
Die deutschen Eishockey-Spieler rund um Kapitän Moritz Seider sind heiß auf die WM.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
Interview
Rick Goldmann ist eines der TV-Gesichter im deutschen Eishockey. Erst war er selbst Profi, dann wechselte er die Seiten. Nun ist er Eishockey-Experte bei "Ran". Im Interview mit watson spricht er über die WM (9. bis 25. Mai) und die Herausforderungen des deutschen Teams.
09.05.2025, 16:1609.05.2025, 16:16
2018 gewann die Eishockey-Mannschaft Silber bei Olympia, 2023 Silber bei der Weltmeisterschaft. Macht es in den vergangenen Jahren mehr Spaß, die Spiele des DEB-Teams zu kommentieren als davor?
Rick Goldmann: (Schmunzelt) Gute Frage. Mir ist die Nationalmannschaft immer am Herzen gelegen. Ich war lange Spieler und bin nach der Karriere sofort Experte geworden. Das Potenzial, mit einer Eishockey-WM Menschen zu begeistern, habe ich schon immer gesehen. Aber vor allem in den letzten sieben, acht Jahren hat das deutlich zugenommen.
Was hat sich da konkret für dich geändert?
Mit dem sportlichen Erfolg macht es natürlich auch uns Kommentatoren mehr Spaß. Aber auch, dass die Zuschauerzahl größer und die Menschen euphorischer werden, ist fantastisch, weil wir das letztlich für sie machen.

Rick Goldmann arbeitet seit seinem Karriereende als Spieler als Eishockey-Experte.Bild: Rick Goldmann
Schon im vergangenen Jahr waren die Einschaltquoten ordentlich, das Spiel gegen die Slowakei kam beispielsweise auf über 16 Prozent Marktanteil. Wie überzeugst du Menschen, die bislang noch nicht im Eishockey stecken?
Eishockey ist unheimlich dynamisch und nie langweilig. Dazu erlebt das deutsche Eishockey einen Boom, mit Leon Draisaitl spielt einer der Weltbesten in der NHL und hat in diesem Jahr die meisten Tore erzielt. Durch das Olympia-Silber und Silber bei der WM vor zwei Jahren spielt sich auch die Nationalmannschaft in den Fokus. Es ist eine starke neue Generation an Spielern entstanden, die eine Menge Freude macht. Jetzt werden auch einige deutsche NHL-Profis, wie Moritz Seider, bei der WM spielen.
Der Kader hat sich aus einer rund vierwöchigen Vorbereitungszeit gebildet. Besteht bei so einer langen Zeit die Gefahr, dass irgendwann die Luft bei den Spielern raus ist?
Es gibt bei dieser Art der Vorbereitung zwei Dinge zu bedenken.
Welche?
Der Kader vom Anfang hat mit dem am Ende meistens nur sehr wenig zu tun. Die erste Phase ist für die Spieler, die die Playoffs nicht geschafft haben. Der Kader wird immer wieder angepasst, mit Spielern, die mit ihren Klubs nach und nach aus dem Rennen um die Deutsche Meisterschaft ausgeschieden sind. Zum letzten Vorbereitungsspiel sind 12 Spieler, also etwa 50 Prozent, zum endgültigen WM-Kader gestoßen. Die wenigsten Spieler gehen wirklich die gesamte Vorbereitung mit.
"Sie können sich dem Bundestrainer präsentieren. Wenn es dann nicht reicht, müssen sie den Leistungsgedanken akzeptieren."
Welchen zweiten Punkt siehst du?
Die Spieler haben auch komplett freie Tage, an denen sie zu ihrer Familie können. Dazu gibt sich der Staff viel Mühe, abseits des Trainings für Abwechslung zu sorgen.
Wie ist es für einen Spieler, der von Anfang an dabei ist, aber eigentlich davon ausgehen muss, am Ende die WM zu verpassen?
Das ist Leistungssport. Punkt. (Lacht.) So funktioniert eben dieser Profi-Sport, aber es ist gleichzeitig auch eine Chance. Sie können auf hohem Niveau lernen und sich dem Bundestrainer präsentieren. Wenn es dann nicht reicht, müssen sie den Leistungsgedanken akzeptieren. Das weiß jeder Spieler, man ist darauf mental eingestellt.
Du würdest also die Chance für den Spieler in den Vordergrund stellen?
Sie wissen ja zumindest nicht, was passiert. Es kann immer eine Verletzung auftreten oder ein NHL-Profi absagen. Auf einmal könnten zwei, drei Plätze vakant sein. Da müssen die Spieler zeigen, dass sie da sind.
Der Großteil der NHL-Spieler und die Profis aus der deutschen Finalserie zwischen Berlin und Köln kamen erst spät dazu. Kann sich in weniger als zehn Tagen ein Team finden?
