Diskussionen über Schiedsrichterentscheidungen gehörten schon immer zum Fußball – wie Stollenschuhe oder auf halbmast hängende Stutzen. In den vergangenen Jahren aber haben sie zunehmend an Fahrt aufgenommen, mit dem Videobeweis zudem eine neue Dimension gewonnen.
Für zusätzliche Verwirrung, bei Spieler:innen gleichermaßen wie bei Zuschauenden, sorgt darüber hinaus die Handspielregel. Was ist Absicht, was nicht? Wo endet die Schulter und was ist die T-Shirt-Linie? Warum bekommt Deutschland gegen Dänemark einen Handelfmeter, Marc Cucurella aber darf einen klaren Torschuss blocken?
Es ist undurchsichtig geworden, wann ein Handspiel strafbar ist. Zwischenlösungen, etwa der Einsatz von indirekten Freistößen im Strafraum, hat das für die Fußballregeln zuständige IFAB bisher nicht eingeführt. So bleibt das Thema vorerst ein leidiges, streitbares.
Keinerlei Diskussionen gab es indes am Sonntagnachmittag in Magdeburg. Im Rahmen des 8. Spieltags der 2. Bundesliga hatte der 1. FC Magdeburg Greuther Fürth zu Gast, den Hausherren bot sich dabei die Chance, an die Tabellenspitze zu springen.
Schnell aber sollte darüber nicht mehr gesprochen werden, denn es spielte sich Unglaubliches ab. Fürth-Schlussmann Nahuel Noll fischte eine Flanke herunter und beruhigte das Geschehen, indem er den Ball sekundenlang an sich presste. Zur Spielfortsetzung rollte er die Kugel schließlich zu Abwehrspieler Gideon Jung. Zum Entsetzen aller Fürther nahm dieser den Ball in die Hände, als hätte er ihn wie bei einem Abstoß zurechtlegen wollen.
Ein Magdeburger stürmte direkt reklamierend auf ihn zu, Jung wusste nicht so recht, wie ihm geschah. Schiedsrichter Bastian Dankert zeigte auf den Punkt. So langsam blühte dem Fürther Verteidiger, was da gerade passiert war.
Dieses Geschenk nahmen die Magdeburger dann aber nicht einmal direkt an, Noll wehrte Mohammed El Hankouris schwachen Versuch ab. Der Mittelfeldmann aber bekam die Kugel im Nachsetzen noch einmal, drückte ihn dabei über die Linie.
Die Hausherren legten kurz darauf das 2:0 nach, drängten sogar auf einen dritten Treffer. Kurz vor der Halbzeitpause wagten dann aber auch die Fürther einmal einen Vorstoß.
Roberto Massimo ging ins Dribbling, wurde kurz vorm gegnerischen Strafraum von den Beinen geholt. Foul, dachten alle. Weiterspielen, meinte Dankert. Das hatte Magdeburgs Daniel Heber aber nicht mitbekommen. Er dachte, es gäbe einen Freistoß, weshalb er, im Sechzehner stehend, den Ball in die Hand nahm. Nun pfiff Dankert: Strafstoß.
Der zweite maximal kuriose Handelfmeter also binnen 45 Minuten. In dem Fall nahm Julian Green das Geschenk sogar direkt an, verkürzte auf 1:2.
"Zwei solche Elfmeter in einem Spiel, wirklich Wahnsinn", verschlug es in der Halbzeitpause selbst Sky-Experte Torsten Mattuschka die Sprache. "Völlig irre, solche zwei Szenen in einem Spiel, das habe ich noch nie erlebt."
Der Ex-Profi erkannte aber auch etwas Schönes an dieser doppelten Kuriosität. "Das Coole: Wir brauchten mal keinen VAR dafür", sagte er und zitierte dann einen seiner Ex-Trainer: "Ede Geyer würde sagen: 'Habt ihr Tinte gesoffen?'"
Sportlich war es übrigens nicht der Schlusspunkt, denn im zweiten Durchgang glich Noel Futkeu für die Gäste noch aus. 2:2 nach Toren, 1:1 nach kuriosen Handelfmetern, aber ein klarer Sieg für alle Zuschauenden.