben durfte. Das war strikt verboten. Aber der DFB könnte für seine Schiedsrichter festlegen, dass sie nach jedem Spiel in der ersten und zweiten Liga Teil der Pressekonferenz sind. Wenn es eine diskutable Szene gibt, erklärt man diese. So entsteht ein besseres Miteinander.

Woran scheitert diese Idee?

Der DFB will es nicht. Die Herren sind sich zu fein dafür und das finde ich sehr schade. Wir haben so eine Strahlkraft und können den Leuten zeigen, dass uns ein normaler Fehler unterlaufen ist. Das ist doch nicht schlimm. Dann stehen wir auch dazu und erklären, warum.

Um den Videoschiedsrichter zu verbessern, gab es die Idee, ihnen Ex-Profis an die Seite zu setzen.

Dafür ist die Schiedsrichterzunft wiederum viel zu sehr in sich gekehrt und gleicht meines Erachtens einer Sekte.

Hast du das dafür Verständnis?

Ich verstehe nicht, warum wir so engstirnig sind. Wir Schiedsrichter haben nie auf diesem Niveau gespielt und können gewisse Abläufe oder Tricks gar nicht einschätzen. Wann nehmen sie den Ellenbogen beim Hochspringen bewusst raus oder wie war der Bewegungsablauf beim Handspiel? Da könnten Ex-Profis Abhilfe schaffen.

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