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Union Berlin: Ex-Boss hat düstere Prognose für Steffen Baumgart

Trainer Steffen Baumgart rufend, zeigend, gestikulierend / Aktion / Oberk
Da steht das Tor: Steffen Baumgart muss beim 1. FC Union Berlin vor allem die Offensive wieder in Schwung bringen. Bild: imago images / Contrast
Interview

Union Berlin: Ex-Sportchef "fehlt Fantasie", wie Baumgart Erfolg haben soll

11.01.2025, 15:52
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Dieser Anruf aus Berlin-Köpenick war auch für Steffen Baumgart überraschend. "Union Berlin stand nicht auf meiner Liste. Aber manche Dinge gehen eben zügig und sind nicht geplant", sagte er auf seiner ersten Pressekonferenz als neuer Trainer des Bundesligisten.

Nun soll der Ex-Spieler (von 2002 bis 2004) als Chefcoach nach turbulenten Monaten wieder für Konstanz auf der Trainerbank sorgen und Union an die internationalen Plätze führen. Denn finanziell drückt der Schuh.

Wenn Christian Beeck über Baumgart spricht, nennt er ihn nur "Baumi". Seinem Freund drückt er die "Daumen und wünscht ihm allen Erfolg der Welt", wie er am Telefon erzählt. Der Ex-Sportdirektor der Köpenicker hat jedoch noch Zweifel, ob sich der Klub so schnell wieder im oberen Mittelfeld festsetzen kann.

"Mir fehlt ein bisschen die Fantasie, wie das mit der Qualität der Mannschaft funktionieren soll."
Christian Beeck, Ex-Sportchef von Union Berlin

Im watson-Interview nennt Beeck das große Problem, das Baumgart zum Verhängnis werden kann, gibt einen Einblick in die wirtschaftlichen Zwänge des Klubs und analysiert die verfehlte Transferpolitik.

Watson: Union Berlin und Steffen Baumgart, das passt auf den ersten Blick – aber auch auf den zweiten, Herr Beeck?

Christian Beeck: Auf den ersten Blick passt das zu einhundert Prozent. Dass ein Spieler 20 Jahre später als Trainer zurückkommt, ist etwas Besonderes. Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille.

Welche?

Die Anforderungen an den Trainer Steffen Baumgart sind andere als an den damaligen Spieler. Er soll den Verein zu Siegen und Punkten führen, aber in diesem Kontext kommt mir die Mannschaft, besonders die Offensive, zu kurz.

Inwiefern?

Mir fehlt ein bisschen die Fantasie, wie das mit der Qualität der Mannschaft funktionieren soll. Irgendjemand muss die Tore schießen und das war in der Vergangenheit unterdurchschnittlich bis schlecht. Jetzt geht es darum, wie er die Qualität der Spieler steigert und die fünf bis sechs Prozent rauskitzelt, damit die Mannschaft Tore erzielt. Sonst gewinnst du kein Spiel.

Union stand nach acht Spieltagen auf Rang vier, aktuell ist es Platz zwölf mit der zweitbesten Defensive der Liga. War unter Ex-Trainer Bo Svensson alles so schlecht?

Defensiv war das solide. Aber offensiv hat sich in drei Monaten mit nur 14 Toren nach 15 Spielen nichts geändert, es gab keine Entwicklung. Die Mannschaft muss erst noch nachweisen, dass sie das Zeug für die internationalen Plätze hat. Das ist das erklärte Ziel und ansonsten hätte man den Trainer nicht tauschen brauchen. Platz zwölf oder schlechter kann sich Union finanziell nicht erlauben.

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Top-Torjäger mit drei Treffern: Union Berlins Benedict Hollerbach.Bild: imago images / Christoph Kinzinger

Wie meinen Sie das?

Jeder Tabellenplatz weiter unten bedeutet zwei Millionen Euro weniger TV-Geld. Aber die Payroll ist bei Union in den vergangenen Jahren durch die Teilnahmen an Conference League, Europa League und Champions League immer höher geworden.

Also fällt dem Verein die schnelle Entwicklung gerade auf die Füße?

Definitiv. Die Gelder aus den europäischen Wettbewerben fallen weg, insgesamt werden die Einnahmen wieder geringer, aber die gestiegenen Personalkosten bleiben. Und 30 Millionen Euro ohne Europacup aufzuholen, wird nicht nur mit Trikotverkäufen zu schaffen sein. Wenn man mit Platz acht kalkuliert hat und nur auf Platz 14 landet wird, fehlen schnell zwölf Millionen Euro.

