Dem DFB-Team ist im Jahr 2024 etwas geglückt, was noch vor zwölf Monaten unvorstellbar schien: Es hat in Deutschland eine echte Euphorie um die deutsche Nationalmannschaft kreiert. Die Fans fiebern den Partien wieder entgegen – sei es nun in der Nations League, bei einem Freundschaftsspiel oder bei einem großen Turnier.
Ausschlaggegend dafür waren gewiss die Leistungen bei der Heim-EM. Mit teils berauschenden Auftritten stürmte das DFB-Team ins Viertelfinale, unterlag dabei auf dramatische Art und Weise dem späteren Turniersieger Spanien.
In der Folge nahmen jahrelange Gesichter der Nationalmannschaft ihren Hut. Der im Frühjahr zurückgekehrte Toni Kroos beendete seine Karriere, Kapitän İlkay Gündoğan trat ebenso aus dem DFB-Team zurück wie Manuel Neuer und Thomas Müller. Julian Nagelsmann aber gelang es trotzdem, den Schwung aus dem Turnier mitzunehmen.
Die deutsche Nationalmannschaft qualifizierte sich in der Folge erstmals für die Endrunde der Nations League, zeigte trotz wechselnder Besetzung begeisternden Offensivfußball. Gerade Florian Wirtz und Jamal Musiala versprechen den Fans auf Jahre nicht nur beste Unterhaltung, sondern auch Topleistungen.
Wenn es irgendwann – vielleicht schon in der Nations League 2025, vielleicht bei der Weltmeisterschaft 2026, vielleicht später – zu einem Titelgewinn führt, dürfte der Blick zurückgehen. Auf die Initialzündung beim Turnier im eigenen Land. Auf eine Niederlage, die besonders geschmerzt hat, aber auch lehrreich war: das Viertelfinale gegen Spanien.
In das Duell mit den Iberern, aber auch in das gesamte Turnier, gibt die Dokumentation "Unser Team – Die Heim-EM 2024" von RTL neue Einblicke. Der TV-Sender wird sie am 11. Januar 2025 um 20:15 Uhr ausstrahlen, wir konnten sie aber schon vorab sehen.
Die Partie gegen Spanien liefert zweifelsfrei den emotionalen Höhepunkt der Doku, ist doch allein der Spielverlauf kaum an Dramaturgie zu überbieten. Das DFB-Team hält gut dagegen, gerät aber in Rückstand. In der Folge rennen die Deutschen unermüdlich an, scheitern unter anderem am Pfosten. Kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit die Erlösung, Wirtz trifft zum 1:1.
Auch in der Verlängerung hat die Nagelsmann-Elf Oberwasser, belohnt sich aber nicht. Das liegt auch am Arm von Marc Cucurella. Es ist der womöglich größte Aufreger bei diesem Turnier, denn Musialas Schuss wäre wohl gefährlich aufs spanische Tor gerauscht.
Noch bitterer wird es, als Mikel Merino die Iberer kurz vor dem Ende aus dem Nichts wieder in Führung bringt. Die Deutschen werfen noch einmal alles nach vorne, geraten in Überzahl, aber Niclas Füllkrug köpft bei der letzten Gelegenheit vorbei. Das Aus ist besiegelt.
Dabei hatte Nagelsmann im Vorlauf alles versucht, um seine Mannschaft ideal auf den Gegner einzustellen. So zeigt die Dokumentation die Kabinenansprache vor dem Viertelfinale. Die hatte der Bundestrainer aber nicht etwa selbst gehalten, sondern dem Chefkoch des DFB-Teams, Anton Schmaus, überlassen.
"Wenn du als Trainer immer die letzten Worte sagst, kann das abstumpfen. Wir wollten alle mitnehmen und auch dem Staff signalisieren: Ihr seid wichtig", erklärt Nagelsmann in der Doku seine ungewöhnliche Entscheidung. Manuel Neuer begrüßt dies: "Der Schmausi ist nicht dazu da, uns zu sagen, wie wir stehen oder wie wir pressen sollen. Der Schmausi kann vor Leuten sprechen, muss jeden Tag sein eigenes Kochteam managen. Er kann uns Energie geben."
Der Koch selbst gesteht, seine Ansprache nicht großartig vorbereitet zu haben. Umso emotionaler hört sie sich dann aber an. "Jungs, wir sind unfassbar fucking stolz auf den gemeinsamen Weg, den wir bisher gemeinsam gegangen sind. Der ist heute definitiv nicht zu Ende. Heute geht keiner in Rente", sagt er mit Blick auf Kroos.
Im Mannschaftskreis legt er emotional nach: "Wir haben die letzten sechs Jahre dermaßen auf die Eier bekommen, darum ist heute Payback. Heute rasieren wir die Spanier – und zwar trocken. Ich sag euch das, Bonanza!"
Das Team zeigt sich von der Rede sichtlich angezündet, applaudiert lautstark und zieht mit einem Grinsen im Gesicht Richtung Platz.
"Es war für ihn ein toller Moment", sagt Nagelsmann in der Rückschau. "Für uns war es ein lustiger, aber auch ein emotionaler Moment. Er hat das toll gemacht, die Spieler hat es emotionalisiert. Das war wertvoll." Es war also womöglich nicht die letzte Kabinenansprache von Schmaus.