"Wir haben als Spieler eine gewisse Verpflichtung an die Gesellschaft, auf die Umstände aufmerksam zu machen."
Lars Stindl ist Fußball-Profi. Er ist Kapitän von Borussia Mönchengladbach, hat über 300 Bundesliga-Spiele bestritten, elf Länderspiele für Deutschland und ist bei der WM in Katar TV-Experte bei MagentaTV.
Im Spotify-Original-Podcast "Ausverkauft" in Zusammenarbeit mit dem "Spiegel" äußert er sich offen über Katar – und fordert eine klare Haltung von seinen Kollegen.
Es ist schwierig, einen Profi-Fußballer zu finden, der sich klar zu den Menschenrechtsverletzungen in Katar positionieren will. Einige Nationalmannschaften haben bereits entsprechende Zeichen gesendet, auch einzelne Nationalspieler. Aber längst nicht in der Anzahl, in der es sich die Fans wünschen würden. Auf der einen Seite – der Seite der Fans – stehen allgegenwärtige Boykott-Aufrufe, auf der anderen Seite – der Seite der Teams – herrscht Stille, zumindest weitestgehend.
Der "Spiegel"-Podcast beschreibt in Folge 7 zahlreiche Absagen der Profis auf entsprechende Anfragen. Nur verständlich, meint Liverpool-Trainer Jürgen Klopp auf einer Pressekonferenz. Denn seiner Meinung nach sollten Journalist:innen endlich damit aufhören, Spieler nach ihrer Meinung zu Katar zu befragen. Stattdessen sollten die sich auf den Sport konzentrieren.
Doch einige wenige haben sich öffentlich positioniert. So zum Beispiel auch Bayern-Spieler Joshua Kimmich auf einer offiziellen DFB-Pressekonferenz oder sein Mannschaftskollege Leon Goretzka im "Spiegel"-Podcast "Ausverkauft" in Folge 6.
Doch damit sind sie fast allein, bis jetzt.
Laut Lars Stindl sei es wichtig, dass Deutschland solche lauten Stimmen, wie die von Goretzka und Kimmich, hätte. Doch nicht alle seien so wortgewandt wie sie. Und nicht alle befänden sich in der richtigen Stellung dafür. Spielern wie ihnen würde man jedoch zuhören, sie hätten etwas zu sagen.
Er selbst habe sich vor mehreren Wochen intensiv in das Thema eingelesen, sich informiert, "um genau in solchen Situationen, wie jetzt, in Interviews oder Podcasts auf entsprechende Fragen antworten zu können", erklärt Stindl im "Spiegel"-Podcast. Selbstverständlich würde man sich auch innerhalb der Bundesliga mit anderen Spielern darüber austauschen. Doch dabei fiele auf, dass nicht jedes Land so eine reflektierte Berichterstattung hätte, wie Deutschland, sagt Stindl.
Bei vergangenen Weltmeisterschaften gab es bereits ähnliche Probleme, wie dieses Jahr in Katar. So wurde beispielsweise 1978 in Argentinien die schwierige politische Lage, mit einem Militärputsch, und die Menschenrechtssituation, mit Folterungen, von vielen Spielern ignoriert.
So sagte damals beispielsweise der ehemalige deutsche Nationalspieler Klaus Fischer in einer Fernseh-Aufzeichnung des WDR:
Dass viele Fußball-Profis schweigen, versteht Stindl zwar, "trotzdem haben wir als Spieler eine gewisse Verpflichtung an die Gesellschaft, auf die Umstände aufmerksam zu machen", betont er.
Dabei solle man jedoch nicht zu sehr auf das Thema gehen, da man sich als Spieler auf den Sport konzentrieren sollte. Dennoch könne der Sport laut Stindl "ein Stück weit politisch sein" und "politisch bewegen". "Dieser Verantwortung sollte man sich bewusst sein, um Aufmerksamkeit zu schaffen", erklärt er im Podcast weiter.
Einen Fortschritt im DFB-Team sieht Stindl dahingehend auch. Zum Beispiel wäre da die besondere Kapitänsbinde, die unter anderem Kapitän Manuel Neuer für die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Katar tragen wird. Diese soll für Vielfalt und gegen Diskriminierung stehen. Dabei handelt es sich zwar nicht um die bekannte Regenbogenbinde, aber um eine mit mehrfarbigen Streifen und dem Aufdruck "One Love".
Zudem trugen im März 2021 die deutschen Nationalspieler T-Shirts mit Buchstaben darauf. Nebeneinander ergaben sie "Human Rights" – Menschenrechte.
Das sind zwar kleine Schritte, aber es könnte auch noch mehr sein, finden zumindest die Fans. Laut einer repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsunternehmen Civey im Auftrag von watson durchgeführt hat, wünschen sich 57 Prozent der Befragten eine klare Positionierung der teilnehmenden Nationalspieler zu den Menschenrechtsverletzungen in Katar.