Baumgart ist nach dem Abgang von Urs Fischer im November 2023 der dritte Trainer im Amt. Muss der Verein aufpassen, dass der Trainerposten kein Schleudersitz wird?

Mit Steffen Baumgart hat man ein Glücklos gezogen. Aber ansonsten wurde in dieser Zeit schon viel verbrannte Erde hinterlassen. Gerade, wenn Trainer merken, dass der Präsident permanent die Entscheidung über den Trainer trifft.

Das müssen Sie genauer erklären.

Sportchef Horst Heldt ist nur die ausführende Person, aber Präsident Dirk Zingler hat die Entscheidungsmacht. Und wenn er Erwartungen an die Mannschaft hat, die gar nicht zu erfüllen sind, weil die Qualität nicht da ist, überlegt sich das jeder gute Trainer.

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Union-Präsident Dirk Zingler (links) und Sportchef Horst HeldtBild: imago images / Matthias Koch

Also hat Dirk Zingler zu viel Macht?

Ja, seit 20 Jahren. Die Trainer-Position entscheidet immer der Präsident bei Union Berlin. Der Manager kann seine Expertise einbringen, aber hat das zu tun, was der Präsident möchte. Das ist bei jedem Fußball-Klub so.

Ist die fehlende Qualität der Mannschaft ein Vorwurf, den sich Horst Heldt gefallen lassen muss? Er ist offiziell seit dem 1. Juli Geschäftsführer Profifußball Männer.

Damit hat er nicht viel zu tun. Das fällt noch in den Bereich seines Vorgängers Oliver Ruhnert. Dort wurde nicht sauber gearbeitet oder es fand keine richtige Zusammenarbeit mit Ex-Trainer Bo Svensson zusammen.

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Man hat das Gefühl, dass Union beim Thema Transfers das glückliche Händchen abhandengekommen ist.

Die letzten drei, vier Transferphasen waren eher unglücklich. Dort läuft aktuell grundsätzlich etwas falsch.

Was muss sich ändern?

Du brauchst wieder die Qualität im Scouting. Es muss wieder klarer werden, nach welchen Anforderungsprofilen man sucht. Es ist mühevolle Detailarbeit, die aber unerlässlich ist. Hat man die falsche Idee, was die Spieler können müssen, wird es weiter schwierig.

Baumgart hat bereits angekündigt, wieder mit einer Viererkette spielen zu wollen. Ist der Schlüssel zum Erfolg?

Sein Spielsystem ist darauf ausgelegt, dass die Mannschaft den Gegner vorne unter Druck setzt. Wenn sie es aber nicht schafft, ist in der Abwehr Geschwindigkeit gefragt. Aber dort sind mit Leite, Doekhi, Vogt, Querfeld, Trimmel und Rothe nicht die absoluten Super-Sprinter. Ich bin gespannt, wie das Trainerteam das steuert. Das wird eine Herausforderung, denn diese Mannschaft ist es nicht gewohnt, Viererkette zu spielen.

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Christian Beeck war jahrelang Sportchef bei Union Berlin und ist mit Steffen Baumgart befreundet. Bild: imago images / Matthias Koch

Beim HSV wurde er vor allem zum Ende seiner Amtszeit für seine mutlose Spielweise kritisiert. Ist Baumgart-Fußball noch zeitgemäß?

Seine Spielidee ist zeitgemäß, wenn er die richtigen Spieler dafür hat, die seine Vorgaben gut umsetzen. Wenn er seine Idee in einem Prozess vermitteln kann, verspricht das Erfolg. Aber bei Union muss einer Mannschaft etwas von heute auf morgen beigebracht werden, die eigentlich eine ganz andere Prägung hat. Das braucht drei, vier Monate, aber so viel Zeit hast du im Fußball nicht.

Zwischen seinem Amtsantritt und dem Bundesliga-Auftakt ins neue Jahr in Heidenheim liegen nur zwölf Tage.

Das ist sehr kurz und nicht ohne. Es kann ein großer Sieg werden, aber auch eine harte Landung. Er muss sauber einschätzen, was seine Mannschaft kann und dass er sie nicht überfordert. Das ist immer das Risiko, wenn du neue Trainer verpflichtest: Wie können sie mit der Qualität deiner Mannschaft umgehen und was kann er besser als der Trainer, den ich gerade habe?

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