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Homosexualität im Profi-Fußball: Marcus Urban verteidigt "hübsche Paare"

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Regenbogenfarben und Symbole sind in Fußballstadien immer wieder zu sehen. Doch gerade im Männer-Fußball ist Queerness ein Tabuthema.Bild: imago images / Oliver Ruhnke
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Homosexuelle Bundesliga-Profis: "Seit 17 Jahren schweige ich über die Namen"

Kurz vor dem Saisonstart wirbelte Ex-Fußball-Profi Marcus Urban mit seinen Aussagen zu homosexuellen Bundesliga-Profis die Fußball-Welt auf. Im watson-Interview spricht er über die Auswirkungen, gescheiterte Coming-outs und die große Angst.
05.09.2025, 18:1705.09.2025, 18:17
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Watson: "Es gibt auch schwule Paare in der Bundesliga, und zwar sehr nette, sehr hübsche." Mit diesem Satz hast du in einem "Bild"-Interview vor Bundesliga-Start für eine Menge Aufsehen gesorgt. Hat dich die riesige Aufregung verwundert?

Marcus Urban: Ich nehme das wahr. Ich habe einen Google Alert auf dem Handy und schaue mir das ein oder andere auch an. Ich habe das im Privaten auch mal Freundinnen erzählt, die nicht so viel mit Fußball am Hut haben.

Und wie war ihre Reaktion?

Die mussten über die Bezeichnung "hübsche Paare“ lachen. Für mich ist das aber völlig normal. Ich kenne diese Paare schon seit längerem, habe sie auch gesehen und spreche es einfach in einer lockeren Form aus. Im Grunde kann sich das doch jeder denken. Ich kann aber auch verstehen, dass es Aufsehen erregt.

Hast du durch diesen Satz von den Paaren auch Gegenwind erfahren?

Die Spieler bekommen Angst bis Panik, wenn solche Berichte von jemandem wie mir kommen – denn sie wissen, dass ich sie kenne. Das wird auch sehr schnell an mich herangetragen.

zur Person
Marcus Urban ist ehemaliger deutscher Jugend-Nationalspieler. Nach seinem Karriereende outete er sich 2007 öffentlich als homosexuell und wurde zu einem der bekanntesten Aktivisten für mehr Akzeptanz queerer Menschen im Sport. Heute arbeitet er als Autor, Speaker und Diversity-Berater, unter anderem für Bundesliga-Klubs, Unternehmen, Verbände und Bildungseinrichtungen.
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Bild: dpa / Jens Kalaene

Von den Spielern selbst?

Nein. Über Personen, die mit den Spielern in Kontakt stehen. Die meisten trauen sich nicht, mich zu kontaktieren. Für Spieler, Trainer und auch Schiedsrichter kann es überfordernd sein, mit jemandem zu kommunizieren, der öffentlich so offen und selbstbewusst zu diesem Thema steht.

Wie reagierst du darauf?

Ich bemühe mich, die Spieler und alle Beteiligten zu beruhigen, dass nichts Besonderes passiert ist. Seit 17 Jahren schweige ich über die Namen und es gibt keine Hinweise von mir. Da muss ich natürlich aufpassen.

"Wenn darüber nicht gesprochen wird, wird aus etwas Normalem etwas Anrüchiges."

Fällt dir das schwer?

Nein. Es ist gut, dass ich Kommunikationsexperte bin und die Feinheiten kenne. Ich weiß, wann man aufhören muss, Details zu benennen oder wann ich schweigen muss. Am Ende haben es die Spieler selbst in der Hand, was sie sagen und machen.

Du hast gesagt, dass es bereits fertige Konzepte und Kampagnen gab, wie Spieler ihr Coming-out feiern wollten. Es scheiterte jedoch vor allem an Berater:innen und dem persönlichen Umfeld.

Das nur auf andere Leute zu schieben, ist aber auch zu einfach. Am Ende muss die Person selbst entscheiden, inwieweit sie frei und selbstbestimmt leben möchte oder nicht. Es betrifft auch junge Spieler im Alter von 19 oder 20 Jahren nochmal ganz anders.

Inwiefern?

