Die Trainer von Eintracht Frankfurt in den vergangenen sieben, acht Jahren hatten immer eine Qualität: Sie begeisterten diesen Verein, diese Stadt und diese so euphorische Fankurve mit Erfolgen in den Pokalwettbewerben, die Probleme in der Liga kaschierten.
Niko Kovač verließ Frankfurt als Pokalsieger. Es war ein Triumph, den man bei der Eintracht nicht für möglich gehalten hatte.
Adi Hütter führte die SGE ins Halbfinale der Europa League. Es war ein Erfolg, den man bei der Eintracht nicht für möglich gehalten hatte.
Oliver Glasner gewann mit Eintracht Frankfurt die Europa League. Es war eine Sensation, die man bei der Eintracht (und in ganz Fußball-Europa) nicht für möglich gehalten hatte.
Nun vermelden der Hessische Rundfunk und die "Bild" übereinstimmend, dass Glasner den Verein am Ende der Saison verlassen wird. Er geht als Legende. Nach nur zwei Jahren. Sein Name wird für immer verwurzelt bleiben mit dem größten Moment der Vereinsgeschichte nach knapp einem halben Jahrhundert.
Ob das für Markus Krösche, den Sportvorstand, auch gelten wird, werden wir erst in einigen Jahren wissen. Im Moment ist er der Sieger eines hausgemachten Machtkampfs. Doch noch ist auch denkbar, dass Krösche vor allem heiße Luft produziert.
Versteht mich nicht falsch: Oliver Glasner hat zuletzt Fehler gemacht, er ist kein Messias. Und ja, Krösche ist der Mann, der, gemeinsam mit dem damaligen Chefscout Ben Manga, mit Randal Kolo Muani den besten Fußballer, den Frankfurt vielleicht je, aber zumindest in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat, ablösefrei (!) an den Main holte.
Doch gleichzeitig hat Krösche das Kunststück vollbracht, den Coach, dem eine ganze Stadt zu Füßen liegt, vom Hof zu jagen. Und es bleibt eine einfache Frage: Warum?
Es ist in der Branche verbrieft, dass Markus Krösche ein sehr gutes Verhältnis zu einigen Journalist:innen pflegt, vor allem zu jenen, die dem Boulevard nahestehen.
Am Samstagabend reihte sich noch das vermeintliche Zentralorgan der seriösen Fußballberichterstattung ein und forderte hektisch, ein "Weiter so" könne es mit Glasner nicht geben. Auch nicht, wenn er am 3. Juni gegen RB Leipzig den Pokal gewinnen sollte.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Eintracht Frankfurt gewinnt zuerst die Europa League und ein Jahr später womöglich den DFB-Pokal – und dennoch wird Glasners Demission gefordert.
Man kann das so sehen. Nur muss man dann auf einem Planeten leben, dessen Alleinherscher Markus Krösche (oder Axel Hellmann) heißt. Es ist schon überraschend, wie einig sich viele Journalist:innen zu sein scheinen, dass Glasner das Problem sei. Und nicht Krösche oder Hellmann.
Apropos Hellmann: Der Vorstandssprecher des Vereins ist unbestritten das Beste, was der SGE seit Peter Fischer passiert ist.
Jedoch: Er war es, der bis vor gut einer Woche mit einem Wechsel zur DFL kokettierte, der sich in einen internen Streit stürzte und auslotete, was am besten für seine Karriere ist. Nun hat er sich entschieden, gnädigerweise doch bei der Eintracht zu bleiben. Das ist eine wundervolle Nachricht für diesen Klub. Doch wie dreist muss man sein, als quasi erste Amtshandlung nach diesem Bekenntnis sein Gesicht bei "Bild TV" in die Kamera zu halten, um Oliver Glasner anzuzählen? Guter Stil sieht anders aus.
Krösche kann sich nun als Sieger fühlen, aber er sollte eines nicht vergessen: Die Verrückten, die mit 40.000 Menschen in Barcelona waren und das größte Fußballwunder dieses uralren Vereins erlebten, standen und stehen bis zuletzt hinter Glasner. Man hat das in den Momenten nach dem Halbfinalsieg in Stuttgart gesehen. Weil er authentisch ist. Ein Typ. Ein Erfolgstrainer.
