Aus, vorbei. Nach nur zwei Spielen war schon wieder Schluss mit der aufkeimenden Euphorie in der Nationalmannschaft. Auf die Niederlage gegen die Türkei (2:3) folgte die Niederlage gegen Österreich auf dem Fuße. Den Reaktionen zufolge scheinen sich alle einig zu sein: Das ist der ultimative Tiefpunkt. Als hätte es einen Bundestrainer Hansi Flick nie gegeben.
Markus Babbel ist sich im Gespräch mit "ran" sicher: "Schlimmer kann es nicht mehr werden." Die deutsche Elf habe "mental ein tiefer sitzendes Problem". Uli Hoeneß zeigt sich "fassungslos" über die Entwicklung. Er wüsste nicht, "an welchen Schrauben man drehen muss, um dieses Chaos kurzfristig zu beseitigen".
Felix Magath unterstellt der havarierten Nationalelf gegenüber Sky einen Kollateralschaden: "Es fehlt überall." Die Baustellen zögen sich durch die komplette Mannschaft. "Der eine sagt Verteidiger, der andere Stürmer. Der Dritte spricht den Innenverteidiger an und der letzte beschwert sich, dass wir keinen Sechser haben. Und jeder hat irgendwo ein bisschen recht."
Weniger als sieben Monate vor der Europameisterschaft im eigenen Land ist die DFB-Elf weiterhin in einem desaströsen Zustand. Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus zeigt sich in seiner Sky-Kolumne geradezu verzweifelt: "Wir haben doch keine Zeit mehr!"
Nagelsmann, befindet Matthäus, müsse sich hinterfragen, "ob er in den letzten zwei Spielen die richtigen Entscheidungen getroffen hat." Eine Personaldiskussion wolle er zwar nicht aufmachen, aber nach seinem Dafürhalten solle sich Julian Nagelsmann an Rudi Völler orientieren.
Nach der Entlassung von Hansi Flick nahm der etatmäßige DFB-Sportdirektor Rudi Völler für ein Spiel auf der Trainerbank Platz: Im September traf die deutsche Nationalmannschaft auf Vize-Weltmeister Frankreich. Die Stimmung war zuvor – abermals – am Boden.
Es dauerte knapp fünf Minuten, da war all die angestaute Wehmut wie weggeblasen. "Rudi Völler!", rief die Anhängerschaft im Dortmunder Stadion. "Rudi Völler!"
Mit 2:1 gewann Deutschland letztlich und eben jener Rudi Völler erfuhr in seiner Wahrnehmung eine Renaissance als der Nationalheld, der er ohnehin schon war. Ein Sehnsuchtsmann für die geschundene Fan-Seele. Ein gradliniger Trainer vom alten Schlag, der auf die etablierten Tugenden vertraut. Für Matthäus eine Blaupause für Nagelsmann.
"Ich weiß nicht, warum man es so kompliziert macht. Lasst uns 4-2-3-1 spielen", fordert Matthäus. "Völler hat gegen Frankreich ein System spielen lassen, das am besten auf die Mannschaft zugeschnitten ist." Gegen die Türkei und Österreich ließ Nagelsmann mit einer Dreierkette spielen. Was es nun brauche, sei aber eine "klare Grundidee", meint Matthäus.
Ihn habe es zudem verwundert, dass Nagelsmann meinte, offensiv spielen zu müssen, weil die Nationalspieler auf Vereinsebene defensiv nicht wirklich gefordert würden. "Man kann mir nicht sagen, dass wir keine guten Verteidiger haben", befindet Matthäus. Es gehe vielmehr darum, den Spielern zu vermitteln, was ihre jeweilige Rolle ist – und wer überhaupt spielt.
Nagelsmann müsse sich langsam auf einen "Kern-Kader sowie auf ein System festlegen", resümiert Matthäus. "So wie es Rudi gegen Frankreich getan hat."