Im Sommer war es noch "totaler Quatsch", jetzt ist es offiziell: Jürgen Klopp wird "Head of Global Soccer" bei Red Bull. Eine Meldung, die es so bereits im Sommer gab, jedoch von Klopp-Berater Mark Kosicke dementiert wurde und gegen die sich auch der Getränkehersteller "vehement" wehrte. Aus Sicht von Fußballromantiker:innen ist diese News eine echte Hiobsbotschaft.
Jürgen Klopp, eine der letzten authentischen und nahbaren Personen im Milliarden-Business Fußball, verfällt nun auch dem Lockruf eines Brauseherstellers, der die Fußball-Welt erobern will – und trotz aller Milliarden immer noch daran scheitert.
Die Ernüchterung am Dienstagmorgen war in Fußball-Deutschland groß und die Aufregung in einer Vielzahl von Whatsapp-Gruppen noch größer. Denn Klopp war immer so etwas wie die gute Seele des Fußballs.
Und jeder deutsche Fußball-Fan träumte davon, dass er eines Tages die deutsche Nationalmannschaft übernimmt. Mit seinem Charme, seinem Witz, seiner Schlagfertigkeit und den sportlichen Erfolgen im Rücken hätte er Fußball-Deutschland auf Anhieb versöhnt und Euphorie entfacht.
Das ist weiterhin nicht vollkommen ausgeschlossen. Der 57-Jährige ließ sich laut "Bild" und Sky eine Ausstiegsklausel für den DFB zusichern, auch wenn es unter Julian Nagelsmann gerade gar nicht so schlecht läuft. Doch Klopps Weg zurück in die Herzen deutscher Fußballfans würde steinig werden.
Denn trotz Meisterschaften, Champions-League-Titel und Auszeichnungen zum Welttrainer des Jahres verband man mit Klopp immer eine gewisse Kreisliga-Attitüde.
Kannst du dir vorstellen, dass Klopp nach einem DFB-Pokalsieg gemeinsam mit Kevin Kampl eine Dose des Energy-Drinks in den Pokal kippt und anschließend daraus trinkt? Richtig: Das ist (oder: war) undenkbar.
Klopp und die Milliarden des Brauseherstellers, das passt einfach nicht ins Bild. Klar, der 57-Jährige durfte als Trainer von Borussia Dortmund und dem FC Liverpool auch jede Menge Geld für Spielertransfers ausgeben. Doch gleichzeitig schaffte er es, dem Team eine Identität zu geben, mit der sich die Fans identifizieren können.
Mit dem BVB und den Reds holte er zwei schlafende Riesen aus dem Dornröschenschlaf und machte sie wieder zu europäischen Schwergewichten. Klopp war der Retter der abgeschmierten Traditionsklubs.
Nun also Red Bull. Ein Fußballimperium, das nur existiert, weil ein österreichischer Milliardär mehr Werbung für seine Getränke machen wollte.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Red Bull die Strahlkraft eines Jürgen Klopp benötigt, um das noch immer ziemlich seelenlose Konstrukt in Fahrt zu bringen. Trotz der von Ralf Rangnick entwickelten übergeordneten Spielidee gibt es nicht wirklich etwas, das die "Red-Bull-DNA" ausmacht. Titel sind es zumindest nicht.
Ja, ja, Red Bull hat in Deutschland mit RB Leipzig zweimal den DFB-Pokal gewonnen. Aber Deutscher Meister werden sie auch in den kommenden zehn Jahren nicht.
"Kein Klub, kein Land für das nächste Jahr", sagte Klopp noch im Januar 2024 auf einer Pressekonferenz, stattdessen wolle er die freie Zeit mit der Familie genießen und herumreisen.
Wenn man seine Aussage ganz genau nimmt, dann hat er sich zumindest daran gehalten und für das Jahr 2024 keinen Klub und kein Land übernommen. Denn der Vertrag als Verantwortlicher für den Bereich "Soccer" – allein schon das Wort spricht Bände! – beginnt erst am 1. Januar. Irreführend war die Aussage dennoch allemal.
"Die Rolle mag sich geändert haben, aber meine Leidenschaft für den Fußball und die Menschen, die den Fußball zu dem machen, was er ist, hat sich nicht geändert", wird er in der offiziellen Mitteilung zitiert.
Was Klopp heute nicht sagen darf: In seinen bisherigen Vereinen waren es die Fans, die Treuesten der Treuen, die den Fußball zu dem gemacht haben, was er ist. Davon wird er in Leipzig, Salzburg oder New York nichts spüren. Und das dürfte er auch wissen.
"Ich weiß, wie sehr die Idee Rasenball und Red Bull in der Kritik steht bei Traditionalisten im Fußball – und ich bin auch einer", sagte er vor zwei Jahren der "Bild"-Zeitung. Doch gleichzeitig verteidigte er damals die "Fußball-Idee" hinter dem Red-Bull-Imperium. Es ist eine Ansicht, die viele nicht teilen.
Klopp ist intelligent genug, um zu wissen, dass er seinem Ansehen in Fußball-Deutschland mit seinem neuen Job keinen Gefallen getan hat; dass er mit dieser Entscheidung Millionen Fußball-Fanherzen bricht, die zumindest noch ein klein bisschen an das Gute im Fußball glauben wollten. Weil es eben noch wenige Menschen wie Jürgen Klopp gibt.
Nur er wird wissen, warum er nach seiner schillernden Karriere genau diesen Move macht, denn andere Angebote gab es mit Sicherheit in Massen.
Vom Helden zum Bösewicht an einem einzigen Vormittag – das hat in dieser Form schon lange kein Spieler oder Trainer mehr geschafft.