Sport
Interview

Gladbach: Förderer enthüllt Gerardo Seoanes großes Erfolgsgeheimnis

12.04.2025, Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach: Fußball: Bundesliga, Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg, 29. Spieltag, Stadion im Borussia-Park. Mönchengladbachs Trainer Gerardo Seoane vor dem S ...
Im Sommer noch heftig angezählt, ist Gerardo Seoane mit Borussia Mönchengladbach mittlerweile auf Kurs Europapokal.Bild: dpa / Fabian Strauch
Interview

Trainerförderer Ruedi Zahner erklärt Gerardo Seoanes Gladbach-Turnaround

Ruedi Zahner ist seit Jahrzehnten im Fußballgeschäft tätig, gibt sein Fachwissen seit Jahren als "Coach the Coach" an aktive Trainer weiter. Gerardo Seoane ist einer der Profiteure. Im Interview mit watson spricht Zahner über den Trainer von Borussia Mönchengladbach, seine Arbeitsweise und was erfolgreiche Coaches eint.
19.04.2025, 07:5219.04.2025, 07:52
Mehr «Sport»

Watson: Ruedi, du bist nicht nur Coach, sondern auch passionierter Clown. Welche Gemeinsamkeiten haben Clowns und Trainer?

Ruedi Zahner: Ein Clown hat keine Angst vorm Scheitern. Wenn er auf dem Boden aufschlägt, entdeckt er seine wahre Kraft. Und das gilt überall im Leben, besonders für Trainer.

Also ist ein guter Trainer auch ein Clown?

Wir alle sind Clown. Wir verlieren, wir werden sofort infrage gestellt, besonders der Trainer. Er ist so angreifbar, dass er immer kurz vor der Entlassung steht. Die große Frage ist: Steht er da, zieht er Kraft daraus oder bricht er zusammen?

Ruedi Zahner, Erfolgsforscher am 29.09.2020 im Rahmen eines Intervies im Wankdorfstadion in Bern.
Ruedi Zahner hat den Fußball aus vielen Blickwinkeln kennengelernt: Spieler, Trainer, Teammanager.bild: Michael Sieber

Gerardo Seoane stand bei Gladbach mehrfach vor der Entlassung, jetzt kämpft die Mannschaft um das internationale Geschäft. Wie ist ihm das gelungen?

Gerry hat ein enormes Selbstbewusstsein entwickelt. Er hat mittlerweile den totalen Glauben, dass er jede noch so schwierige Situation souverän meistern kann. In der Niederlage steht er da und bleibt verbunden mit seinen Spielern. Er kümmert sich um sie, macht sie stark und das gerade auch in schwierigen Zeiten.

"Es war wirklich krass, was da auf ihn eingeprasselt ist."

Hat ihm früher das Selbstbewusstsein gefehlt?

Er hat sich enorm entwickelt. Dieser Spagat ist die große Challenge für jeden im Business: Du musst einerseits sofort Resultate abliefern, andererseits dich selbst weiterentwickeln. Gerry gelingt das, er hat sogar eine riesige Freude am Wachstum. Und er erwartet das auch von seinen Spielern.

Dabei sprach die Berichterstattung klar gegen Seoane – etwa nach sechs sieglosen Spielen im vergangenen Sommer.

Es war wirklich krass, was da auf ihn eingeprasselt ist. Aber Gerry stand trotzdem da und alle Spieler haben an ihn geglaubt, gerade in dieser schwierigen Zeit.

Im Gladbacher Kader finden sich einige Beispiele für individuelle Leistungssprünge. Ist Seoane also ein positives Vorbild?

Ja, das schwappt auf den Kader über. Das zeichnet alle großen Trainer aus.

Trainer Gerardo Seoane Borussia Moenchengladbach wechselt Marvin Friedrich Borussia Moenchengladbach ein 14.12.2024, Fussball 1. Bundesliga, 14. Spieltag, Saison 2024/2025 Borussia M�nchengladbach - H ...
Wenn Gerardo Seoane spricht, hören seine Spieler genau hin.Bild: IMAGO images / Team 2

Wie schaffen die weltbesten Trainer im ersten Schritt überhaupt den Durchbruch?

Ich war bei Ottmar Hitzfeld, bei Lucien Favre oder auch bei Gerardo Seoane dabei. Ich habe in den letzten 30 Jahren mit vielen anderen Trainern in irgendeiner Form zusammengearbeitet. Was sie alle gemein haben: Du musst volles Risiko gehen, vor allem in den ersten 100 Tagen. Es verlangt unglaublich viel Mut. Nur wenige sind bereit, dieses Risiko einzugehen.

Und wie halten sich die Toptrainer an der Spitze?

Der Schlüssel lautet Flexibilität. Du benötigst den Mut, dich immer wieder neu zu erfinden, die Leute immer wieder zu überraschen. Ansonsten nutzt du dich schnell ab.

Abnutzung führt irgendwann zur Entlassung, mit der "Zahner-Skala" hast du ein Modell für Trainerabschiede entwickelt. Wie kam es dazu?

