Watson: Du hast bisher bei jedem Turnier einen anderen DFB-Coach mit konträrer Grundstimmung rund um die Mannschaft erlebt. Mit welchem Gefühl gehst du in die EM 2025?
Lea Wagner: In Australien hatte ich kein Gruppenaus antizipiert, sondern eigentlich eine gute Stimmung in der Mannschaft wahrgenommen. Ich halte weiterhin sehr viel von Martina Voss-Tecklenburg. Von daher ist das vorab schwierig einzuordnen.
Die Dynamik ergibt sich also erst während eines solchen Turniers?
Ja, eine Richtung wird erst nach dem ersten Spiel zu erkennen sein. Unter Hansi Flick war das DFB-Team lange ungeschlagen, niemand hatte mit einem Gruppenaus gerechnet. Ich möchte daher keine Prognose auf Grundlage von Testspielen wagen. Wichtig wird sein, wie schnell sich das Team findet, wie schnell es Erfolgserlebnisse hat und dass es merkt, auch mit Rückschlägen umgehen zu können.
Was muss Christian Wück für den positiven Vibe anders machen als Martina Voss-Tecklenburg 2023?
Manuel Neuer hat mal gesagt, dass das erste Spiel das wichtigste ist. Zu dem Zeitpunkt sind die Stimmung und das Selbstvertrauen innerhalb des Teams noch vulnerabel. Wichtig ist aber auch der Zeitpunkt der Kaderbekanntgabe.
Voss-Tecklenburg hatte 2023 lange ein vorläufiges Aufgebot zusammen, was ihr im Nachgang negativ ausgelegt wurde.
Das habe ich aus Mannschaftskreisen in Australien auch immer wieder gehört. Es ist problematisch, wenn der Kader zu spät benannt wird. Das Team muss zusammenwachsen. Das geht aber nicht, wenn du jede Nebenfrau als Konkurrentin ansehen musst. Niemand hat sich vor Australien sicher gefühlt. Das hat in Testspielen eher zu Alleingängen animiert.
Wück wählt einen anderen Ansatz, verkündet im Juni direkt seinen finalen Kader. Macht das Team unter ihm noch etwas anders?
Bei den Männern in Katar und bei den Frauen in Australien waren die Teamquartiere zwar wunderschön, aber abgeschieden. Die deutsche Mannschaft hat von der positiven Aura der Fans und Einheimischen gar nichts mitbekommen. Es ist wichtig, mehr ins Leben reinzugehen. Das erwarte ich in Zürich.
Inwiefern sind auch die Spielerinnen gefragt, für gute Laune im Camp zu sorgen?
In erster Linie ist das die Aufgabe des Trainers, indem er den Kader mit passenden Typen zusammenstellt. Manche ziehen sich lieber etwas zurück und müssen das während eines solchen Turniers auch ausleben dürfen.
Die Männer hatten letztes Jahr mit Undav oder Müller auch "Gute Laune"-Profis im Kader, die weniger gespielt haben, aber für die Teamchemie enorm wichtig waren. Wem traust du diese Rolle bei den Frauen zu?
Mit Alexandra Popp fehlt das prägendste Gesicht der letzten Jahre. Es kann gut für die Mannschaft sein, dass mehrere Spielerinnen dieses Vakuum füllen müssen. Laura Freigang kommt dafür infrage, sie bringt ihre Mitspielerinnen zum Lachen. Sie hat eine positive, gelassene Aura.
Das sind auch Eigenschaften, die Lena Oberdorf zugeschrieben werden. Muss sie mitkommen?
Ich hätte Lena Oberdorf am liebsten auf dem Platz dabei, weil sie eine überragende Spielerin ist. Ich finde sie auch als Frau unfassbar. Für die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist sie sicherlich sehr wichtig.
Und falls es sportlich nicht reicht? Sollte sie das Team von der Bank aus supporten, wie es David Beckham bei den Engländern 2010 gemacht hat?
In der Bundesliga wollen viele, dass die Kabine ein geschützter Raum für diejenigen aus dem Kader bleibt, um den Fokus aufrechtzuerhalten. Ich finde die Idee aber sehr charmant.
Du bist für die ARD in jedem Fall dabei, nach der Herren-WM 2022, der Frauen-WM 2023 und der Herren-EM 2024 ist es dein viertes großes Fußballturnier in Folge. Wie aufgeregt bist du noch?
Ich bin nicht mehr so aufgeregt, aber die Vorfreude ist noch größer, weil ich weiß, was mich erwartet.
Das DFB-Team bereitet sich ab dem 19. Juni auf die EM vor. Wann startet deine Vorbereitung?
Meine Vorbereitung hat schon begonnen. Das Team hat sich seit der WM in Australien stark verändert, mit Christian Wück haben wir einen neuen Bundestrainer.
Wie genau sieht deine Vorbereitung aus?
Das ist ähnlich wie bei den Männern: Ich versuche, auch schon während der Saison möglichst viel zu schauen und damit kontinuierlich up to date zu bleiben. Jetzt grabe ich mich noch etwas tiefer ins Thema ein, führe viele Telefonate. So geht das bis zum Start weiter.