Christian Wück hat viele Aufgaben in diesen Tagen. Der Bundestrainer der deutschen Fußballerinnen bereitet sich auf seine erste Europameisterschaft vor, sucht die bestmögliche Formation, beobachtet Formkurven und klügelt womöglich einen Masterplan aus. Viel zu tun, keine Frage.
Doch während Wück an der Taktik feilt, lässt er eine Fähigkeit vermissen, die mindestens genauso wichtig ist wie das Jonglieren mit Magneten auf der Taktiktafel: Kommunikation.
Felicitas Rauch, 50-fache Nationalspielerin, ist nicht für den vorläufigen EM-Kader nominiert worden. Das gab der DFB am Dienstag bekannt. Die Spielerin selbst informierte die Öffentlichkeit einen Tag später über ihr Aus via Instagram.
Die Linksverteidigerin vom US-Klub North Carolina Courage zeigte sich "sehr enttäuscht". Für Deutschland aufzulaufen, das war immer eine "große Ehre", schreibt sie.
Die Entscheidung von Wück hat sie zwar akzeptiert, so scheint es, allen Grund zum Ärger hat sie aber trotzdem. Warum? Der Bundestrainer hat sie über ihre Ausbootung vorab nicht informiert. Deshalb also die Kritik. Und ihr Wunsch nach einer "viel transparenteren Kommunikation".
Statt also die Handynummer der Nationalspielerin zu wählen, entschied Wück, seinen Fokus voll und ganz auf das Sportliche zu richten. Dabei rutschten ein paar andere Namen auf seinen Zettel weiter nach oben. Unter anderem die von Defensivakteurin Sara Doorsoun und Rebecca Knaak.
Beide standen Wück schon länger nicht zur Verfügung, bei den jüngsten Siegen in der Nations League gegen Schottland – auf einen 4:0-Sieg folgte ein Schützenfest mit sechs Toren – waren sie nicht dabei. Der Grund: eine muskuläre Verletzung im Februar, sowohl bei Doorsoun als auch Knaak.
Nicht fehlen durfte außerdem Kathrin Hendrich, etablierte Größe beim VfL Wolfsburg. Die Abwehrspezialistin, die etwa sechs Wochen an einer Knieverletzung laborierte, stößt am 30. Mai, wenn sich die Nationalmannschaft in Vorbereitung auf zwei weitere Nations-League-Spiele trifft, zum engeren Kreis dazu.
Das sind durchaus positive Nachrichten, wenn man bedenkt, dass Bundestrainer Wück die Tür für alle Spielerinnen, so kurz vor der EM, offen hält. Und nicht nur, wie zuletzt angekündigt, für Deutschlands womöglich beliebteste Fußballerin: Lena Oberdorf.
Um es also einmal festzuhalten: Christian Wück darf nominieren, wen er will. Felicitas Rauch nicht zu berücksichtigen, ist sein gutes Recht. Doch dass sie, wie sie öffentlich schildert, nicht informiert wurde, geschweige denn einen Grund für ihre Ausbootung erhielt, wirft Fragen auf.
Fragen, die nicht nur Rauch beschäftigen dürften. Schon in der Vorwoche hatte Stürmerin Nicole Anyomi im Interview mit watson über fehlenden Austausch geklagt. Es entsteht also ein Muster, aber kein schmeichelhaftes.
Dass Wück 25 Spielerinnen eingeladen hat, im Wissen, noch zwei von ihnen streichen zu müssen, kann man als Zeichen sportlicher Sorgfalt deuten. Oder als Unsicherheit. Es wirkt jedenfalls so, als verliere er auf der Zielgeraden zur EM die Übersicht – und den Kontakt zu denjenigen, die den sportlichen Erfolg am Ende tragen sollen.
Ein Trainer, der sich seiner Spielerinnen nicht stellt, vergibt Vertrauen. Und damit Substanz. Denn Erfolge wachsen nicht allein auf Trainingsplätzen, sondern auch in Gesprächen, die wehtun können. Deshalb gilt: Reden ist Pflicht. Vor allem dann, wenn es unangenehm wird.