Mich hat fasziniert, wie sich ein Trainer über Jahre an der Spitze halten kann. Ich habe Entlassungen gesammelt wie andere Briefmarken, habe zahlreiche Gespräche geführt.

Mit welchen Erkenntnissen?

Jede Entlassung beginnt mit der ersten Niederlage. Die große Kunst besteht darin, sofort den Turnaround zu schaffen. Es wird mit jeder Niederlage immer schwieriger, Vertrauen und die Glaubwürdigkeit gehen ganz schnell verloren.

Eine Zahl springt ins Auge: Nach der ersten Niederlage ist der Trainer zu 51 Prozent entlassen.

Diese 51 Prozent stehen für einen Weckruf. Wenn der Trainer dann nicht den Mut hat, etwas zu verändern, dann wird es seinen Lauf nehmen.

"Die Kraftquelle in sich zu entdecken, ist die vielleicht wichtigste Aufgabe eines verantwortungsbewussten Leaders."

Wie sind Unentschieden in deiner Skala zu bewerten?

Das ist von der Situation abhängig. In Freiburg ist die Lage eine andere als in Leipzig. Ein Unentschieden kann eher wie eine Niederlage wirken, es kann sich aber auch mal sehr wertvoll anfühlen.

Mit jeder weiteren Pleite steigt der Druck. "Stress macht dumm und blockiert Kreativität, Intuition und Entscheidungskraft", schreibst du auf deiner Website. Wie kann der Trainer dennoch einen klaren Kopf bewahren?

Jürgen Klopp hat mal mitten in der Krise mit dem BVB einen wunderbaren Satz gesagt: "Wenn du nicht in deiner Mitte bist, triffst du die falschen Entscheidungen." Du musst deine Ruhe bewahren und immer neu Kraft auftanken. Die Kraftquelle in sich zu entdecken, ist die vielleicht wichtigste Aufgabe eines verantwortungsbewussten Leaders.

Die meisten aber haben nach zwei oder drei Niederlagen einen brutalen Stress.

Sir Alex Ferguson oder Ottmar Hitzfeld haben daraus aber Kraft gezogen und sind zur Höchstform aufgelaufen.

Und aktuell auch Gerardo Seoane. Wie muss man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?

Am Anfang ist es etwas intensiver, mit der Zeit wird es dann unregelmäßiger, individueller. Kürzlich war ich beim Spiel gegen Leipzig vor Ort, hin und wieder hören wir zehn Tage voneinander nichts, manchmal telefonieren wir aber auch zwei Tage nacheinander. Ich verstehe mich als Mentor, aber auch als sein Freund. Wir reden über Gott und die Welt, telefonieren und gehen zusammen essen.

"Gerry hat sowohl in seine Mitmenschen als auch ins Leben ein großes Vertrauen."

Wie oft hat er dich rund um seine Entlassung in Leverkusen und während der für ihn persönlich schweren Vorsaison in Gladbach konsultiert?

In der Zeit hatten wir nicht mehr Kontakt als üblich. Gerry weiß mittlerweile genau, was er zu tun hat. Als er noch in Bern war, haben wir uns natürlich etwa häufiger gesehen.

Der Spielstil Seoanes wurde lange Zeit als pragmatisch eingestuft. Wie ist der Mensch Seoane einzuordnen, sein Umgang mit Spielern?

Er ist ein offener, begeisterungsfähiger Mensch. Er nimmt die Menschen ernst und kümmert sich um sie. Gerry hat sowohl in seine Mitmenschen als auch ins Leben ein großes Vertrauen. Er ist immer bereit, Neues zu lernen, zu wachsen und besser zu werden.

Für gewöhnlich wird bei Trainern heutzutage viel über ihre taktische Ausrichtung und ihr Knowhow diskutiert. Vernachlässigen wir dabei mentale und emotionale Komponenten?

Ich habe immer gerne gesagt: Glaubt ja nicht, ihr seid gute Trainer, weil ihr gute Trainings macht. Heutzutage bist du als Leader gefragt. Du musst mit den Menschen umgehen können, mit Stress, und besonders im Sport mit der Niederlage. Was nützt dir die beste Taktik, wenn deine Spieler kein Vertrauen haben?

Herzlich wenig.

Das wusste schon Hitzfeld, das weiß Gerry, das wissen alle großen Trainer: Wenn ich erfolgreich sein will, brauche ich meine Leute. Ich kann es nicht allein machen. Ich muss sie starkmachen und sichergehen, dass sie zusammenhalten. Das ist für mich der Sinn des Lebens, einander starkzumachen.

FC Bayern Frauen im Party-Modus: So lief die Meisterfeier
Die Fußballerinnen des FC Bayern haben zum dritten Mal in Folge die Meisterschaft gewonnen. Das wurde gefeiert: mit Bierdusche, schnellen Brillen, aber mit angezogener Handbremse, verrät Giulia Gwinn.

Kurz vor Ende der regulären Spielzeit streckt der Vierte Offizielle die Arme gen Himmel. In seinen Händen eine elektronische Tafel. Auf ihr flimmert eine Zahl: drei. Das Spiel zwischen FC Bayern und SC Freiburg geht in die Nachspielzeit, drei Minuten gibt es obendrauf.

Zur Story