Das ist die große Herausforderung. Alle WM-Teilnehmer stehen aber vor diesem Problem, weil alle gleich getaktet sind und auch davon abhängig sind, wann die NHL-Spieler dazukommen. Das Team Kanada ist ein gutes Beispiel: Da wurden jetzt fünf Tage vor Start der WM noch Superstars wie Sidney Crosby und Nathan MacKinnon zum WM-Kader hinzugefügt. Die trainieren das erste Mal gemeinsam in Schweden, also maximal eine Woche, eher vier Tage vor WM-Start.
Welche Auswirkung hat das auf die Zusammenstellung des Kaders und der einzelnen Reihen?
Natürlich versuchen die Trainer ihre Kader so zusammenzustellen, dass sich die Spieler schon kennen. Das kann aus vorherigen Weltmeisterschaften, U-Mannschaften oder dem Klub sein.
Würdest du sagen, das individuelle Leistungsniveau ist da dem guten Gefüge untergeordnet?
Auch da ist es eine Mischung. Jeder Spieler im Kader hat eine gewisse Rolle. Es gibt zwei eher offensiv geprägte Formationen, dann wiederum eine Checking Line, die für den defensiveren Part und das Stören des Gegners zuständig ist, dann Unterzahlspieler. Diese und noch mehr Rollen gibt es bei Stürmern und Verteidigern.
Wie werden diese Rollen mit den Spielern kommuniziert?
Das wird klar und deutlich gemacht. Der Spieler bekommt gesagt, ob er im Powerplay, der Unterzahl oder zum Beispiel nicht über zehn Minuten pro Spiel erhält und muss die entsprechende Rolle annehmen. Bei so einer kurzen WM mit sieben Spielen innerhalb von elf Tagen kannst du keine Störgeräusche gebrauchen.
Die deutsche Finalserie war relativ früh vorbei, noch zwei weitere Spiele wären möglich gewesen. Ist das ein Vorteil für die Spieler?
Für die WM ist es definitiv ein Vorteil. Die Spieler haben dadurch vier Tage länger frei, können die Meisterschaft genießen und etwas Distanz aufbauen, bevor es mit der WM zum nächsten Höhepunkt geht. Die mentale Hygiene kann stattfinden. Wenn es noch länger wäre, könnte die Spannung zu sehr abfallen, deshalb sehe ich den Zeitraum so absolut perfekt.
"Das Finale ist vielleicht am Anfang beim Kaffee nochmal ein Stichelpunkt, aber dann ist das abgehakt."
Die Kölner Haie haben die Finalserie eindeutig 1:4 verloren, darunter drei 0:7-Pleiten. Kann es deshalb zu Reibungen zwischen Justin Schütz, dem einzigen Kölner, und den Berlinern geben?
Auf Vereinsebene mag der Frust da sein. Die Nationalmannschaft zeichnet es aber aus, seitdem ich damit etwas zu tun habe, dass du eine Einheit bist, sobald du die Kabine betrittst. Das Finale ist vielleicht am Anfang beim Kaffee nochmal ein Stichelpunkt, aber dann ist das abgehakt.
Glaubst du, das spielt auch unterbewusst keine Rolle?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube eher, dass schnell der Geist herrscht: "Okay, du hast es in der Meisterschaft nicht geschafft, dafür holen wir jetzt gemeinsam etwas mit der Nationalmannschaft."
Das würde für deine These sprechen, dass der Vereinsfrust hinter der Kabinentür abgelegt wird.
Ich glaube auch, dass das durch die neue Spielergeneration möglich ist. Sie sind viel mündiger geworden und gehen das auch selbst an. Früher hat man gewartet, dass der Trainer etwas unternimmt, mittlerweile geht viel von den Spielern aus. Da sind genügend Charaktere in der Mannschaft.
An wen denkst du da konkret?
Es gibt Spieler wie Jonas Müller oder Marcel Noebels, die viel auf Vereinsebene erreicht haben, aber auch mit der Nationalmannschaft. Genauso wie Moritz Seider. Er ist ein perfektes Beispiel, hat seine vierte volle NHL-Saison gespielt, wird als Kapitän auflaufen, gehört zu den Leistungsträgern und ist eine Führungspersönlichkeit, die die Mannschaft vereinen kann.
Welche Rolle spielt bei der WM der Spielplan, der mit Ungarn, Kasachstan und Norwegen beginnt?
Es sind die Spiele, in denen du abliefern musst, die du gleichzeitig nicht unterschätzen darfst, aber auf jeden Fall deine Punkte holen musst. Gerade Kasachstan und Norwegen sind sehr unangenehme Mannschaften, wenn da der Torhüter noch heiß läuft, kann es schwer werden. Ob das Team ins Viertelfinale kommt, kann sich aber auch erst am letzten Spieltag in der Partie gegen Gastgeber Dänemark zeigen. Dazu kommen die Top-Favoriten der Gruppe mit den USA und Weltmeister Tschechien.
Abschließend: Wo hat Deutschland noch Baustellen und was steckt im Team drin?
Offensiv überzeugt mich Deutschland, aber das Team um Harold Kreis muss defensiv verantwortlicher spielen. Wenn sie das schaffen, ist das Viertelfinale machbar. Über alles, was dann noch kommt, können wir uns freuen.