Fußball-Fans aus Österreich und Polen marschieren über die Scheidemannstraße in Richtung Brandenburger Tor. Sie wollen auf die Fanmeile, ihre Landsleute lautstark anfeuern. Doch das Wetter spielt nicht mit.
Graue Wolken ziehen am Freitagnachmittag über die Quadriga, die Statue auf dem Brandenburger Tor. Auf der Fanmeile tummeln sich kaum Fans, der grüne Kunstrasen auf der Straße des 17. Juni ist noch zu sehen.
Zwischen dem Sicherheitspersonal und einer handvoll Polizist:innen formieren sich polnische Fans zu einem unsortierten Haufen, ausschließlich Männer. Sie tragen Hüte und Schals mit dem Aufdruck "Polska", das offizielle Nationaltrikot blitzt nur vereinzelt aus der Menge hervor.
Um 16.10 Uhr schlägt ein polnischer Fan verzweifelt die Hände über den Kopf zusammen und blickt in Richtung Brandenburger Tor. Vor ihm prangt ein gigantischer Flatscreen. In weniger als zwei Stunden soll hier das EM-Spiel zwischen Österreich und Polen übertragen werden.
Doch das TV-Signal zeigt weder das Innere des Olympiastadions noch feierwütige Fans auf den Straßen Berlins. Sondern: Sicherheitshinweise auf Deutsch, Englisch und Polnisch flimmern über den metergroßen Bildschirm.
Die Fanzonen am Brandenburger Tor und am Reichstag werden aufgrund einer Unwetterwarnung temporär geschlossen. Die Fans sind aufgefordert, das Veranstaltungsgebiet zu verlassen.
Bereits am frühen Nachmittag hatte der Deutsche Wetterdienst eine Unwetterwarnung ausgesprochen und via X ein "erhöhtes Schauerrisiko" prognostiziert.
Doch die polnischen Fans wollen sich das Feiern nicht verbieten lassen. Als das Sicherheitspersonal die alkoholisierten Fans in Richtung Ausgang begleiten wollte, stimmen sie polnische Fan-Gesänge an.
Minutenlang stehen sie da: breitbeinig, mit Bier in der Hand und den Fanschal zwischen beiden Armen gespannt. Sie schunkeln von rechts nach links, grölen im Chor und lassen sich nicht vom Kunstrasen vertreiben.
Zwischenzeitlich wird die Situation hitzig. Ein polnischer Fan wird von seinen Landsmännern zurückgehalten. Er ist frustriert, wedelt wie wild mit seinen Armen und flucht: "Suka."
"Ich hätte schon längst eingegriffen", sagt eine Polizistin, die das Spektakel aus erreichbarer Ferne beobachtet. Sie erzählt, dass der Veranstalter dafür sorgen müsse, die Fans vom Gelände zu entfernen. Die Polizei dürfe nur eingreifen, wenn es zu Ausschreitungen kommt.
Das Sicherheitspersonal, ausgestattet mit Regenponchos, holt sich kurzerhand Verstärkung. Männer mit blauen Westen sollen die angespannte Situation entschärfen – mit Erfolg. Die polnische Gruppe löst sich nach und nach auf.
Fans, sowohl aus Polen als auch aus Österreich, irren anschließend durch die Berliner Innenstadt und suchen nach einer Alternative, um das EM-Spiel live verfolgen zu können.
In einem Brauhaus direkt neben dem Brandenburger Tor haben sie Unterschlupf gefunden. Mittlerweile regnet es in Strömen, die österreichische Flagge auf Manfreds Wange ist durch den Regen verlaufen. "Wir lassen uns nicht die Stimmung vermiesen. Heute wird gefeiert", sagt er, "auch mit den polnischen Fans".
Vielleicht ja sogar auf der Fanmeile. Die ist um 18 Uhr wieder geöffnet, wie der Veranstalter mitteilte. Pünktlich zum Spielbeginn.