Profifußballer hin oder her: Das sind junge Menschen, die unter enormem Druck stehen und noch ein Persönlichkeitswachstum vor sich haben. Wenn Berater:innen oder die Familie andere Interessen haben, sind die Spieler leichter zu manipulieren, einzufangen oder stehen eben in gewissen Abhängigkeiten. Das finde ich nicht gut.

"Wenn man nicht im aktiven Fußball steckt, ist es schwer und nicht angemessen, jemandem von außen etwas zu raten."

Das Coming-out von Profi-Spielern scheitert, gleichzeitig gibt es immer wieder die Aussagen über homosexuelle Paare. Entsteht dadurch nicht ungewollt Druck auf die Spieler und eine Erwartungshaltung, die gar nicht erfüllt werden kann?

Wenn aber nicht darüber gesprochen wird, wird aus etwas Normalem etwas Anrüchiges. Das gilt es zu beenden, damit man ganz normal über Liebe, Leidenschaft und Partnerschaft sprechen kann. Es geht auch nicht um eine Pflichterfüllung, sondern es ist ein Unterschied, ob ich mich als heterosexuelle Person frei entscheide, über meine Freundin zu reden oder ob ich als Homosexueller aus Angst nicht über meinen Freund spreche. Für das eigene Glück und die mentale Gesundheit ist es wichtig, dass man diese Teile seiner Persönlichkeit nicht verstecken muss.

Glaubst du, es fällt Amateur-Fußballern leichter, sich zu outen?

Vielleicht fällt die Öffentlichkeit weg, aber es gibt auch dort Hemmnisse. Ich stehe auch mit Spielern in der dritten und vierten Liga in Kontakt und dort sind die Gründe teilweise noch vielschichtiger. Darauf wäre ich nicht gekommen.

Zum Beispiel?

Sie outen sich nicht, weil sie Angst haben, jemand anderen zu verraten, mit dem sie auf Instagram in Kontakt sind. Und dann hat diese Person vielleicht noch einen anderen kulturellen Hintergrund, wodurch die Familie in Aufruhr ist. Jemand outet sich nicht, weil er jemand anderem nicht schaden will: Soll das das Kriterium für das eigene Leben sein?

Was würdest du aktuellen Spielern raten?

Ich möchte nicht über andere urteilen. Wenn man nicht im aktiven Fußball steckt, ist es schwer und nicht angemessen, jemandem von außen etwas zu raten. Ich kenne es von mir, dass es viele Ausreden gibt, warum man nicht über seine Ängste springt und sich so zeigt, wie man ist.

Im Mai 2024 hattest du ein Gruppen-Outing initiiert, das jedoch verpuffte. War das für dich ein persönlicher Rückschlag?

Ich war auf alles gefasst. Aber es wäre gelogen, wenn ich sage, dass ich nicht enttäuscht war.

Weil es andere Anzeichen gab?

In der Vorrecherche kam heraus, dass sich einzelne Spieler bereits vor Jahren outen wollten. Wie viele es sind und dass teilweise Weltstars und Amateurspieler in Kontakt stehen, wussten wir gar nicht.

Gab es noch etwas, das ihr nicht wusstet?

Dass sie sich gerne outen wollen würden und bereits versucht hatten, etwas zu organisieren. Es brach jedoch immer wieder zusammen, weil sie Angst bekamen. Daher war die Idee, dass wir ein kleines Online-Haus bauen, wo wir zeigen, wie es anderen Fußballern gelungen ist und die Spieler ihre Geschichte zeigen können.

Woran ist es gescheitert?

Wir haben Spielern, Trainern, Schiedsrichtern eine Tür gezeigt, aber hindurchgehen müssen sie schon selbst.

In der Öffentlichkeit war eine gewisse Enttäuschung zu verspüren.

Die Enttäuschung kann ich nachvollziehen, weil viele natürlich gedacht haben, dass es jetzt klappt. Aber wir haben ein Angebot gemacht, kein Versprechen, wie es medial häufig dargestellt wurde. Es ist auch kein Erfolg, wenn ein Coming-out stattfindet, gleichzeitig ist es kein Misserfolg, wenn kein Coming-out stattfindet.

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