Die Frauen-Bundesliga ist zurück aus der Winterpause und liefert direkt ein Topspiel: Meister Bayern hat die Verfolgerinnen aus Hoffenheim zu Gast. Wenn die TSG am Samstagnachmittag Zählbares aus München entführen will, dürfte auch Sarai Linder wieder auf dem Platz stehen.
Die Außenverteidigerin ist bei Hoffenheim ebenso gesetzt wie im DFB-Team. Mit watson hat die deutsche Nationalspielerin über den Bundesliga-Restart, Bundestrainer Horst Hrubesch sowie die Sichtbarkeit des Frauenfußballs in Deutschland gesprochen.
Watson: Sarai, sechs Wochen lang musstest du ohne Bundesliga auskommen. Hat dich die lange Winterpause genervt?
Sarai Linder: Es ist schwer, über einen langen Zeitraum seine Leistungen abzurufen. Deshalb hat es allen gutgetan, zu Hause abzuschalten und mal nichts mit Fußball zu tun zu haben. Für mich kam die Pause zum richtigen Zeitpunkt.
Freust du dich trotzdem auf den Restart?
Ja, es kribbelt schon. Ich habe Lust zu zeigen, was wir in der Pause erarbeitet haben. Dazu geht es direkt gegen einen Topgegner.
Ihr müsst nach München. Ist das nach der langen Auszeit besonders schwierig?
Zum Ende des Jahres hat man bei den Bayern auch gemerkt, dass ihnen die vielen Spiele in den Beinen hängen. So ging es uns aber auch, gerade den Nationalspielerinnen im Team. Alle drumherum hatten auch einen müden Kopf. So gesehen finde ich es jetzt besser, wir sind alle ausgeruht.
Für die Bayern ist es das zweite Spiel des Jahres, sie mussten am Mittwoch schon in der Champions League ran.
Gegen die Roma mussten sie bis zum Ende alles investieren. Das kann uns zugutekommen, wir dürfen es aber auch nicht überschätzen. Womöglich haben sie durch das eine Spiel nun auch schon wieder etwas mehr ihre Abläufe drin.
Ihr habt zuletzt fünfmal in Folge gegen die Bayern verloren. Wie könnt ihr diese Serie am Samstag beenden?
Wichtig ist, wie man ins Spiel kommt und wie schon das Aufwärmen davor läuft. Die Einstellung wird ein entscheidender Aspekt sein: wie wir in den Zweikämpfen agieren, wie wir unseren Matchplan umsetzen.
Es wird also über die Intensität gehen?
Ja, definitiv. Wir wissen um die Qualität der Bayern. Für sie wird es eklig, wenn wir bei jedem Zweikampf, bei jeder Ballannahme eng dran sind.
Gerade zu Beginn der Saison habt ihr das regelmäßig auf den Platz bekommen, etwa beim 2:2 in Wolfsburg. In den letzten fünf Spielen vor Weihnachten folgten aber drei Pleiten. Was ist da passiert?
Teams wie Bremen, Leverkusen oder Essen machen gute Arbeit. Die Vereine werden in vielen Bereichen besser und stellen sich im Staff besser auf. Es spricht für die Liga, dass man nicht mit 80 Prozent in die Spiele gehen kann, sondern dass man an seine Grenzen gehen muss. Das haben wir phasenweise nicht geschafft.
Wie zeigen sich ein paar fehlende Prozentpunkte auf dem Platz ganz konkret?
Gegen Leverkusen oder Essen beispielsweise hatten wir zu viele individuelle Fehler und Probleme in der Abstimmung. Das wurde eiskalt bestraft, auch weil sie konterstark sind.
Nach dem tollen Saisonstart hast du von Europa gesprochen. Haben die vergangenen Spiele etwas an der Zielsetzung geändert?
Hoffenheim hat schon mal in der Champions League gespielt, daher strebt man das schon an. Platz drei oder weiter oben –gerne! Das ist unser Saisonziel und das ist auch noch machbar.
Seit April des letzten Jahres bist du A-Nationalspielerin. Hast du das schon richtig realisiert?
Es fühlt sich schön an, aber ich muss natürlich trotzdem weiterhin meine Leistungen bringen. Ich kann nicht sagen, dass ich beim nächsten Lehrgang wieder dabei bin – da bin ich noch nicht und so möchte ich auch noch nicht denken.
