3:0 gewann der FC Bayern am Mittwochabend in der Champions League gegen Roter Stern Belgrad. Doch ausgerechnet der eigene Präsident sorgte dafür, dass dieser Auftaktsieg in den Hintergrund rückte. Uli Hoeneß überschattete den positiven Abend mit einer neuen Episode seiner Polter-Interviews. Die "Abteilung Attacke" des Rekordmeisters wollte Deutschland mal wieder erklären, wie es zu denken hat. Diesmal ging es aber nicht um Menschenrechte, sondern um das viel kommentierte Torwart-Theater zwischen Marc-André ter Stegen und Manuel Neuer und den Kampf um den Platz im Tor der Nationalmannschaft.
"Ein Witz", sagte Hoeneß nach dem Bayern-Spiel am Mittwochabend über die öffentlichen Aussagen von ter Stegen. "Die westdeutsche Presse unterstützt den Marc extrem, als wenn der schon 17 Weltmeisterschaften gewonnen hätte. Und von hier, der süddeutschen Presse, kommt keine Unterstützung." Dann schoss er gegen den Barca-Keeper: "Ich finde es unmöglich, dass man so ein Thema in die Öffentlichkeit bringt. Er hat überhaupt keinen Anspruch dort zu spielen." Mit "dort" meinte Hoeneß den Platz im Tor der Nationalmannschaft. "Bei Torhütern muss die Hierarchie klar sein. Und die Hierarchie bedeutet: Manuel Neuer ist die Nummer eins. Es war doch klar, wenn Manuel Neuer die alte Form hat – und die hat er jetzt – gibt es gar keine Diskussion, dass nur er die Nummer eins sein kann."
Dann nahm sich Hoeneß auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) vor: "Ich hätte mir vom DFB auch mehr Unterstützung erwartet. Wir kriegen ständig vom DFB Theater, zuerst die unmögliche Ausbootung der drei Spieler (Boateng, Müller und der Ex-FCB-Profi Hummels, d. Red.) und jetzt wieder mit Manuel Neuer." Dazu erklärte Hoeneß: "Dass man das zulässt, dass ein Mitspieler mit einem Thema an die Öffentlichkeit geht, das er nur mit Joachim Löw zu besprechen hat – das ist nicht in Ordnung." Dann betonte er nochmals: "Wir werden es uns in Zukunft nicht mehr gefallen lassen, dass unsere Spieler beschädigt werden." Hoeneß machte klar: "Ter Stegen ist ein sehr guter Torwart, aber Manuel Neuer ist doch viel besser und erfahrener. Der wird immer der Beste sein: Da gibt es doch keine Diskussion." Auf eine Nachfrage, wie man sich denn wehren wolle, sagte Hoeneß dann: "Wir werden den Leuten schon mal bissel Feuer geben. Das können wir."
Am Donnerstag legte Hoeneß dann gegen ter Stegen nochmals nach: "Er beschädigt hier einen völlig untadeligen Sportsmann wie den Manuel Neuer", sagte Hoeneß bei einem Basketball-Termin in München. Er erwarte von den handelnden Personen beim DFB, "dass man den Herrn ter Stegen schon mal in die Ecke stellt und ihm klar sagt, dass es so nicht geht." Neuer habe laut Hoeneß noch eine lange Karriere vor sich: "Da werden sich manche noch wundern. Wenn das so weitergeht, spielt der in fünf Jahren noch – und dann hat der ter Stegen wahrscheinlich schon einen grauen Bart."
Es ist jenes rechthaberische, selbstgefällige und unbelehrbare Auftreten von Hoeneß, das mittlerweile nur noch ein Gefühl hervorruft: Geh' doch bitte in Rente, Uli!
Eine Sache kann man Hoeneß natürlich nicht absprechen. Er stellt sich vor seinen Torhüter Manuel Neuer und lenkt durch wütende Aussagen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Das machte er zum Schutz seiner Spieler schon immer so. Es ist völlig verständlich, dass er sich vor seinen Torhüter stellt und ihn stärken will. Dass er dabei jedoch den von ihm geforderten Respekt niemand anderem entgegenbringt, vergisst er mal wieder.
So trat Hoeneß den Neuer-Konkurrenten ter Stegen mit Füßen. Die Aussagen von Hoeneß waren so weit drüber, wie dessen Elfmeter 1976 im EM-Finale gegen die Tschechslowakei. Dabei kann der FC Bayern doch auch anders. Zumindest die neue Garde. Trainer Niko Kovac bewies einen Tag zuvor, wie man in so einer verzwickten Diskussion diplomatisch regiert: "Manuel Neuer ist in Topform, hat in Leipzig und beim DFB sensationell gut gehalten. Für Marc-André ter Stegen ist es schwer, aber er ist auch ein Welt-Welt-Weltklasse-Torhüter, ist so. Leider gibt es nur einen Torhüter. Feldspieler gibt's zehn."
