Nach dem Abschneiden der DFB-Elf bei der WM in Katar steht Hansi Flick in der Kritik. Laut einer "Kicker"-Umfrage mit über 365.000 Teilnehmern würden 55 Prozent der deutschen Fans dem Bundestrainer das Vertrauen und das Amt entziehen. Am Mittwoch sollte der 57-Jährige zum Rapport bei DFB-Präsident Bernd Neuendorf und dessen Vize Hans-Joachim Watzke antreten.
Nach dem Rücktritt von Oliver Bierhoff haben sich laut "Spiegel" die Vorzeichen des Meetings jedoch geändert: Demnach soll sich Flick nicht mehr für das WM-Versagen verantworten müssen, stattdessen sollen nun Watzke und Neuendorf darum kämpfen, Flick beim DFB zu halten.
Offenbar hatte der Ex-Bayern-Trainer bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr gehofft, in ein Team zu stoßen, wo Dissenz und externe Kritik keinen Platz haben – so wie es auch bei seinem Vorgänger Jogi Löw 15 Jahre lang der Fall war. "Unsere Zusammenarbeit war immer von Loyalität, Teamgeist, Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt", erklärt Flick in einer Mitteilung auf der DFB-Homepage. "Zusammenhalt war die DNA unseres Teams", blickt er zurück.
Mit der Harmonie ist es seit dem WM-Aus und dem darauf folgenden Bierhoff-Rücktritt jedoch erstmal vorbei. "Für mich persönlich war Oliver innerhalb des Teams mein erster Ansprechpartner und Freund", hatte Flick am Dienstag das Ausscheiden des Teammanagers bedauert.
Dem "Spiegel" zufolge soll Flick die Harmonie sogar so wichtig gewesen sein, dass er sich bei seiner Vertragsunterschrift eine spezielle Klausel gesichert habe, welche die weitere Zusammenarbeit mit Bierhoff garantiert und ihn als ersten Ansprechpartner im Verband zugesichert habe. Diese Klausel ist nun offensichtlich hinfällig.
Dem Bericht zufolge sei es durchaus möglich, dass Flick nun hinschmeißt. Nicht, weil die von ihm trainierte deutsche Nationalmannschaft so schlecht ist wie nie zuvor, sondern weil ihm der DFB nicht das Umfeld bietet, das er fordert.
"Meinem Trainerteam und mir fällt [...] die Vorstellung schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke [...] geschlossen werden kann", betont Flick in seinem Statement seine Unzufriedenheit mit der jüngsten Entwicklung. Nun soll also DFB-Präsident Bernd Neuendorf dem Trainer aufzeigen, wie die No-Dissenz-Harmonie in der Nationalmannschaft wiederhergestellt werden kann.
Fraglich ist jedoch, ob sich Neuendorf auf dieses Spiel einlässt: Nach seinem Triple-Sieg mit den Bayern und einem starken Start als Bundestrainer (13 Spiele ohne Niederlage) hat Flick zwar tatsächlich gute Argumente auf seiner Seite.
Doch das zweite WM-Aus in der Gruppenphase nacheinander – wofür Flick als Trainer eine große Verantwortung trägt – scheint ein maximal schlechter Zeitpunkt zu sein, Forderungen zu stellen. Stattdessen würde man von einem Leader in so einer Situation erwarten, dass er Verantwortung übernimmt.
Außerdem ist Flick bei weitem nicht der einzige Top-Trainer, der die Nationalmannschaft leiten kann. Unter anderem Ex-Welttrainer Thomas Tuchel sucht derzeit nach einem Job.