Unter Horst Hrubesch läuft es für die Nationalmannschaft wieder besser. Was macht ihn so besonders?
Seine lockere Art zeichnet ihn aus. Er weiß genau, wie er Spielerinnen ansprechen muss. Dazu seine Erfahrung, er coacht sehr viel.
Inwiefern?
Während des Trainings, aber auch danach oder in den Pausen. Dann kommt er schon mal zu einem hin und bespricht einzelne Situationen. Das ist total menschlich, dass er kommt und man es so in der nächsten Situation direkt umsetzen kann. Er ist einem nicht böse, wenn man Fehler macht.
Und rein taktisch?
Es ist die klare Struktur, wie er Fußball spielen möchte. Das kommt uns entgegen. Er weiß, dass wir alle kicken können.
Was unterscheidet ihn von seiner Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg?
Er ist ein anderer Typ Trainer, aber das ist ja normal. Alle sind unterschiedlich.
Wünschst du dir, dass Hrubesch über Olympia hinaus Bundestrainer bleibt?
Klar, gerne! Ich finde Horst gut, er bringt gute Einwände. Es liegt an seiner Planung und an der des DFB.
Du hast mal gesagt, dass du als Mädchen lange Zeit nicht wusstest, dass es eine Frauen-Nationalmannschaft oder Mädchenteams gibt. Hat sich die Präsenz des Frauenfußballs mittlerweile verbessert?
Ja, definitiv. Das merkt man daran, wie viel im Fernsehen läuft, wie viel man auf Social Media mitbekommt oder wie viel Werbung an der Straße gemacht wird. Es ist schön, dass sich der Frauenfußball so schnell und so groß entwickelt.
Spürst du selbst eine gewisse Verantwortung, für Sichtbarkeit zu sorgen?
Ich will die Menschen auf dem Platz für den Frauenfußball begeistern, möchte bei jedem Spiel meine beste Leistung bringen und damit all die Leute mitreißen, die zusehen. Es ist ein Ansporn, dass sie dann beim nächsten Spiel wiederkommen.
Gibt es trotz der erhöhten Präsenz weitere Verbesserungsmöglichkeiten?
Nach oben ist immer Luft. Es ist aber toll, dass man etwa bei DAZN ein gesondertes Abo abschließen kann, um Frauenfußball zu schauen. Ich finde es gut, dass die Spiele der Nationalmannschaft bei den Öffentlich-Rechtlichen laufen. So kann jeder darauf zugreifen.
Beim Blick auf deine Vita sticht vor allem das eine Jahr bei den UCF Knights, dem Fußballteam der University of Central Florida, heraus. Was hat dich 2020 zu diesem Schritt bewogen?
Ich wollte immer mal ins Ausland. Direkt nach der Schule hat es für mich am meisten Sinn ergeben, das mal auszuprobieren.
War es die richtige Entscheidung?
Ich kann jedem empfehlen, diesen Schritt zu wagen. Mal aus seinem Umfeld rauszukommen, neue Leute und eine andere Art und Weise des Fußballs kennenzulernen. Fußballerisch hat es mich weitergebracht, noch mehr aber im menschlichen Bereich. Durch das Übernehmen von Verantwortung konnte ich andere Facetten an mir kennenlernen.
War die Rückkehr nach Hoffenheim von Anfang an geplant?
Es hat sich so ergeben. Ich hätte mir auch vorstellen können, dort drei oder vier Jahre zu bleiben. Nach einem Jahr hat es sich aber mit Hoffenheim entwickelt.
Hattest du vor deinem Bundesliga-Abschied keine Bedenken, dass du durch die Auszeit womöglich nicht mehr in die Liga hättest zurückkehren können?
Daran habe ich gar nicht gedacht. Mir ging es in erster Linie darum, aus meinem Umfeld herauszukommen, mal woanders zu spielen. Laura Freigang war vorher auch in Amerika. Das haben zu der Zeit mehrere gemacht, die ich kannte.
Du machst neben dem Fußball noch eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Wie viel Zeit beansprucht die?
37,5 Stunden pro Woche. Von daher sind meine Tage gut getaktet und ich habe zugleich einen Ausgleich.
Lässt sich das gut mit dem Profifußball vereinen?
Da kam mir Hoffenheim entgegen und mit der Ausbildung wurde besprochen, dass ich hin und wieder Fehltage haben werde. Es ist lediglich eine Frage der Kommunikation und Organisation. Aber das passt alles reibungslos.