Mit der "Fan-Rückkehr" haben wir einen neuen Fachbegriff in der Fußballsprache. Dahinter verbergen sich viele Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte und natürlich jede Menge Fragen.
Werden die Stadien bald wieder ausverkauft sein? Kommt mit den Fans auch die einzigartige Bundesligaatmosphäre zurück in die Stadien? Werden die aktiven Fanszenen nahtlos an den Support der "Vor-Corona-Zeit" anknüpfen? Was werden die Themen der Choreographien sein? Wird es Protest gegen den Kommerzfußball geben? Oder wird sich die Stimmung verändern? Werden wir eine neue, ruhigere und unkritischere Fankultur in den Stadien sehen und erleben? Oder wird das Gegenteil passieren?
Wie dem auch sei: Nachdem im Laufe der zurückliegenden Tage und Wochen mehr und mehr aktive Fanszenen ihre Rückkehr bedingungslos angekündigt haben, dürfen wir uns auf einen stimmungsgeladenen Spieltag freuen. Mit etwas Glück mag am anstehenden Fußballwochenende manches sogar an vergangene "gute Tage" des Deutschen Fußballs erinnern.
Möglicherweise werden auch an diesem Spieltag nicht überall alle Tickets verkauft werden. Trotzdem: Die Rahmenbedingungen für einen Neustart waren niemals besser. Die politisch vorgegebenen Corona-Beschränkungen sind bundesweit gelockert, Fans und Zuschauer sind zuversichtlich, der Frühling beginnt und alle Beteiligten haben wirklich Lust auf "guten" Bundesligafußball.
Ich werde am Samstag um 18.30 Uhr nach Dortmund auf die Südtribüne schauen, wenn der BVB sein Heimspiel gegen Rasenball Leipzig austrägt. Auch an diesem symbolträchtigen Ort haben Fans organisierte Stimmung angekündigt.
Die Ultras von Borussia Dortmund kehren zurück ins Westfalenstadion und werden – gemeinsam mit Fans anderer BVB-Szenen – dafür sorgen, dass die Stehplätze der Südtribüne erstmals seit Corona-Beginn wieder komplett gefüllt sein werden. Vergleichbares werden wir in allen anderen Bundesligastadien erleben und beobachten können.
Die Erwartungen sind hoch. Auch weil wir wissen, dass es den Fans seit vielen Jahren um weitaus mehr als um das 1:0 geht. Sie werden am kommenden Spieltag wieder eine lebendige Bühne für ihre Botschaften suchen. Nach knapp zwei Jahren Geisterspiele und Corona-Angst hat sich einiges aufgestaut.
So viel steht fest: Die Rückkehr der kritischen Fans wird in den kommenden Wochen von zahlreichen sportpolitischen Botschaften begleitet werden. Fans werden fragen, was die Profiklubs aus der Pandemie gelernt haben? Weiterhin: Wird es beim DFB tatsächlich einen Neuanfang geben und wie werden die Fans dabei gesehen? Als Störenfriede? Oder vielleicht doch als Impulsgeber, die Debatten um schwierige Themen und Veränderungen anstoßen?
In unseren Seminaren und Studien konnten wir regelmäßig belegen, wie sehr die Fans den Fußball lieben und welche Bedeutungen sie an ihren Fußball herantragen. Sportbezogene Werte wie fairer Wettbewerb, Chancengleichheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit rangieren in den Kurven ganz weit oben auf der Werteskala.
Die daran gebundenen Haltungen sind so sehr in den Köpfen und Herzen der Fans verankert, dass wir davon ausgehen können, dass hieraus auch Maßstäbe abgeleitet werden, die über den Rand des Spielfeldes hinausreichen. Auf dieser Grundlage werden Fans dann auch die wirtschaftliche und kulturelle Verfassung des DFB, der DFL und ihrer Klubs beurteilen und kritisieren. Es bleibt spannend!
Wir werden auch deshalb bis zum Saisonende und darüber hinaus engagierte Debatten um "guten" Fußball, "gutes" Geld, eine "gute" Fußballkultur, internationale Sportpolitik, Menschenrechte und vieles mehr in den Stadien und Kurven erleben.
Hoffentlich sind die sogenannten Stakeholder der Fußballbranche inhaltlich, rhetorisch und emotional gut vorbereitet. Der zu erwartende Protest könnte tatsächlich dazu beitragen, den Weg in einen "guten" Fußball zu gehen. Vielleicht aber auch nicht. Ich bin jedenfalls voller Hoffnung und Neugierde.