Wenn diese Leute lesen, dass sich eine Führungsetage echauffiert, dass ein Trainer trotz der Misserfolge in der Liga nach dem Pokalfinaleinzug mit einem Diver vor den Fans jubelt, dann haben die Verantwortlichen nicht verstanden, dass eine Kurve von Eintracht Frankfurt nur für diese Momente lebt. Weil die Liga seit Jahrzehnten meistens eine triste Veranstaltung ist. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Für Oliver Glasner soll das offensichtlich nicht gelten. Auch bei der Bewertung von anderen Dingen.
Ganz im Ernst: Würde ein Christian Streich einen Ball aufs Spielfeld werfen, würde man in einschlägigen Medien lesen, wie authentisch und unverbiegbar er sei. Würde ein Jürgen Klopp per Wutrede nach einer zugegebenermaßen völlig harmlosen und berechtigen Frage eines Journalisten seine Mannschaft verteidigen, wäre ihm der Applaus des Boulevards sicher.
Krösche und Hellmann haben nun die Möglichkeit zu beweisen, dass mit einem anderen Trainer noch viel mehr möglich ist. Wobei man durchaus bezweifeln kann, ob das realistisch ist, wenn auch weiterhin in einem Pflichtspiel die defensive Dreierreihe aus Frührentner Makoto Hasebe, einem formschwachen Evan N'Dicka und einem dauerverletzten Almamy Touré besteht.
Eintracht Frankfurt hat zuerst seinen Abwehrchef David Abraham verloren, um dann seinen anderen Abwehrchef Martin Hinteregger durch ein vorzeitiges Karriereende abgeben zu müssen. Einen Ersatz sucht man bis heute vergeblich.
In der Hinrunde haben das Kolo Muani und eine weit über ihren Verhältnissen spielende Dreierreihe Götze-Kamada-Lindstrøm vergessen gemacht. Doch warum fragt eigentlich niemand Herrn Krösche, was er hauptberuflich macht, wenn er im Winter nicht in der Lage war, hier nachzurüsten? Und wer will ernsthaft Oliver Glasner böse sein, dass ihn diese Situation bis zur Explosion wütend macht? Erst recht, wenn sein Vorgesetzter nonstop und fernab jeglicher Realität Ziele ausruft, die mit dem aktuellen Kader einfach nicht zu erreichen sind.
Im Sommer steht nun ein radikaler Umbruch bevor. Kamada wird gehen, Lindstrøm, N'Dicka, Kolo Muani und vielleicht auch Djibril Sow ebenso.
Oliver Glasner wurde nicht müde zu betonen, dass man mehr Qualität brauche, um sich wirklich via Liga für Europa zu qualifizieren. Der Cheftrainer hat, das muss man ihm zum Abschied ankreiden, dennoch im Tagesgeschäft bei weitem nicht das Optimum aus der Mannschaft herausgeholt.
Er darf in der kommenden Saison nicht beweisen, dass er es besser kann.
Markus Krösche hingegen muss nun zeigen, dass er weiß, was er tut. Denn wenn auf diese Harakiri-Taktik keine Taten folgen, wird er als Blender und nicht als erfolgreicher, geradliniger Manager in die Geschichte des Vereins eingehen.
In Frankfurt ist bis heute unvergessen, wie sich zu wichtig nehmende Personen eine Erfolgsphase brutal beendeten. Auf Yeboah, Okocha und Gaudino folgte der Absturz in die Bedeutungslosigkeit.
Davon ist die Eintracht nach dem steilen Aufstieg der vergangenen Jahre (noch) weit entfernt. Doch Fakt ist: Damals, in den 90ern, war der Verein nicht so erfolgreich wie in den vergangenen Jahren. Mit Kolo Muani und Kamada, mit Kostić und Hinteregger, mit Rebić und Jović.
Man wird sehen, ob ab dem Sommer in Frankfurt die Uhren anders gehen. Und wer diese Anspielung verstanden hat, der weiß, warum in Frankfurt die Angst vor dem Absturz bei Entscheidungen wie den aktuellen immer eine Rolle spielt.