Hoeneß aber erklärte lieber den Kollegen beim DFB, wie die ihren Job zu machen haben. Denn am Ende entscheiden Joachim Löw und der DFB, wer im Tor der Nationalmannschaft steht und nicht Uli Hoeneß und der FC Bayern. Dass Hoeneß ausgerechnet auch noch den DFB und Löw für fehlende Rückendeckung kritisierte, wirkt skurril, da ter Stegen zuletzt gar nicht die Chance bekam, sich zu beweisen.
Hoeneß dachte, dass er die Bayern mit seinen Aussagen stärken würde, wie es seiner Rolle als Vereinspräsident entsprechen würde. Doch eigentlich schwächte er den Klub und machte alles viel schlimmer. Er verliert die Kontrolle, obwohl seine Aufgabe immer war, das Beste für den Klub herauszuholen. Das hat er wohl nicht bedacht.
Denn einerseits zeigte Joachim Löw in der Vergangenheit, dass er Druck und Forderungen von außen gar nicht gerne mag und dann viel eher auf stur stellt. Borussia Dortmund, dessen Verantwortlichen in der Vergangenheit immer wieder Spieler-Nominierungen forderten, kann davon ein Lied singen. Der DFB will nicht den Eindruck erwecken, dass er auf öffentlichen Druck hin personelle Entscheidungen trifft, sonst würde jeder Bundesligist die eigenen Spieler anbieten. Hoeneß' Vorstoß könnte Löw nur darin bestärken, nun Marc-André ter Stegen eine echte Chance zu geben.
Andererseits dürften die Hoeneß-Aussagen den FC Bayern in einigen Jahren vielleicht noch auf die Füße fallen. Wenn man davon ausgeht, dass der FC Bayern den Anspruch hat auch nach Kahn und Neuer immer den deutschen Nationaltorhüter im eigenen Tor stehen zu haben, dürfte die kommende Nummer eins der Nationalelf nach Hoeneß' Polterei vergrault sein. Der sechs Jahre jüngere ter Stegen wird irgendwann Neuer beerben und dessen Verhältnis zum FC Bayern dürfte spätestens jetzt angespannt sein.
Die Dichte an skurrilen Hoeneß-Auftritten ist im vergangenen Jahr ziemlich hoch gewesen. Nach der "Wut-PK" im vergangenen Oktober, wo Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge den Medien "Fake-Fakten" vorwarfen und das Grundgesetz zitierten, und dem "Wenn Sie wüssten"-Auftritt im Frühjahr, wo Hoeneß mit den noch nicht fixen Transfer-Aktivitäten prahlte, wird es nun Zeit, dass Hoeneß in zwei Monaten endlich abtritt. Der Präsident übergibt sein Amt bei der Jahreshauptversammlung am 15. November und will sich dann mehr um seine Familie kümmern. Dadurch schützt Hoeneß sich selbst, damit er nicht weiter sein 40-jähriges Lebenswerk innerhalb weniger Monate wegen Nichtigkeiten beschmutzt.
Denn ein weiterer Aspekt seines Polter-Interviews offenbarte, dass die "Abteilung Attacke" aus der Zeit gefallen ist. Es ist das ziemlich schwierige Medienverständnis des 67-Jährigen. Hoeneß denkt, dass es eine westdeutsche Presse gebe, die wegen ihrer regionalen Verbundenheit einen ter Stegen hochjubelt und den FC Bayern aus dem Süden niedermacht, und dass eine "süddeutsche Presse" subjektiv eingreifen sollte. Das offenbart ein Medienverständnis, das in den vergangenen Jahren in anderen deutschen Regionen verortet wurde. Auf Twitter sprachen Fans schon vom "bayerischen Trump". Ohnehin ist die Forderung nebulös, da der Gelsenkirchener Neuer genau wie der Mönchengladbacher ter Stegen aus dem "Westen" kommt.
Vielleicht sollten zwei der weltbesten Torhüter mit sportlichen Leistungen um den Platz im Tor kämpfen – und Uli Hoeneß sich endlich zur Ruhe setzen. Denn trotz eines 3:0-Siegs und eines starken Torhüters im bayerischen Kasten schüttelt Fußball-Deutschland mal wieder wegen des FC Bayern mit dem Kopf...